Flugblatt gegen das WEF 2007

Dieses Flugblatt haben wir an den Mobilisierungen gegen das WEF 2007 verteilt:

Die Zukunft in die eigenen Hände nehmen!

 

Wenn sich die Damen und Herren des Kapitals in Davos über Probleme wie Umweltbelastung, Migration, Pandemiegefahr, Arbeitsplatzunsicherheit etc. unterhalten, könnte man meinen, es gehe ihnen um die Lösung tatsächlicher grosser Fragen der Menschheit. Sie sagen sogar, es genüge nicht, die Zukunft nur zu verwalten, sondern sie müsse neu erschaffen werden. Das tönt eher zynisch angesichts einer Gegenwart, in der die USA wegen des Irak-Debakels ihre Streit- und Folterkräfte aufstocken und in Somalia eine neue Kriegsfront eröffnen, die mexikanische Regierung die Volkserhebung im Bundesstaat Oaxaca mit Militär, Folter und Todesschwadronen niedermacht oder Indien – auch in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Staat – das grösste Aufstandsbekämpfungsprogramm gegen die maoistische Volksbewegung aufbaut.

 

Die wenigen Beispiele machen klar, dass die einzige Zukunft, die sie anbieten können, im Sichern des gegenwärtigen Ausbeutungssystems besteht. So müssen sich die chinesischen und thailändischen ArbeiterInnen in den Zulieferbetrieben der Handy-Fabrikation von Nokia, Motorola, Samsung, Sony-Ericson und LG während 7 Tagen in der Woche bis zu 13 Stunden pro Tag abrackern, und dies für Hungerlöhne von weit unter einem Franken pro Stunde in vergifteter Dreckluft. Bei Nokia in China sind 57% WanderarbeiterInnen, 60% davon Frauen.

 

Mit Tero Onjapera war 2006 der finnische Vizepräsident und Chief Strategy Officer der Nokia am WEF präsent. Motorola unterstützte die von Bono Vox am letztjährigen WEF lancierte Idee, mittels sogenannten RED-Produkten den Kampf gegen Aids in Afrika zu unterstzüen. So gehen beim Kauf eines RED-Motorola Razr-Handys 11 Franken an den entsprechenden Global Fund. Das sind die Feigenblätter, mit denen solche Konzerne ihre ausbeuterischen Blössen verdecken wollen.

 

Das WEF als Feigenblatt

 

So zeigt sich der wahre Charakter der ganzen Problemlösungsversuche, mit denen sich das WEF der Menschheit empfiehlt: Ein Feigenblatt für die nackte Tatsache, dass ihre einzige Zukunft in der brutalen Verschärfung der Ausbeutung liegt, gerade auch in einer Zeit, wo sie sich an einem guten Wirtschaftsgang für die Reichen erfreuen. Wal-mart, die grösste US Warenhaus-Kette, zwingt neuerdings alle Kassiererinnen, jederzeit nur noch für Arbeit auf Abruf zur Verfügung zu stehen, ohne fixe Arbeitszeit oder garantierten Lohn. In ähnlicher Richtung gehen die Arbeitsbedingungen für die sich allmählich in der Schweiz ausbreitenden Aldi-Filialen.

 

Eine politische Krise

 

Die langdauernde Wirtschaftskrise verschärft sich also weiter und hat eine schwere politische Krise zur Folge. Die Imperialisten, die am WEF in scheinbarer Harmonie ihre Feigenblätter präsentieren, bekämpfen sich im Alltag bis aufs Blut, damit jeder auf Kosten der anderen reicher und mächtiger wird. Diese Tatsache drückt sich im diesjährigen Motto der Davoser Tagung aus: The shiftig power equation, was man mit «Die Verschiebungen des Machtgleichgewichts» übersetzen kann. Wer gewinnt und wer verliert im Kampf um die Neuaufteilung der Welt, das ist die politische Kernfrage. In diesem Kampf werden die Möglichkeiten des Kapitals, seine Gesamtinteressen umzusetzen, immer schwächer: In den meisten Staaten verbeissen sich die Parteien nur noch gegenseitig ineinander. Die Projekte zur Liberalisierung von Handel und Investitionen sind blockiert (Doha-Runde der WTO), die NATO weiss nicht mehr, wofür sie da ist, und die Weltwirtschaftstreffen (G8) sind hypnotisiert von Russland, dessen Führung Terroranschläge und Giftmorde durchführen lässt, um ihre Interessen voranzutreiben. Auch die WEF-OrganisatorInnen müssen feststellen, dass die nationalen und internationalen politischen Institution, um diese Widersprüche aufzufangen, bedrohlich schwach sind.

 

Arrangements in Hinterzimmern

 

Der inoffizielle Charakter dieser Tagung, mit weltweiten Kontaktmöglichkeiten auf höchster wirtschaftlicher und politischer Ebene, ohne Zwang, zu konkreten Beschlüssen zu kommen, gibt ihnen einen Freiraum, die politische Schwäche mit Hinterzimmergesprächen etwas auszugleichen. Ein klassisches Beispiel dafür war der Deal um die Entführung des PKK-Chefs Öcalan vor einigen Jahren. Es ist davon auszugehen, dass auch die Frage der türkischen Flüchtinge, die aus verschiedenen Ländern an die Türkei ausgeliefert werden sollen, ein Gesprächsthema sein wird. Sie sitzen, wie zum Beispiel Erdogan E. schon lange in Auslieferungshaft (s. Kasten).

 

Das WEF ist überall

 

Da die WEF-Mitglieder im Alltag überall anzutreffen sind, finden auch an verschiedenen Orten Mobilisierungen, Demos, Aktionen und Veranstaltungen statt. Wenn wir mit unserem Widerstand gegen das Kapitalistentreffen die Kapitalisten da und dort treffen können, ist das Teil unserer Arbeit an der einzig möglichen Zukunftsperspektive, für den Kommunismus. Auf die Verschiebung des Machtgleichgewichts kann es für uns nur eine Antwort geben: Alle Macht dem Proletariat! Wir können die Zukunft nur in die eigenen Hände nehmen.

 

Kapitalisten treffen statt Kapitalistentreffen!

 

Für den Kommunismus!

 

 

 

Wer ist Erdogan E.?
Seit dem 21. Februar 2006 sitzt Erdogan E. in Auslieferungshaft. Das Bundesamt für Justiz beantragt seine Auslieferung an die Türkei, obwohl erwiesenermassen, auch mittels ärztlicher Zeugnisse, die ihn belastenden Aussagen unter Folter erzwungen und später wider zurückgenommen wurden. Trotz der Tatsache, dass die für diesen Vorwurf verurteilten Leute Erdogan E. auf keinem ihnen gezeigten Foto wiedererkannten, beharrt die türkische Staatsschutzjustiz darauf, Erdogan E. habe als 15jähriger an einer Aktion der revolutionären Organisation DHKP-C teilgenommen, bei der ein Polizist sein Leben verloren hatte. Erdogan bestreitet nicht sein politisches Engagement, wohl aber den Tatvorwurf. Erdogan E. darf nicht an die Türkei ausgeliefert werden!

 

 

 

Was ist das WEF?

Ein von Klaus Schwab gegründetes privates Unternehmen mit Sitz im Kanton Genf, ein Club der multinationalen Konzerne weltweit, die für ihre Mitgliedschaft jährlich mindestens 20’000 US-Dollar aufbringen. Kerngeschäft sind internationale Treffen, insbesondere die jeweils Ende Januar stattfindende Jahrestagung in Davos. Ungefähr 2000 Spitzenvertreter der Konzerne, der Medien, aber auch Regierungsmitglieder und Künstler beteiligen sich einerseits an einem Kongressprogramm mit Hunderten von Veranstaltungen zur Weltwirtschaft, zur Weltpolitik und zur Kultur, aber auch zu Führungsfragen von Unternehmen und Organisationen, Innovation und vor allem, wie sie noch besser ausbeuten können. Andererseits sollen sie sich ohne Krawatte näherkommen, um in Hinterzimmern Geschäfte einzufädeln oder politische Probleme informell neu mischeln zu können.