Flugblatt gegen das G8

Dieses Flugblatt haben wir an den Mobilisierungen gegen das G8 in Heiligendamm 2007 verteilt:

Kapitalismus zerschlagen – revolutionäre Perspektive wagen

Ob WEF, Natosicherheitskonferenz oder jetzt der G8 in Heiligendamm, es gilt, aus einer fundamentalen Kapitalismuskritik heraus den Kampf auf die Strasse zu tragen, sich den klassenkämpferischen Mobilisierungen anzuschliessen und gemeinsam mit ihnen den Prozess für eine revolutionäre Perspektive hier wie international voranzutreiben und fassbarer zu machen.

Was dem WEF der „Geist von Davos“, ist der G8 (Gruppe der 8) der „Geist von Rambouillet“. Dieser soll Anfang Juni in Heiligendamm (Deutschland) wieder beschworen werden, vom 6. – 8. Juni treffen sich dort die Staats- und Regierungschefs der sieben grössten Wîrtschaftsmächte, d.h. Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada und USA sowie Russland. Selbstverständlich fehlt auch die EU nicht, sie ist durch die europäische Kommission vertreten.

Treffen vor dem Gipfel
Vor dem eigentlichen Gipfel werden Treffen verschiedenster Art abgehalten, wobei die Themen und Anlässe praktisch unüberschaubar sind.
Hauptsächlich sind es Treffen von VertreterInnen verschiedenster Ministerien. In einer Zeit, in der die Umweltverschmutzung in aller Munde ist, gibt es natürlich auch ein Treffen der UmweltministerInnen der G8-Staaten. Was bei einem solchen Treffen herauskommt, lässt sich schon erahnen wenn wir uns daran zurück erinnern, was bei der geplanten CO2-Ausstoss-Reduktion geschehen ist. Ein Aufschrei der Automobilindustrie, dass Profite verloren gehen könnten und es damit zum Arbeitsplatzabbau kommen würde genügte, um die Politik wieder auf Kurs zu bringen.
Natürlich dringt von diesen Treffen nicht viel mehr aussen als die nichts sagenden Statements an den Pressekonferenzen. Dies gilt auch für die Treffen aller anderen MinisterInnen wie der Arbeits- und FinanzministerInnen, der EntwicklungsministerInnen oder der Verantwortlichen für die Aussenpolitik, die sich gleich zweimal treffen, einmal in Deutschland und einmal in den USA.

Selbstverständlich werden an diesen Treffen, wie auch am G8-Gipfel selbst, nicht nur die Strategien zur Durchsetzung ihrer Interessen nach Aussen diskutiert, sondern auch die inneren Widersprüche. So hat die geplante militärische EU-Eingreiftruppe in den USA nicht gerade Begeisterungsstürme ausgelöst. Dass die EU eine militärische Macht jenseits der Nato darstellen könnte, kommt den USA natürlich ungelegen. Wie der G8 auf die Verfassungsänderung in Japan reagiert steht noch aus. Japans Ministerpräsident möchte, dass sich die Armee stärker an internationalen Einsätzen beteiligen kann, doch dazu müsste der ihnen nach dem 2. Weltkrieg von den USA auferlegte Artikel weg, der nur eine Verteidigungsarmee erlaubt. Russlands engere Beziehung zum Iran wird wohl auch nicht auf viel Begeisterung seitens der USA stossen.
Desgleichen dürfte sich bei den Auseinandersetzungen um den Umweltschutz abspielen, keiner der G8-Staaten wird sich alleinig verpflichten, strengere Bestimmungen einzuhalten. Alle haben Angst davor, dadurch ökonomisch unter Druck zu geraten. Jedoch wäre das wiederum ein Druckmittel gegen die „Schwellenländer“ wie China oder Brasilien.

Auch die „Zivilgesellschaft“ soll am G8-Gipfel nicht vernachlässigt werden, vertreten und eingebunden durch Nichtregierungsorganisationen. Einige werden dazu eingeladen, an verschiedenen Veranstaltungen vor dem eigentlichen Gipfel zu diskutieren. Begründet wird dies durch die G8 folgendermassen: „Die Angelegenheiten, die von der G8 beraten werden, betreffen nicht nur die jeweiligen Regierungen der Länder. Sie haben natürlich auch Auswirkungen auf die durch die Regierungen vertretenen Gesellschaften und Bürger.“
Was für eine hochtrabende Erkenntnis! Allerdings wurden alle diejenigen vergessen, die von der wirtschaftlichen Politik der G8-Staaten, wie z.B. von imperialistischen Kriegen und Ressourcenausbeutung betroffen sind.

Die Schwellenländer
Zu Gesprächen eingeladen werden jedenfalls nur diejenigen Staaten, an denen die G8 ein wirtschaftliches oder politisches Interesse hat. Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika, die so genannten “Schwellenländer”, sind bei der G8 gerne zu Gesprächen gesehen. Einerseits fliesst in diese Länder viel Kapital, weil es sich dort billig und trotzdem qualitativ hochwertig produzieren lässt, ein Traum für die grössten Wirtschaftsmächte. Andererseits entwickelt sich durch den ökonomischen Aufstieg dieser Länder eine neue starke Kapitalfraktion, die ebenfalls imperialistische Ansprüche stellt. Indien exportierte als Mekka für Technologiekonzerne zum Beispiel bis vor wenigen Jahren ihre SpezialistInnen in die ganze Welt. Heute verschiebt sich der Markt für die Arbeitskräfte nach Indien selbst, weil dort billiger produziert werden kann. Dadurch erhält die indische Bourgeoisie die Möglichkeit, ihre eigene Fraktion zu stärken, und erhofft sich sicherlich auch die Hilfe der anderen Staaten zur Bekämpfung des Volkskriegs. (Broschüre des Revolutionären Aufbau zur Situation und zum Volkskrieg in Indien im Aufbau-Vertrieb erhältlich.)

Nicht fehlen dürfen an den Gipfeln natürlich auch die VertreterInnen der Regierungen afrikanischer Staaten, denn auch wenn sie nicht zu den „Schwellenländern“ zählen, lagern dort noch ungenutzte Rohstoffe und Arbeitskräfte. Nigeria, Ägypten, Südafrika, Algerien, Senegal sowie Ghana, das aktuell den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) innehat, sind von der G8 eingeladen, an Gesprächen teilzunehmen. Vordergründig geht es dabei hauptsächlich um die Umsetzung der sogenannten „Milleniumsziele“. Diese acht Entwicklungsziele wurden von der UN verfasst und sollen bis 2015 umgesetzt werden. Das erste Ziel davon, „den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, halbieren“, verfolgt nicht nur einen humanitären, sondern auch einen ganz konkret wirtschaftlichen Zweck: Hungernde ArbeiterInnen produzieren nicht zuverlässig und die Rohstoffgewinnung lässt sich bei einer hungernden Bevölkerung auch nicht optimal vorantreiben. Solange vor allem in Afrika bei weiten Teilen der Bevölkerung Hunger herrscht, lassen sich die Ressourcen dort auch nicht effizient genug ausbeuten.

Globalisierung als Chance – auch für das Proletariat
Wie die Bourgeoisie am WEF, propagieren auch ihre VertreterInnen am G8-Gipfel die Globalisierung als Chance. Selbstredend meinen sie damit die Chance für sich, für die AusbeuterInnen, durch immer neue Märkte und einem verschärften Standortwettbewerb ihren Profit weiter zu maximieren – natürlich auf dem Rücken der ArbeiterInnenklasse.
Die Globalisierung deshalb als Wurzel und Kern aller Ausbeutung und Unterdrückung zu sehen, ist aber falsch. Das kapitalistische System hat sich durch und nach der Industrialisierung zu einem globalen System entwickelt. Nicht die Globalisierung, der Kapitalismus gehört als ganzes abgeschafft. Unsere Antwort auf die Globalisierung der kapitalistischen Wirtschaft kann nur die internationale Solidarität sein.
Eine globale und gesamtgesellschaftliche Produktion bietet deshalb auch der proletarischen Klasse eine Chance. Kämpfe, seien es revolutionäre oder Arbeitskämpfe, können sich heute international auswirken. Die Vernetzung der ArbeiterInnen nimmt zu, wenn vorerst vor allem über die Gewerkschaften. Bestes Beispiel dafür war die geplante Schliessung eines VW Autowerks in Brüssel, was zu einem Solidaritätsstreik in Deutschland führte.
Schon 1848 hielt die internationale Arbeiterassoziation fest, „dass die Emanzipation der Arbeiterklasse weder eine lokale noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder umfasst, in denen die moderne Gesellschaft besteht, und deren Lösung vom praktischen und theoretischen Zusammenwirken der fortgeschrittensten Länder abhängt“.
Nicht, dass wir denken die proletarische Revolution würde sich aus dem Widerstand gegen den G8-Gipfel formieren, das Verständnis des proletarischen Internationalismus ist jedoch eine grundsätzliche Frage.
Im Zentrum des Interesses steht dabei der Versuch, die Erfahrungen und Impulse dieser Kämpfe für den revolutionären Klassenkampf im „eigenen“ Land nutzbar zu machen. Diese Verbindung zwischen dem durch die konkreten Lebens- und Arbeitsverhältnisse geprägten Klassenkampf im „eigenen“ Land und den internationalen Kämpfen macht den internationalen Charakter der proletarischen Revolution konkret fassbar und führt zur Verbundenheit und zum Zusammenschluss der kämpfenden proletarischen Kräfte.“ (Aus der Plattform des revolutionären Aufbau)

Zu den Mobilisierungen
Die unterschiedlichen Kräfte der Antiglobalisierungsbewegung bündeln sich in ihrer Wirkung immer wieder aufs Neue anhand der grossen Treffen der politischen und wirtschaftlichen Führung.
Die Unterschiede zwischen den verschiedenen aktiven Fraktionen an diesen Anlässen sind gross, in der Praxis gleichermassen wie in der Theorie. Viele verschiedene Strukturen und soziale Kämpfe kommen zusammen, greifen ineinander und versuchen sich gemeinsam zu bewegen. Daher kann der Widerstand gegen solche Anlässe wichtige Knotenpunkte darstellen.
All die Gruppen, Strukturen und Personen, die  am G8 zusammenfinden, kommen aus unterschiedlichen Ländern und Regionen, in denen Widerstandsformen und soziale Kämpfe unterschiedlich entwickelt und entfaltet sind. Verschiedenste Widerstandsformen, haben sich entsprechend den verschiedenen Lebenssituationen der Menschen,  ungleichzeitig nebeneinander entwickelt.

Damit sich all diese Fragmente trotzdem gleichzeitig zu bewegen vermögen, braucht es gemeinsame Elemente. Diese dürfen trotz des hohen Anspruchs nicht auf die Summe der Widerstandsformen selbst reduziert werden. Der bürgerliche Staat besteht ja auch nicht aus der Summe verschiedener Polizeieinsätze, roten Zonen oder Anti-Terror-Gesetzen. Schliesslich sind das nur Mechanismen des kapitalistischen System selbst, genauso wie das G8-Treffen ein Mechanismus des Systems selbst ist. Die Politik der G8-Staaten im speziellen, ist die Grundlage der kapitalistischen Wirtschaft im Allgemeinen. Der Kampf gegen das G8-Treffen muss deshalb ein Kampf gegen den Kapitalismus selbst sein.

Der Kapitalismus hat keine Fehler – er ist der Fehler
Die politische Analyse des Kapitalismus, seine fundamentale Ablehnung aus dieser Kritik heraus und die Formulierung einer gemeinsamen revolutionären Perspektive stellt für die verschiedenen Widerstandsformen eine Basis dar, die durch gemeinsames Lernen und Verstehen an der Ursache selbst ansetzt.
Der Kapitalismus hat viele, den unterschiedlichen Kämpfen angepasste, Unterdrückungsmethoden und -mechanismen entwickelt. Diese haben wiederum zu neuen Widerstandsformen geführt.

In der Kritik des kapitalistischen Systems selbst eine gemeinsame politische Basis all dieser Widerstandsformen aufzubauen, erzeugt Solidarität und gemeinsame Stärke, am G8-Gipfel und überall.
So entsteht ein entwicklungsfähiger konkreter Gegenstandpunkt, der über das Stören oder Verhindern hinausgeht und Gemeinsamkeiten zu erzeugen vermag, die über die einzelnen Anlässe hinausreichen. Weil sie nicht nur vom Treffen der G8 ausgehen, sondern von wirtschaftlichen Grundwidersprüchen, die der Gesellschaft und somit dem Treffen selbst zu Grunde liegen.
Der G8-Gipfel findet einmal im Jahr statt, meist in einem von der Umwelt abgeschotteten Tagungsort. Exponenten der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung finden wir überall. Im Widerstand gegen den G8-Gipfel muss es darum gehen, nicht nur einzelne globale Auswüchse, sondern den Kapitalismus als ganzes auf den Müllhaufen der Geschichte zu schicken und dafür eine revolutionäre Perspektive aufzubauen.

Eine Barrikade ist schnell geräumt. Ein gemeinsames Bewusstsein, entstanden durch gemeinsames Verstehen und Handeln, getragen von der Vorstellung einer konkreten Perspektive, die alle Barrikaden untereinander verbindet, lässt  sich nicht so einfach entfernen. Bauen wir Barrikaden und beladen wir sie mit unserer konkreten Perspektive für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, für die kommunistische Gesellschaft. (Siehe Plattform des rev. Aufbau)

G8 angreifen – Kapitalismus zerschlagen!
Für den Kommunismus!

 

 

Kurzer historischer Abriss

1973 brach das Wechselkurssystem von Bretton Woods zusammen und die erste umfassende Kapitalüberproduktionskrise nach dem zweiten imperialistischen Krieg erschütterte die kapitalistische Produktion. Der französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing lud ins Schloss Rambouillet und die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Großbritannien und den USA folgten der Einladung. Die „Gruppe der 6″ (G6) entstand. 1976 wurde Kanada in diesen Kreis aufgenommen, aus der G6 wurde die G7. Seit 1981 nimmt die EU regelmässig an Arbeitssitzungen teil. 1992 konnte Russland Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) werden und 1998 Mitglied der damit neuen G8.