Der Sozialismus als Ausweg aus der Krise

Drei Fragen werden im Kurzreferat anlässlich einer Veranstaltung der Marxistischen Abendschule MASCH in Stuttgart vom 5.2.09 durch den Vertretrer des Revolutionären Aufbaus Schweiz beleuchtet: Ist der Sozialismus eine Perspektive, welche Voraussetzungen sind dafür nötig und welches sind die Aufgaben  für die KommnistInnen.

Nun, der positivste Aspekt der derzeitigen Krise ist wohl, das die kapitalistische Produktionsweise von breiten Teilen der Klasse in Frage gestellt wird. Ich sage bewusst die Produktionsweise, weil dies alle Widersprüche des kapitalistischen Systems impliziert, insbesondere halt auch den Grundwiderspruch, der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, d.h. die Ausbeutung und die Lohnarbeit.

Es kann also nicht um einen besseren Kapitalismus gehen, der sich statt Finanzkapriolen wieder seinem Kerngeschäft, der Produktion von Mehrwert und damit der Ausbeutung zuwenden sollte.

Wer die Frage nach einer gesellschaftlichen Alternative ernsthaft stellt,  kann auch nicht einfach eine Wunschliste aufstellen und hoffen, diese würde dann durch den lieben Gott oder die Herrschenden erfüllt.

Jede neue Gesellschaft entsteht aus der vorangegangen, es sind letztlich ihre bereits bestehenden Elemente, die die alte Gesellschaft in die Krise treiben. Die Grundlagen der neuen Gesellschaft entwickeln sich aus der an die Grenzen ihrer Entwicklung gestossenen alte Gesellschaft. So entstand aus der Sklavenhaltergesellschaft der Feudalismus, der seinerseits wiederum im Laufe der Jahrhunderte die ökonomischen Grundlagen für den Kapitalismus schuf. Einen friedlichen Übergang von der einen zur anderen Gesellschaftsformation hat es allerdings nie gegeben. Die Gewalt war immer, wie Karl Marx so treffend festgestellt hat,  „der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht“.

Die Wurzeln der Krise

Die derzeitige Krise des kapitalistischen Systems hat ihre Wurzeln in der Überproduktion von Kapital, das nicht mehr gewinnbringend eingesetzt werden kann. Der Anfang dieser Kapitalüberprodukionskrise liegt lange zurück. In den Jahren 1974/75 findet der seit 30 Jahren anhaltende boomartige Aufschwung des Kapitalismus mit der ersten Nachkriegsrezession ein jähes Ende. Ein Aufschwung, das sollte nicht vergessen werden , der in erster Linie durch die massive Kapitalzerstörung während zweier Weltkriege von 1914 – 1945 ermöglicht wurde. Nicht zufällig boomt daher in den letzten Jahren die Kriegsindustrie und die imperialistischen Mächte, allen voran die USA, eröffnen einen Krieg nach dem anderen.

Seit 1974 kriselt es also im Gebälk des kapitalistischen Systems und es wird für das Kapital immer schwieriger, neue Anlagemöglichkeiten zu finden. Und, schlimmer noch, vermeintliche Goldgruben wie der Neue Technologiemarkt entpuppten sich bald als Seifenblasen.

Daher das unentwegte Suchen nach neuen Anlagemöglichkeiten, das auch vor völlig wertlosen Immobilien und zahlungsunfähigen Käufern keinen Halt macht, wie dies in den USA geschehen ist. Dass dieser Crash die Gemüter weit mehr bewegt als die milliardenschweren Investitionen in die Rüstungsindustrie und den Krieg, spricht Bände für den moralischen Zerfall der kapitalistischen Gesellschaft.

In diesem Zusammenhang ein ganz wichtiger Punkt: Die massive Verschuldung der Länder des Trikont, der Kollaps einzelner Volkswirtschaften in Lateinamerika in den letzten Jahrzehnten sind eine direkte Folge des massiven Kapitalexports, manchmal auch scheinheilig Entwicklungshilfe genannt. Der Imperialismus hat es fertig gebracht, innert 50 Jahren blühende Volkswirtschaften, kapitalistische notabene, in bankrotte Schuldnerländer zu verwandeln.

Diese Kapitalüberproduktion und die daraus resultierende Notwendigkeit der Kapitalvernichtung ist nur ein anderer Ausdruck für die historisch noch nie da gewesene Vergesellschaftung und Produktivität der Produktion. Wir sind heute an dem von Marx und Engels beschriebenen Punkt, wo die gesellschaftlichen Verhältnisse zu Fesseln für die Produktivkräfte geworden sind.

Völlig anachronistisch kontrolliert eine kleine Minderheit, die Bourgeoisie, die vergesellschaftete Produktion. Und da das Kapital sich nun mal akkumulieren muss, um als Kapital existieren zu können, haben dieses Damen und Herren nur ein Interesse: die Kapitalakkumulation, oder eben Profit zu erwirtschaften, um es etwas populärer auszudrücken.

Und für dieses Interesse gehen diese Damen und Herren bekanntlich über Leichen und scheren sich einen Deut um gesamtgesellschaftliche Interessen und schon gar nicht um die Interessen der ausgebeuteten Klassen.

Die Eigentums- und die Machtfrage

Das Anforderungsprofil, um ein Modewort zu gebrauchen, an eine neue Gesellschaftsformation ist also gegeben: Sie muss der bereits bestehenden Vergesellschaftung der Produktion den hierfür notwendigen gesellschaftlichen Rahmen geben. Die Ausbeutung und die Lohnarbeit müssen abgeschafft werden. Anstelle des chaotischen Markes, der wie die Geschichte zeigt gar nichts selber regelt, tritt die nach den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen geplante Produktion.

Selbstreden lässt sich eine solche Gesellschaft nicht realisieren, ohne dass die Bourgeoisie wirtschaftlich enteignet und politisch entmachtet wird. Die Frage nach der politischen Macht und die Eigentumsfrage stehen damit keineswegs zur Disposition, wie dies von verschiedensten linken Kräften in dieser oder jener Weise immer wieder behauptet wird.

Wer also von der bestehenden Vergesellschaftung der kapitalistischen Produktion ausgeht und die Frage nach dem Eigentum der Produktionsmittel und der politischen Macht der Produzenten stellt, wird zwischen Kapitalismus und Kommunismus keinen dritten Weg finden.

Fraglos leben wir in einer sehr schwierigen Zeit. Auf der einen Seite sind die objektiven Bedingungen für einen Sturz des kapitalistischen Systems ausserordentlich günstig. Seit längerem befindet sich die herrschende Klasse in einer tiefen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Krise, die mit dem Platzen der Finanzblase im vergangenen Jahr einen qualitativen Sprung gemacht hat. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde das kapitalistische System noch nie von so breiten Teilen der Klasse in Frage gestellt wie jetzt.

Allerdings fehlt ein ganz wesentlicher Punkt der seinerzeit von Lenin genannten drei Bedingungen für eine revolutionäre Situation, ich kenne und spreche von der Situation in der Schweiz: Gemessen an den Angriffen des Kapitals und seines Staates auf die Klasse ist der Widerstand dagegen sporadisch und punktuell. Und da, wo sich der Widerstand regt, schafft er meist den Sprung zum kontinuierlichen Kampf nicht. Nicht zuletzt auch deshalb nicht, weil starke revolutionäre Parteien und Organisationen, deren Strukturen eine Kontinuität garantieren können, fehlen oder noch zu schwach sind.

Kommunistische Politk

Mit revolutionär sind Organisationen gemeint, deren Perspektive in der Zerschlagung des kapitalistischen Systems liegt und deren Tagespolitik und Tagesforderungen sich an diesem Ziel orientieren. Was ganz konkret bedeutet, die kommunistische Perspektive immer zu benennen und anhand der konkreten Kampfsituation auch fassbar zu machen. Alles andere führt letztlich zur Demobilisierung, weil es mittlerweile breiten Teilen der Klasse bewusst geworden ist, dass es für sie innerhalb dieses Systems wenig Perspektiven gibt. Während sozialdemokratische PolitikerInnen und Gewerkschaftsfunktionäre in völliger Verkennung des Charakters der derzeitigen Krise von Konjunkturprogrammen faseln, verkündet das auch in Deutschland gelesene Hofblatt der Schweizer Bourgeoisie, die Zürcher Zeitung, am vergangenen Samstag im Frontleitartikel locker vom Hocker, dass dieses Jahr weltweit mit einer „drastischen Zunahme der Arbeitslosigkeit von 50 Millionen im Jahre 2007 auf 230 Millionen in diesem Jahr“ gerechnet wird.

Kommunistische Politik heisst heute, die theoretischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, um in der Praxis dort intervenieren zu können, wo sich der Widerstand regt.

In theoretischer Hinsicht heisst dies heute insbesondere, die eigene Praxis auf einer marxistischen Krisenanalyse aufzubauen und kontinuierlich an einer Klassenanalyse, oder konkreter, Klassenkampfanalyse zu arbeiten.

Ohne bewegungsopportunistisch zu werden, müssen wir in der Lage sein, jene Kampf- und Ausdrucksformen der Bewegung aufzunehmen, die nach vorne weisen, die kommunistische Elemente enthalten. Nur so wird es auch möglich sein, junge Leute für den organisierten Kampf gegen den Kapitalismus zu gewinnen. Womit auch gleich gesagt ist, dass eine Veränderung des Bewusstseins über die Notwendigkeit einer revolutionären Veränderung nie lediglich ein Ergebnis der Propaganda ist, sondern „ein Ergebnis der politischen Erfahrung der Massen“, wie Lenin sich ausdrückt. Was keineswegs eine Abwartehaltung beinhaltet, sondern im Gegenteil die Notwendigkeit mit sich bringt, am Puls auch kleinerer Klassenkämpfe zu sein.

Das ist die Arbeitsweise des Revolutionären Aufbaus. Und, ohne die Schwierigkeiten zu leugnen, mit denen auch wir im Alltag zu kämpfen haben, möchte ich mit einer sehr erfreulichen Feststellung enden: In der Schweiz gibt es erstaunlich viele junge Menschen, die sich ernsthaft für kommunistische Politik interessieren und auch engagieren. Es liegt an uns, einen theoretischen, praktischen und natürlich organisatorischen Rahmen bereit zu stellen, der diese Energie nicht verpuffen lässt.