Rede am 8. März zur 11. AHV-Revision

Dieser Redebeitrag zur 11. AHV-Revision wurde neben anderen an der Frauendemo vom Internationalen Frauenkampftag am 8. März 2008 in Zürich gehalten:

Rede zur 11. AHV-Revision

Wir möchten an diesem Punkt kurz über das Thema AHV reden. Nicht nur, weil die AHV in diesem Jahr 60 Jahre alt geworden ist. Sie ist die alte Dame unter den Sozialversicherungen und verspricht ein Auskommen, eine minimale Sicherheit im Alter. Unter diesem Gesichtspunkt ist die AHV eine sehr gute Sache. Aber für die Frauen war sie meistens nicht eine ganz so gute Sache wie für die Männer. Lange mussten die Frauen kämpfen, um gleichberechtigte BezügerInnen zu werden. Das gelang am Ende, wenn wir davon absehen, dass die Lohnungleichheit im Erwerbsleben sich selbstverständlich jederzeit auch auf die Höhe der Rente auswirkte. Sozusagen als minimale Wiedergutmachung dieser strukturellen Ungleichheit gelang es sogar das Pensionsalter der Frau jünger als jenes der Männer zu halten. Auch weil Frauen den Bärenanteil der Reproduktionsarbeit leisten und sich im Alter oft um die ältere Generation kümmern, schien es vielen sinnvoll, sie jünger in die Rente zu schicken. Das soll sich nun ändern.
Gewiss können sich alle daran erinnern: 2004 wurde die 11 AHV-Revision in einer Abstimmung abgelehnt. Damals sollte das Rentenalter der Frau auf 65 Jahre erhöht werden, im Moment liegt es bei 64 Jahren. und ist bereits einmal angehoben worden, unsere Mütter konnten sich noch mit 62 pensionieren lassen. Der Bundesrat meinte dazu und meint es immer noch, das entspreche einer Gleichstellung der Frau. Gewiss, das tut es, typischerweise wird nur dort mit Gleichstellung ernst gemacht, wo Frauen ausnahmsweise besser gestellt sind. Wenn es um Reproduktionsarbeit geht, oder wenn es um Lohngleichheit geht, dann verändert sich natürlich nichts, aber wenn es um die Ausdehnung der Lebensarbeitzeit geht, soll Gleichheit hergestellt werden.

Seit dem 3. März wird jetzt also im Parlament über die neue 11. AHV-Revision debattiert. Und es wird mit harten Bandagen gekämpft. Die vorbereitende Kommission schlägt noch nicht einmal ein Entgegenkommen bei der Frühpensionierung vor. Angesichts der Initiative der Gewerkschaften, die die Möglichkeit der Frühpensionierung auch für kleine Saläre ab 62 fordert, verwundert das ein wenig. Man setzt offensichtlich einzig auf Peitsche und nicht auf Zuckerbrot. Das hat immerhin den Vorteil, dass Gewerkschaften und Sozialdemokratie schon beinahe genötigt werden das Referendum zu ergreifen und dass bei einer darauf folgenden Abstimmung den Gegn
erInnen das Argumentieren ziemlich leicht fallen wird. Dennoch ist nicht gesagt, dass die 11. AHV-Revision wieder bachab gehen wird. Leider ist zu befürchten Bei dem Geschrei, das um die Unsicherheit der Finanzierung der AHV gemacht wird, müssen wir befürchten, dass viele solches glauben werden und in der hehren Absicht, die AHV zu retten, gegen ihre eigenen Interessen stimmen werden. Und nebenbei gesagt, alle ausländischen Arbeitskräfte, die von dieser Abstimmung genauso betroffen sind, können natürlich auch diesmal nur einbezahlen, aber nicht mitbestimmen.

Die Finanzierung der AHV sei gefährdet, wird behauptet, da widersprechen zwar die Gewerkschaften, aber die werden offensichtlich nicht so ernst genommen, denn unablässig beschwören die Medien den Zusammenbruch der AHV wegen der demographischen Zeitbombe – Wir, damit sind wir SchweizerInnen gemeint, sterben aus. Europa ist im Gebärstreik und das ist schlecht, schliesslich ist seit Urzeiten klar: Ohne Soldaten lassen sich keine Kriege führen. Das meine ich durchaus nicht so ironisch, wie es tönt.
Wenn wir von der AHV sprechen, müssen wir auch über Bevölkerungsstatistik sprechen. Diese zeichnet ein düsteres Bild der weiteren Zukunft. Die Schweizer Frau gebärt im Durchschnitt 1.4 Babies. Hinzu kommt, dass die Menschen immer älter werden, bevor sie endlich sterben. Aber glücklicherweise bezahlen nicht Babies in die AHV ein, sondern die Lohnabhängigen. Und von denen gibt es nach wie vor genug, was weltweit fehlt sind die Arbeitsplätze, nicht die Menschen, die arbeiten würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.
Bevölkerungsstatistiken, wie immer professionell und seriös sie auch daherkommen mögen, sind nicht die Wahrheit, sie dienen einem ideologischen Zweck. In unserem Falle ganz banal dem Verbreiten der Mär, die AHV müsse saniert werden – sprich: Runter mit den Renten, rauf mit dem Pensionsalter. Das liegt ganz auf der Linie jener Apostel der freien Marktwirtschaft, die am liebsten alle Sozialversicherung ausmärzen würden.
Jetzt, da ganz andere Probleme virulent sind, wird Unsicherheit hergestellt, wo eine der letzten Sicherheiten noch gewährleistet wäre. Gerade jetzt, da langsam aber sicher die Arbeitspläze flöten gehen, schlagen sie hier unter falschen Vorzeichen Alarm und wollen uns Frauen weis machen, wir seien das Problem, sicher nicht die Wirtschaft.

Für uns Frauen gilt deshalb wie eh und je: Kinder bekommen ist eine schöne Sache, doch eher eine Armutsfalle als eine Garantie für die Zukunft, dass wir schuld sein sollen am Zusammenbruch der AHV, ist hingegen ein politisches Ablenkungsmanöver, gegen welches wir uns verwahren sollten. Die kapitalistische Krise lassen wir uns nicht in die Gebärmutter schieben.
Und die Erhöhung des AHV-Alters zu Ungunsten der Frauen hat mit Gleichberechtigung so wenig zu tun wie mit der Rettung der AHV. Sie ist einzig und allein ein Angriff auf die soziale Sicherheit und muss verurteilt werden.