Vergangenen Montag wurde in Italien der Prozess gegen die politisch-militärische kommunistische Partei (PC p-m) nach einer Sommerpause weitergeführt. Dabei kamen die Haftbedingungen und die Ergebnisse der systematischen Überwachung zur Sprache.
(rabs) Am 12. Februar 2007 durchsuchten ca. 500 Polizisten, darunter Anti-Terror-Einheiten über 70 Wohnungen in Mailand, Padua, Triest, Turin und Zürich. Bei dem „Tramonto“ (Sonnenuntergang) genannten Repressionsangriff wurden 15 italienische KommunistInnen verhaftet, die teils in Gewerkschaften oder Centri Sociali arbeiten. Vorgeworfen wird ihnen der Aufbau der PC p-m und die Herausgabe der verbotenen Zeitschrift „Aurora“ (Sonnenaufgang). Weiter die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung und Umsturz einer demokratischen Ordnung. Sieben befinden sich weiterhin in Gefangenschaft, weitere sind unter Hausarrest gestellt.
Am 6. Oktober mobilisierte die Rote Hilfe International zum dritten Mal vor die Tore des „Tribunale di Milano“ (Gericht von Mailand), ein Marmorkoloss aus den Zeiten des Faschismus. Delegationen aus Belgien, Spanien, der Schweiz und Italien folgen dem Aufruf, hängen Transparente vor das Gerichtsgebäude, verlesen Solidaritätserklärungen und verteilen Informationsmaterial. Meistens halten sich die aus halb Europa angereisten GenossInnen jedoch im Zuschauerbereich des Gerichtssaals auf um den Prozess zu verfolgen und den Gefangenen ihre Solidarität zu zeigen.
„Wir werden geschlagen“
Etwa um zehn Uhr beginnt der Prozess. Beim Betreten des Gerichtssaals fallen als erstes die grossen, symbolträchtigen Gitterkäfige auf, in denen die Gefangenen untergebracht sind. Die Stäbe stehen so eng beieinander, dass es schwer fällt, sie dahinter zu erkennen. Es ist jedoch nicht unmöglich, denn jedes Mal, wenn jemand den für ZuschauerInnen abgetrennte Raum ganz hinten im Saal betritt, wird gewunken und die Fäuste erhoben.
Kurz nach Beginn des Prozesses ergreift einer der verhafteten Genossen das Wort und ruft in den Saal, sie würden im Gefängnis geschlagen. StaatsanwältInnen, VerteidigerInnen und Gefangene reden durcheinander, von hinten ertönen Rufe und Pfiffe. Im Anschluss spricht einer der AnwältInnen der Angeklagten zu deren Haftbedingungen. Er kritisiert etwa, dass die Gefängnisse sich weit weg vom Gericht befinden und so vor jedem Prozesstag ein langer Weg zurückgelegt werden muss. Auch die unter Hausarrest stehenden GenossInnen sind mit strengen Bedingungen konfrontiert: So dürfen sie weder über Post noch Mail korrespondieren und nur einen kleinen Kreis von Angehörigen empfangen. Ausser Haus, etwa an der Universität, werden sie ständig von zwei PolizistInnen begleitet.
Vermummte Zeugen
Ein Polizist tritt als Zeuge auf. Er hat zahlreiche Materialien und Daten ausgewertet. So sind etwa die vom Telefonanschluss eines Angeklagten getätigten Anrufe genaustens registriert worden. In vielen Fällen ist aber nur die angerufene Nummer (z.B. eine Telefonkabine in Zürich) bekannt, nicht aber der Gesprächsinhalt oder die GesprächspartnerInnen. Des weiteren spricht er abwechselnd mit der Staatsanwältin über eine Pistole, die im Garten eines Gefangenen gefunden wurde. Diese Pistole hat eine lange Tradition, kommunistische PartisanInnen übergaben Teil ihrer Waffen der ersten Generation der Brigate Rosse, die diese wiederum weitergaben. Mittels GPS-Sender überwachte der Staatsschutz die Autos der GenossInnen und hat so festgestellt, wessen Auto sich wann in der Nähe dieses Gartens befunden hat. Auf den Einwand eines Verteidigers, die Pistole könnte auch jemand ganz anderes und vielleicht sogar ein Provokateur im Garten versteckt haben, gehen die AnklägerInnen nicht ein.
Als weiterer Zeuge der Anklage tritt der Angehörige einer Anti-Terror-Einheit auf, der einen der Verhafteten über lange Zeit beschattet hat. Er betritt den Gerichtssaal vermummt und befindet sich während seiner Aussage hinter einer Stellwand. Dem Antrag der Verteidigung, diese Wand zu entfernen, um so die Mimik und Gestik des Polizisten zu analysieren, wird nicht stattgegeben.
Gegen fünf Uhr neigt sich der Prozesstag dem Ende zu. Gefangene und Solidarisierende verabschieden sich mit Parolen voneinander, nachdem sie sich während des Tags eher ruhig verhalten hatten, um nicht Anlass zum Abbruch der Anhörung zu bieten. Hinten im Saal wird die Internationale angestimmt. Die Polizisten, die sich den ganzen Tag über im Zuschauerbereich aufgehalten haben, drängen die Leute aus dem Gerichtssaal.
Der Prozess wird vorsichtigen Schätzungen der italienischen GenossInnen zufolge voraussichtlich noch bis nächsten Frühling andauern. Beeinflusst von der ganzen Terrorhysterie unserer Tage ist wohl zu erwarten, dass trotz mangelnder Beweislage schwere Urteile gefällt werden.
Für weitere Informationen:
Broschüren „Aurora“ und mit Texten der PC p-m-Gefangenen können unter folgender Adresse bezogen werden: Postfach 1121, 8026 Zürich. Oder im Aufbauvertrieb: jeden Samstag, 11.00h – 16.00h, Kanonengasse 35, Zürich (im Hinterhaus, Eisentreppe)
Rote Hilfe International www.rhi-sri.org