Über 2000 Bauarbeiter gegen den SBV in Luzern

Am Freitag (29.6.07) riefen die Gewerkschaften aus allen Landesteilen zu einer Demonstration in Luzern gegen die Kündigung des „Landesmantelvertrages im Bauhauptgewerbe“ auf. Mit über 2000 Bauarbeiter, insbesondere aus dem Raum Luzern und Tessin, kamen 5 mal mehr als angemeldet. Mit dabei war auch eine kleine Delegation des Revolutionären Aufbaus, um sich mit den Anliegen der Arbeiter zu solidarisieren. Ein Bericht:

Zur Mittagszeit begannen sich die Bauarbeiter auf dem Kurplatz zu versammeln, nachdem sie der Arbeit den Rücken zugekehrt hatten. Auf insgesamt 17 Baustellen in Luzern wurden die Arbeiten eingestellt. Nach dem man sich mit Würsten und Getränken gestärkt und sich einige Reden von Gewerkschaftern angehört hatte, setzte sich die Menge in Bewegung, um Richtung Kultur- und Kongresszentrum zu marschieren. Dort hielt der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) gerade seine jährliche Generalversammlung ab. Das Proletariat auf der Strasse direkt vor der Bourgeoisie im noblen KKL – das versprach einiges an Spannung. Doch der Reihe nach.

Nachdem man den Platz verlassen hatte, mussten viele verwundert feststellen, dass die Gewerkschaftsführungen der Unia und Syna beabsichtigten, die Menschenmenge vorerst nur auf dem Gehsteig marschieren zu lassen. Doch sie hatten die Rechnung ohne die Mehrheit der Arbeiter, einigen niedrigeren Funktionären und solidarischen Organisationen gemacht. Diese drängten gegen den Widerstand der gewerkschaftlichen Ordnungskomitees auf die Strasse. Energisch wurde von den Ordnern darauf verwiesen, man solle noch warten, später werde man sich die Strasse schon noch nehmen. Auch einige Redner, welche beschworen, dass wir doch keine Chaoten, sondern Gewerkschafter seien, wurden ignoriert. Die Leute liessen sich nicht aufhalten: die Strasse war genommen. Und spontan setzte sich das Tessiner UNIA-Transparent, welches ein grosses Hammer-und-Sichel ziehrt, an die Spitze. Das Transparent des Aufbaus gesellte sich – trotz versuchen einiger reaktionärer Funktionäre, das Transparent zu verreissen – dazu, mit der Parole „Mehr Lohn braucht mehr Kampf – Die Ketten des Arbeitsfriedens brechen – Für den Kommunismus“.Selbstverständlich gelang es den Organisatoren später, die Lage – jedoch nicht die völlige Lahmlegung des Stadtverkehrs – in den Griff zu kriegen. So wurde 20 Meter vor der Demo noch ein Funktionärsblock aufgestellt, welcher das offizielle Fronttransparent trug. Der Rednerwagen, welcher sich dazwischenstellte sorgte für die nötige Distanz zum Rest.

Unterwegs gab es vor allem Laute Musik, schrille Trillerpfeifen und äusserst aggressive Reden von den Gewerkschaftsspitzen zu hören. Wie sich dieser verbale Radikalismus in der Praxis verhält, musste sich später zeigen. Parolen gab es nur wenig. Wenn, dann wurde „sciopero“ skandiert. Generell war die ganze Organisation chaotisch und dies nicht nur, wegen der Spontanität der Leute. So scheint die Tessiner Sektion der UNIA viel kämpferischer. Während die deutschsprachigen Redner zu Ruhe und Ordnung aufriefen, heizten die italienischsprechenden die Stimmung an. Von dieser Seite wurde auch zur Verknüpfung von mit der sozialen Widerstandsbewegung und Verbreiterung des Kampfmassnahmen auf andere Branchen aufgerufen. Sogar die Delegation des rev. Aufbaus wurde in diesem Rahmen explizit begrüsst.

Mitten im lauten Gewirr wurden dann auf der Seebrücke plötzlich zwei imposante Schweigeminuten zum Gedenken an die drei tödlich verunfallten Bauarbeiter in Emmen abgehalten. Diese waren in der Nacht zuvor bei Bauarbeiten auf der Autobahn von einem Auto erfasst worden. Damit wird ganz praktisch klar, welchem Risiko die Bauarbeiter täglich ausgesetzt werden, damit die Infrastruktur für die kapitalistische Gesellschaft garantiert wird.

Vor dem KKL angekommen, änderte sich die Stimmung. Den Funktionären schienen die Reden ausgegangen zu sein und statt den zuvor gespielten ArbeiterInnenliedern, beschallte man das KKL mit inhaltslosem Techno-Sound. Vor dem breitet sich ein grosser Platz aus, der allerdings von einem künstlichen Teich in der Mitte geprägt ist. Die Bauarbeiter standen verstreut rund um den Teich herum und die GewerkschafterInnen machten keine Anstalten, sie direkt vor dem KKL zu versammeln.  Im Gegenteil der Rednerwagen wurde 50 Meter entfernt vom Haupteingang aufgestellt.  Die Baumeister im Innern des KKL schienen die Stimmung richtig einzuschätzen und traten mit Cüpli’s in der Hand auf den Balkon des KKL. Es ergab sich die skurrile Situation, dass die süffisanten SchlippsträgerInnen vom herrischen Balkon auf die zur Passivität und zum Bittgang erniedrigten Bauarbeiter niederschauen konnten.

Da die Leute nicht direkt vor dem Haupteingang versammelt wurden, kam von unten ausser ein paar Buhrufen und Trillerpfeifen keine Reaktion. Die starke und kämpferische Stimmung auf der Strasse, wurde hier bei der eigentlichen Konfrontation mit den Herren Baumeister in eine unterwürfige Haltung umgepolt. Eine kleine Gruppe entschloss sich dann aber doch, der Provokation etwas handfesteres entgegen zu setzen; und so flogen in hohem Bogen Hühnereier auf die arroganten Bonzen. Der einzige Moment, an welchem sich diese genötigt fühlten zurückzuweichen. Es wurde sehr schnell klar, dass sich so nah am Haupteingang nur noch Funktionäre aufhielten. Sofort wurden die Eierwerfer von diesen an der Arbeit gehindert. Neben einem unhübschen Einsatz von Fahnenstangen gegen die eigenen Leute, erklärten die sichtlich überarbeiteten gewerkschaftlichen Ordner – und an diesem Tag hatten sie tatsächlich viel zu tun – solche Aktionen würden der Sache schaden. Von „ihr bewerft unsere Kollegen da oben“, über „das darf nicht eskalieren“ bis hin zu „das ist unsere Demo und ihr habt euch unterzuordnen“ kam der ganze Argumentationskatalog.

Mit dieser Eierei endet unser Bericht. Vom ganzen Aktionstag nehmen wir zwei wichtige Eindrücke mit nach Hause. Zum einen zeigen sich die vielfälltigen Strategien der Gewerkschaftsführung, mit ihren Mitgliedern auf Massenebene zu „hantieren“. Ihre Reden sind in einem agressiven Ton gehalten, den man z.B. kaum an unbewilligten Demos der politischen Widerstandsbewegung zu hören bekommt. Geht es allerdings um praktische Schritte, ist ihr Handeln durch die Angst gekennzeichnet, die Dynamik nicht mehr kontrollieren zu können. Das Kontrollbedürfnis nimmt teilweise absurde Dimensionen an, so das alle Aktionen – ungeachtet der Form – welche nicht am Tisch der OrganisatorInnen vorbestimmt und bewilligt wurden, komplett zu unterbinden versucht werden. Ohne die nötige Lockerheit von oben und das Vertrauen auf die Basis wird dieser Arbeitskampf schon in seinem Keim erstickt.
Als gute Hüterinnen der Sozialpartnerschaft setzen die Gewerkschsführungen immer noch Hoffnung auf gute Beziehungen mit den Arbeitgebern und den bürgerlichen Medien. Dabei liegt die Stärke der ArbeiterInnen in der realen Kampfkraft und im Aufbau von Kampferfahrungen. Es scheint absurd. Die Gewerkschaften sind im Moment die einzige gesellschaftliche Kraft, welche eine solche grosse Zahl von ArbeiterInnen organisieren und real mobilisieren kann. Und doch fürchtet sie den Kampf ausserhalb des Verhandlungstisches.

Diese momentanen Kämpfe müssen von der Linken unterstützt werden mit dem Bewusstsein darüber, dass es einen Bruch mit dem Arbeitsfrieden braucht.