Bericht zum 1. Tag im „Allpack-Prozess“ (25.03.09)

Zum heutigen Prozess-Auftakt gegen die Streikenden vom Allpack-Streik versammelten sich über 100 AktivistInnen und Gewerkschaftsfunktionäre um 7.30 Uhr vor dem Gericht am Bahnhofsplatz in Liestal. Die Bullen waren schon zugegen, hielten sich aber im Hintergrund. Dies ist in Basel-Land nicht selbstverständlich, erinnern wir uns nur an die Räumung des Allpack-Streiks und die darauf stattfindende Demo gegen die Repression. Bei beiden zeigte sich der örtliche Repressionsapparat äusserst aggressiv und prügelnd.

Auf den Prozess mobilisierten die Solikomitees Zürich und Basel sowie die Gewerkschaft Comedia, deren Funktionäre u. a. vor Gericht standen. Die Anklage auf Nötigung betrifft über 20 Leute, welche jeweils in drei "Schichten" vor der Klassenjustiz antraben müssen. Dies beansprucht den Mittwoch und Donnerstag. Am Freitag soll die Urteilsverkündung sein. Angeklagt sind vor allem UnterstützerInnen und GewerkschafterInnen.

Die Protestierenden versammelten sich vor dem Gerichtsgebäude und es wurden einige Reden gehalten, welche auf die Verteidigung des Streikrechts verwiesen und auch klar machten, dass Streik nunmal weh tun soll und insofern eine Nötigung darstellt. Das Solikomitee Basel und das Solikomitee Zürich hatten je ein grosses Transpi mit der Aufschrift "Verteidigen wir unser Streikrecht gegen die Bosse, Polizei und Justiz!" und "Gemeinsam gegen die Angriffe der Unternehmer und ihres Staates auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen!" ausgerollt. Der AUFBAU hatte ein Transpi mit der Auschrift "Solidarität mit den Allpack-Angeklagten – Widerstand vor Gericht! – Kampf der Klassenjustiz – 1. Mai, den Spiess umdrehen" an die Bäume gehängt.

Nur wenige der Anwesenden konnten dem Prozess beiwohnen, da nicht genug Platz im Gerichtssaal sei. Der grosse Rest blieb also vor der Türe und stellte Informationsstände auf und verteilte Flugblätter auf dem Platz direkt vor dem Bahnhof. Im Gerichtssaal konnte man dann feststellen, dass es an Plätzen noch einige freie gehabt hätte. Die Angst des Gerichtsweibels vor "Unordnung" hatte wohl zur Fehlkalkulation geführt. Im Gang versammelten sich die UnterstützerInnen und Angeklagten und wurden vom Weibel instruiert, dass bei Störungen oder Tumult der Polizist oder der Weibel selbst die UnruhestifterInnen herausbegleiten würde und es zu Bussen kommen könnte. Aus dem Büro des Staatsanwaltes konnte man erlauschen, dass es auf dem Internet Aufrufe zu "Gewaltaktionen" gegeben habe.

Den Beginn des Prozesses leitete der Richter mit einem paternalistischen Ritual ein. JedeR Angeklagte wurde zur ökonomischen, familiären, strafrechtlichen und gesundheitlichen Lebenssituation befragt. Diese absurde Farce sollte vor allem der Demütigung der Angeklagten dienen. So fragte der Richter jeweils rethorisch die Leute ab und ergänzte die Antworten mit den Daten in seinem Ordner. Die Situation erinnerte an eine Prüfung, bei welcher bei falschen und unvollständigen Antworten die richtige vom Lehrer präsentiert wurde. So wurden persönliche Details zu Vorstrafen oder Gesundheitszustand den Medienschaffenden präsentiert.

Danach wurden die Beweismittel vorgelegt: Der Tele-Basel-Bericht und einige Fotos. Die Stimmung im Saal war einhellig: In Anbetracht der massiven Bullengewalt, welche im Film zu sehen war, ist es der Staat, der hätte hier vor Gericht stehen müssen und nicht die Streikenden. Man muss schon im Dienste des Kapitals stehen, in dieser Situation nicht die verkehrte "Gerechtigkeit" zu sehen.

Es folgten die Plädoyers der Vertreter des Unternehmers. Der Staatsanwalt lehrte uns, dass Streik eine Nötigung darstellt, wenn man "Arbeitswillige" nicht mit "Überredung durch sachliche Argumentation", sondern mit physischer Präsenz am Betreten des Betriebs hinderte. Der Saal schwankte zwischen Empörung und Gelächter ab dem Juristen-Quatsch. Den Höhepunkt des humoristischen Entertainments des Staats- und Kapitalistenlakaien war die spezielle Konstruktion der Straftat für die Co-Präsidentin des Baselbieter Gewerkschaftsbundes*. Da sie nur am Streik präsent war, jedoch bei der Blockade nicht weggeschleppt wurde, konnte der Staatsanwalt sie nicht direkt der Nötigung anklagen. Wer es noch nicht wusste, konnte heute lernen, dass es eine sogenannte "psychische Gehilfeschaft zur Nötigung" gibt, wenn man sich solidarisch mit Streikenden zeigt, ihnen einen Kaffee holt oder sagt "ich finde gut, was ihr macht". Unter dem Gelächter musste selbst der Staatsanwalt sich dem Publikum zuwenden und erklären, dass das nun einmal ein juristischer Begriff sei.

Nach diesem Amüsement wurde es ernster, denn der ständig süffisant lächelnde Anwalt Meyer* des Kapitalisten Scheitlin begann mit seinen Ausfällen. Sein Plädoyer stellte zu Beginn schon klar, was denn Klassenjustiz bedeutet. Er dankte dem Staatsanwalt und musste ab der dicken Schleimspur, welche dieser hinterlassen hatte, selbst gestehen, dass er zu den Ausführungen seines Kollegen ja gar nicht mehr viel hinzuzufügen habe. Kein Wunder. Hatte der Staatsanwalt doch die Notwendigkeit zur Restrukturierung und Kürzung der "Personalkosten" als
Naturgesetz dargestellt, welche Scheitlin einfach durchzusetzen gezwungen sei, während die prekären Arbeitsverhältnisse eine rein subjektive Interpretation der ArbeiterInnen sei. Müller konnte also direkt an der Schleimspur ansetzen. Er erklärte uns mit dem sicheren Gefühl der Überlegenheit, dass es einfach so ist, dass der Schutz des privaten Eigentums ein öffentliches Interesse ist, während das Interesse der ArbeiterInnen eben Privatsache sei. Einen sozialen Konflikt wollte er darin nicht sehen. Der Streik habe das Ziel verfolgt, die Kündigungen rückgängig zu machen. Und da diese Forderung aus seinen Augen eine rein private Sache sei, sei der Streik illegal. Weiter habe der Streik nicht einen GAV zum Ziel gehabt, weil die Streikenden auf die grosszügigen Angebote von Scheitlin nicht eingangen seien.

Nachdem wir uns diesen Mist anhören mussten, kam schliesslich der Anwalt der Angeklagten zu Wort. Er baute sein Plädoyer technisch und überraschend politisch auf. Zuerst tat er seine Verwunderung darüber kund, dass heute der Staatsanwalt gefehlt habe, dafür aber zwei Vertreter des Unternehmers anwesend seien. Dann baute er die technische
Argumentation vor allem auf den Aussagen eines ehemaligen Arbeiters von Allpack auf. Bestechend war, dass sich dieser noch im Tele-Basel-Beitrag – d.h. noch im Arbeitsverhältnis – gegen den Streik ausgesprochen hat. Kaum hatte dieser jedoch bei Allpack gekündigt, rückte er mit interessanten Aussagen heraus. So konnte der Anwalt beweisen, dass der finanzielle Ausfall von 800000 CHF erfunden ist, da während des Streiks 1. die Maschinen sowieso nicht funktionierten, 2. die Streikbrecher sich durchaus in die Fabrik begeben konnten und 3. die Auftragslage schlecht war. Ganz nebenbei erwähnte der Anwalt noch, dass die ArbeiterInnen während der Nacht ohne Bewilligung arbeiteten. Diese technische Argumentation diente wohl vor allem dazu, die evtl. Zivilklage für Schadensersatz abzuschmettern. Sie hatte aber auch etwas Heikles, da eigentlich die Wirksamkeit des Streiks auf den symbolischen Gehalt reduziert wird. Erfreulicherweise führte der Anwalt dann aber auch aus, dass Streik immer eine Nötigung darstellt. Und dass diese Nötigung sozial angebracht sei.

Zum Schluss konnten die Angeklagten selber noch ihre Plädoyers halten. Davon machte nur einer  gebrauch. Er hielt ein gänzlich politisches Plädoyer, fing mit den Arbeitsbedingungen an und führte aus, dass die Kündigungen eben Änderungskündigungen seien und dass dies viel eher einer Nötigung gleichkommt. Die Rede endete schliesslich mit der Gewissheit, dass es letztlich – auch trotz Klassenjustiz und Repression – immer Streiks und Widerstand von den ArbeiterInnen geben wird. Mit diesem vom Publikum beklatschten Schlusswort, endete der inhaltliche erste Teil des Prozesses.

*Korrekturen (26.3.09)

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