Streik in Bern (15.10.2007)

Am Montag (15.10.07) standen die Baustellen in Bern, Genf und Neuenburg still und es beteiligten sich 5000 Bauarbeiter an den Proteste. Mit diesen Schwerpunktstreiks will die UNIA Druck auf den SBV machen. Am 1. November sollen Streiks in Basel und Zürich fortgesetzt werden. Unterstützt die Bauarbeiter dort. Hier folgt ein Bericht über den Streik in Bern, wo der Aufbau mit Flugblättern, Plakaten, Transparent und praktischer Solidarität dabei war.

Um 6.00 Uhr wurde ein Streikzelt mit grossem Streik-Transparent am Ende der grössten Baustelle der Berner Innenstadt Richtung Bubenbergplatz aufgestellt. Die Baustelle stand selbstverständlich still und die Pikets, welche die Bauarbeiter der anderen Baustellen holten, waren in der ganzen Stadt und Umgebung unterwegs. Die Bauarbeiter fanden sich hier nur langsam ein. Währenddessen wurden Streikzeitungen und Flugblätter an Pendler im Bahnhof verteilt.

Die Stimmung war noch sichtlich geprägt von der Medienkampagne um die Verhinderung des SVP-Marsches vom 6. Oktober. Nicht nur ein Bell-Nahrungsmittel-Wagen fand sich ein, sondern nun auch Bullen-Kastenwagen. Sie hielten sich zurück, waren jedoch den ganzen Tag präsent. Zur Zeit ein normales Bild in Bern, hiess es.

Nach ca. 3 Stunden wuchs die Zahl der anwesenden Streikenden auf etwa 200. Der Schwerpunktstreik sollte, neben Genf und Neuenburg, nur in der Stadt Bern stattfinden. Dennoch konnten wir einen Car mit Arbeiter aus Thun begrüssen. Diese erwarteten sichtlich die Ausweitung der Streikaktionen auch nach Thun.

Wegen bewilligungstechnischen Problemen und vor allem, weil die Baumeister der Bahnhof-Baustelle verstellten, konnte die zentrale Streikbesammlung nicht auf dem Bahnhofsplatz weitergeführt werden. So wurde inzwischen auf dem Waisenhausplatz das eigentliche Streikzelt aufgebaut. Wir machten uns also als Demonstration von ca. 400 Leuten auf den Weg dorthin. Neben dem Fronttransparent der UNIA war auch ein Transparent vom rev. Aufbau mit dabei. Die riesige Baustelle auf dem Bahnhofsplatz neben der Heiliggeistkirche wurde symbolträchtig durchquert. Die Bevölkerung bekundete ihre Sympathie teilweise aus den Fenstern heraus mit Klatschen. Die Forderungen nach erträglichen Arbeitsverhältnissen auf dem Bau können viele nachvollziehen. Auch scheinen sich die Leute der Brisanz der Kündigung des (Landesmantelvertrags) auch über die Branche hinweg bewusst zu sein. Wir gelangten schliesslich zum Streikzelt, wo sich mit der Zeit weitere Arbeiter einfanden.

Um den Streik zu sabotieren, verfolgten die Baumeister teilweise die Taktik, den ArbeiterInnen freiwillig frei zu geben, bzw. ein verlängertes Wochenende anzubieten. Damit tauchten diese nicht als Streikende im Streikzelt auf. Dies wirkte sich letztlich auch auf die Anzahl der DemonstrantInnen aus. Das Ziel, dass auf den allermeisten Baustellen nicht gearbeitet wird, wurde aber erreicht. Natürlich sollten die Baumeister später – wie üblich – behaupten, die ArbeiterInnen hätten nicht gestreikt oder seien sogar von der UNIA genötigt worden (NZZ / BZ). Die üblichen Lügen der Bourgeoisie.

Das Streikzelt füllte sich schliesslich bis auf den letzten Platz. Anwesend waren vor allem  italienische, portugiesische und spanische Arbeiter älteren Jahrgangs. Als weiteren Erfolg kann angeführt werden , dass es der UNIA gelungen ist, auch jüngere Generationen von Albanern zu mobilisieren. Diese Tendenz lässt sich auch sonst an anderen Mobilisierungen der UNIA beobachten. Des weiteren waren auch einige Bauarbeiter in Pension aus Solidarität gekommen. Sie hatten die Frühpensionierung im Kampfzyklus 2002 noch miterkämpft.

Es war denn auch ein solcher penisionierter italienischer Bauarbeiter, der sich darüber empörte, dass auf einer kleinen Baustelle, ganze 200 Meter vom Streikzelt entfernt, noch gearbeitet werde. Immerhin sei er als Pensionierter extra aus Solidarität an den Streik gekommen und müsse sich dann anschauen lassen, dass die UNIA keine zwei Ecken weiter Baustellen arbeiten lasse. Da von Seiten der UNIA-Kader nicht reagiert wurde, machten sich schliesslich ein paar linke GenossInnen und Arbeiter auf, um die Baustelle zu sondieren und zu schauen, ob es sich um Arbeit im Bauhauptgewerbe handelt. Tatsächlich arbeiteten 4 Leute mit offensichtlichem Sprechverbot auf einer Baustelle der Ramseier Holding AG, eine der Grossen im SBV. Nach Rückkehr zum Streikzelt nahmen sich offensichtlich kämpferischere UNIA-Funktionäre der Sache an und überzeugten die Streikbrecher zum Streik. Entgegen dem Bild, welches die Medien zeichnen, handelt es sich bei diesem Streik keineswegs um den Wunsch der Funktionäre, welchen sie gegen die ArbeiterInnen durchsetzen. Der Druck, mit konsequentem Streik auf die Kündigung des LMV zu reagieren, kommt offensichtlich von kämpferischen Teilen der Basis. Und diese Initiativen der ArbeiterInnen, insbesondere die mit langer Kampferfahrung und Entschlossenheit, sollte man als solidarische und kämpferische GenossInnen unterstützen. Und die Haltung der meisten Streikenden war klar. Jeder Streik ist nur wirksam, wenn nicht gearbeitet wird. Die Urabstimmungen auf den Baustellen zeigen klar, dass die Bauarbeiter zum allergrössten Teil streiken wollen. Den Streikbrechern muss man sich also in den Weg stellen.

Schliesslich wurde es langsam Mittag und um den Streik nochmals sichtbarer zu machen, wurde nochmals eine kurze aber lautstarke Demonstration durch die Altstadt abgehalten. Danach fanden sich alle im Zelt ein und es wurde Paella gegessen.

Die UNIA wertet den Schwerpunktstreik – insbesondere zusammen mit Genf und Neuenburg – als Erfolg. Tatsächlich wurde auf keiner der Baustellen gearbeitet. Jedoch kann die Taktik der Baumeister, den Arbeitern[Innen] frei zu geben, noch zum Verhängnis werden. Die Beteiligung und Unterstützung durch Leute aus anderen sozialen Bewegungen war leider nur mässig sichtbar. Das liegt nicht zuletzt an der Politik der UNIA. Die UNIA-interne Angstmache vor den „Chaoten“ hindert die UNIA daran, progressive und kämpferische Kräfte – nicht nur aus der Bewegung, sondern auch aus der Basis –  in die praktische Unterstützung der Streiks einzubinden. Im Streikzyklus um die Frühpensionierung im November 2002 oder beim Maler-Gipser-Streik 2004 war das Verhältnis zu anderen Kräften noch solidarischer. Bedenkt man jedoch den derzeitigen Rechtsrutsch der UNIA-Führung bezüglich des 1. Mai in Zürich, war die Stimmung an diesem Streiktag sehr entspannt. Die Funktionäre scheinen diese Art der Politik gegen die kämpferische Linke nicht mitzutragen.

Ausblick

Die Frage bleibt offen, wie weit sich die reale Kampfkraft der Bauarbeiter unter der UNIA-Führung entfesseln kann. Bisher war die UNIA auf den Demonstrationen am 22. September in Zürich und am 15. Oktober in Bern stark darauf bedacht, eine zu kämpferische Stimmung zu unterbinden. Und blickt man auf die derzeitige Intervention der UNIA bezüglich des 1. Mai in Zürich, ist zu befürchten, dass sich die rechte Tendenz der Gewerkschaftsführung durchsetzen wird. Diese scheint tatsächlich gewillt, die Null-Toleranz-Politik gegenüber allem, was sich nicht absolut dem „Friedens“-Diktat unterwirft, durchzusetzen. Damit überholt sie praktisch nicht nur die Stadtpolizei Zürich rechts, sondern bleibt hinter ihrer Streikpolitik, welche den Arbeitsfrieden praktisch negiert, stehen. Diese 1. Mai-Intervention lässt nichts Gutes bezüglich des Streiks am 1. November in Zürich erahnen. So wird von der UNIA-Führung Angst vor den „gewaltbereiten“ Linken geschürt.

Wohin diese rechte Politik führt zeigt folgendes Beispiel. Während Plakate vom Revolutionären Aufbau, welche zur Unterstützung der Streiks aufrufen, teilweise von Passanten ergänzt wurden mit Sprüchen wie „Chef=Arschloch, wurden diese zum Teil – wohl von Leuten aus der UNIA – mit UNIA-Klebern überklebt. Absurd, bedenken wir doch, dass die UNIA auf ihrer Homepage zur solidarischen Unterstützung der Streiks aufruft. Anscheinend soll damit eher die SP-Manager-Prominenz adressiert werden, statt linke Kräfte, welche mit Plakaten zur Unterstützung aufrufen. Um so wichtiger ist es als Gewerkschaftsmitglied, diesem Rechtstrend Einhalt zu gebieten. Widerstand von unten kann man nicht aufbauen, indem man als erstes gegen die eigenen kämpferischen Teile vorgeht. Der Arbeitskampf auf dem Bau – aber auch alle zukünftigen Arbeitskämpfe – braucht praktische und kämpferische Unterstützung.