Streikbericht aus Basel (12. 3. 08)

Am 12. März 2008 wurden Basel zahlreiche Grossbaustellen bestreikt. Im Anschluss demonstrierten bis zu 500 Bauarbeiter durch die Stadt, um gegen die Baumeister aufzufordern den ausgehandelten LMV zu unterschreiben. Der revolutionäre Aufbau war mit Flugblättern und Transparenten anwesend. Fotos vom Tag gibt es hier. Ein Bericht über die Geschehnisse folgt hier:

Gerade mal fünf Uhr morgens war es, als am Mittwoch, dem 12. März im Basler Gewerkschaftshaus das Briefing für den Streiktag auf dem Bau gehalten wurde. Neben der UNIA waren auch UnterstützerInnen des Basler Solidaritätskomitees, wie Leute vom Revolutionären Aufbau, zugegen. Im Vorfeld war weder Tag noch Ort öffentlich bekannt und nur Wenige waren in die konkrete Streikplanung eingeweiht. Trotzdem hatte die Bauleitung von der Grossbaustelle beim Novartis-Campus erfahren, dass ihre Baustelle bei Arbeitsbeginn bestreikt werden sollte. Um einen Streik zu verhindern, bestellten die Implenia-Bauherren die Arbeiter am Vorabend für den nächsten Tag kurzerhand eine Stunde früher zur Arbeit. Doch diesem Kalkül entgegneten die Frühaufsteher von der UNIA, indem sie schon um halb sechs bei den Zugängen zur Baustelle auf die Bauarbeiter warteten, um sie vom Streik zu überzeugen.
Die Bestreikung war erfolgreich, auf der Baustelle wurde den ganzen Tag nicht gearbeitet. Der kurzfristige Entscheid der UNIA, mit Entschlossenheit und konzentrierter Kraft auf die Unverschämtheit der Implenia zu reagieren – und nicht wie ursprünglich geplant, sich von Anfang an auf verschiedene Baustellen zu verteilen – war auf jeden Fall richtig. Jedoch wurde hier leider zulange gewartet, bis die streikenden Arbeiter in Bussen zum Streikzentrum im Restaurant Warteck an der Messe gefahren wurden. So blieben die streikenden Kollegen unnötig lange im Spannungsfeld zwischen Chef und Gewerkschaft. Solange sie noch am Arbeitsplatz verweilten, waren sie sehr empfindlich auf die Angstmache der Poliere und die Drohungen der Bauleitung per Telefon. Als sie dann aber zusammen beim Streikzentrum waren, war von Loyalität gegenüber den Chefs nicht eine Spur übrig. Dass dieser zwiespältigen Situation oft nicht genügend Rechnung getragen wird, sollte sich im Verlaufe des Tages mehrfach zeigen. So sind denn viele der Bauarbeiter nach langem Herumstehen nach Hause gefahren, statt sich der Streikdynamik anzuschliessen. Man muss befürchten, dass ein Teil von ihnen per Telefon wieder aufgeboten wurde, um an anderen Orten eingesetzt zu werden.

Daraufhin konnten noch mehrere Grossbaustellen bei Arbeitsbeginn besucht und bestreikt werden. Diese Baustellen sind in den letzten Tagen intensiv von UNIA-Funktionären besucht worden und die Bauarbeiter waren auf einen Streik im Laufe der Woche vorbereitet. So entwickelte sich zum Beispiel auf der Marti-Baustelle Erlenmatt schnell eine Dynamik, in der kampfbewusstere Arbeiter ihre Kollegen zum Streik überzeugten. So konnte die Angst – der Polier drohte den Arbeitern auch hier und versuchte Streikwillige durch Fotografieren einzuschüchtern – kollektiv überwunden werden.

Nach einer Kaffeestärkung im Streik-Saal startete um halb neun die zweite Welle und wir verteilten uns wieder auf die Busse, um weitere Kollegen auf Baustellen abzuholen. Da die Arbeit auf den Baustellen jetzt bereits in vollem Gange war, gestaltete sich dieses Vorhaben in manchen Fällen als schwierigeres Unterfangen. So zum Beispiel auf einer Baustelle beim Bachgraben, wo die UNIA-Delegation den Fehler machte, mit dem Polier zu verhandeln und ihm einzugestehen, dass vier Arbeiter da bleiben dürften, um zu betonieren, und gar nicht erst versuchten die selbständig arbeitenden Eisenleger zu einem solidarischen Verhalten mit ihren Kollegen zu bewegen. Dies ist natürlich eine wenig kraftvolle Ausgangslage für einen Streik und folgerichtig wechselte der Polier die anfangs kooperative Haltung zu Gunsten massiver Drohgebärden gegenüber den Streikenden, was diese bewog wieder aus dem Gewerkschaftsbus auszusteigen, um weiterzuarbeiten. Eine ernüchternde Aktion, die uns einmal mehr lehrt, dass Arbeitskämpfe nur mit einem Minimalniveau an Radikalität überhaupt zu führen sind.

Gleichzeitig kam es zu einer ähnlichen Situation auf einer Baustelle beim Kronenplatz in Binningen. Dort waren schon einige UNIA-Funktionäre seit längerem daran, die Baustelle zu räumen. Vier Baufirmen waren hier an der Arbeit, was die ganze Situation natürlich nicht einfacher macht. Auch hier wurde mit den Polieren verhandelt. Auch hier argumentierte der Polier, sie müssten jetzt den Beton fertig bearbeiten, würden dafür später mitstreiken. Das lange Hin und Her zermürbte die Arbeiter. Die Situation änderte sich erst, als eine weitere entschlossenere UNIA-Delegation ankam und als erstes direkt zu den Arbeitern ging, um sie zum Streik aufzufordern. Ab da, leerte sich die Baustelle so schnell, dass der Bauleiter kaum mit fichieren und fotografieren nachgekommen ist. Erst recht nicht, als er die Frechheit besass, die Streikenden beim Umziehen zu fotografieren. Auf die Aufforderung unsererseits, die Arbeiter in Ruhe zu lassen, entgegnete dieser, er dürfe seine Arbeiter fotografieren, wann und wie er wolle. Die verbale Auseinandersetzung war damit beendet und er flog aus dem Container raus. Das lange Taktieren mit dem Polier hatte aber einige Bauarbeiter so zermürbt, dass sie zwar mitstreikten, aber nicht mit an die Demonstration wollten.

Um halb elf war der Saal vom Restaurant Warteck mit etwa 400-500 Bauarbeitern gefüllt und wir machten uns bereit, durch die Stadt zu demonstrieren. Inzwischen ist gegenüber dem Streikzentrum ein grosses Transparent des Rev. Aufbau aufgehangen worden, das zu Solidarität mit den streikenden SBB-Cargo–Arbeitern aufruft. Die Demo war trotz denkbar schlechtem Wetter kraftvoll und laut. Beinahe ununterbrochen wurde dem starken Wind und Regen die Streikparole Sciopero! entgegengerufen. Ziel der Demo war die bestreikte Baustelle beim Frauenspital. Diese wurde nun symbolisch besetzt und es wurde nochmals kontrolliert, ob auch wirklich gestreikt wird. Danach ging es per Bus wieder zum Mittagessen ins Streikzentrum.

Trotz durchnässter Kleidung hatte die Demo die Stimmung merklich gesteigert.
So schlug ein UNIA-Funktionär nach dem Mittagessen vor, die Grossbaustelle Stückiareal, auf welcher am Morgen eine Solidarisierung mit dem Streik verweigert wurde, zu besuchen. Der Vorschlag wurde durch heftigen Beifall eindeutig angenommen. Ungeachtet der etwa 15 Polizisten, die mit Verweisen drohten, strömten die Bauarbeiter von allen Seiten in die Grube und machten ihren Kollegen klar, dass sie stärker sind als der Chef und man sich dem Streik besser anschliesst. Hier zeigte sich – nach dem durchlebten Vormittag – dass vor allem junge Bauarbeiter, welche am Morgen noch zauderten und der Gewerkschaft kritisch gegenüberstanden, plötzlich Vertrauen in die kollektive Aktion fassten. Sie blühten auf und verliehen ihrer Wut Ausdruck. Es waren denn auch sie, welche jetzt an vorderster Stelle die Bauleiter und Poliere anschrien und sich ihnen in den Weg stellten. Die Poliere mussten schliesslich einlenken, die Bagger- und Kran-Führer schlossen sich unter Beifall den Streikenden an, der voll beladene Betonlastwagen verliess hupend das Gelände und nur UNIA-Fahnen blieben schliesslich auf der bestreikten Baustelle zurück… Kraftvolle und schöne Momente zum Abschluss eines – sicher durchzogenen – aber alles in allem doch erfolgreichen Auftakts zur zweiten Kampfphase der Bauarbeiter um einen guten LMV. Es war ein Tag der – trotz einigen Mängeln in der Organisierung und der Entschlossenheit der Ausführung – die Kampfbereitschaft der Bauarbeiter stärkte, indem er zeigte, dass man sich den Drohungen der Bauführung entziehen kann, sobald als geschlossenes Kollektiv aufgetreten wird.