Reden am 1. Mai 09

Einige (Kurz-)Reden, die in den revolutionären Blöcken in Basel und Zürich am 1. Mai 09 gehalten wurden:

Grussbotschaft für die revolutionären Blöcke:
Der 1. Mai, ein Kampftag aller revolutionärer und antikapitalistischer Kräfte:
Auch wenn in Bern der 1. Mai-Umzug auf den Nachmittag verschoben wurde und dadurch verhindert wird, dass wir an diesem Nachmittag gemeinsam in Zürich auf die Strasse gehen können, so sind unsere Kämpfe dennoch verbunden.
Mit der gemeinsamen Parole, „Den Spiess umdrehen“ wollen wir ein Signal setzen, dass das Mass jetzt voll ist und die Zeit um zusammen zu stehen und am Fundament des Kapitalismus zu rütteln gekommen ist.
Wir haben erkannt, dass es an der Zeit ist,die Grabenkämpfe um Ideologien zu begraben. Wir alle- AnarchistInnen, KomunistInnen, SchülerInnen, ArbeiterInnen, Hausbesetzer- wir alle sind betroffen von diesem ausbeuterischen System welches politisch und wirtschaftlich in einer fundamentalen Krise steckt. Die Profiteure der vergangenen Jahre wollen nun die von ihnen und ihrem System gemachten Probleme auf unseren Buckel abwälzen – und genau dagegen setzen wir uns gemeinsam zur Wehr.
An diesem 1. Mai werden in Bern, Basel, Winterthur, Vallis, Soloturn, Thun und Zürich Transparente getragen, auf welchen die drei Sterne, Rot, Schwarz/Rot und Schwarz aufgemahlt sind. Ein Symbol für den gemeinsamen revolutionären Kampf, den wir heute, aber auch in Zukunft auf die Strasse tragen werden.
Wenn der Kapitalismus in der Krise steckt und wir immer stärker werden, dann bekommt die Burgeoise angst. Ihre Reaktion darauf ist Repression. Zur Zeit ist vor allem Bern und Freiburg von solchen Repressionschlägen betroffen. Den Beschuldigten AntifaschistInnen von Bern gehöhrt daher unsere uneingeschränkte Solidarität!Begrüssung der Delegation der Officine-Arbeiter und Frauengruppe aus Bellinzona in Zürich:
Wir grüssen die KollegInnen der Officine aus Bellinzona. Sie laufen heute mit uns in Zürich. Nicht zufällig, sondern weil wir uns einig sind, dass es gegen die Krise nur eine Lösung geben kann. Diese heisst den Kampf aufzunehmen, sich zu wehren. Es ist klar, dass die Kapitalisten versuchen werden, ihre Krise auf unseren Buckel abzuwälzen. Die KollegInnen in Bellinzona haben gezeigt, dass wir das nicht einfach hilflos annehmen müssen. Sie haben gezeigt, dass man sich auch im Alltag bei der Arbeit wehren kann. Die Mittel kennen wir alle. Kollektivität, Organisierung, Entschlossenheit und eine Klarheit darüber, dass wir nicht die gleichen Interessen wie die Bonzen haben! Auf dieser Grundlage hat das Streikkomitee „Giu le mani“ ein Netzwerk geschaffen, das alle zusammenbringen soll, welche sich nicht wie Lämmer vor die Schlachtbank führen lassen wollen. Das Netzwerk für eine kämpferische ArbeiterInnenbewegung war bisher ein Erfolg und ist schon über die Landesgrenze von Mailand bis Berlin gewachsen. Und es muss weiter wachsen. Deshalb: Organisieren wir den Widerstand gegen die Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen! Schaffen wir zwei, drei, hundert Officine!
Giu le mani d’all Officine!Rede der Officina Donna in Zürich:
In Krisenzeiten bezahlen die Frauen den höchsten Preis:
Es gibt Kinder, die auf Motorschiffen auf hoher See sterben….während ihre Mütter in einem neuen Land Sicherheit und Glück suchen….
Es gibt Kinder, die bei ihren Grosseltern in Rumänien aufwachsen….während ihre Mütter in der Schweiz als Prostituierte arbeiten….
Es gibt Kinder, die in aller Frühe im Pyjama in die Kinderkrippe gebracht werden….während ihre Mütter jeden Tag einen Arbeitsweg von 3 Stunden zurücklegen….
Es gibt Kinder, die jeden Tag, wenn sie zur Schule gehen, den Hausschlüssel um den Hals tragen…während auch ihre Mütter Schlüssel um den Hals tragen: die der Büros, die sie putzen…
Es gibt Kinder, die ihr Mittagessen alleine in der Mikrowelle erwärmen….während ihre Mütter in den Restaurants den Geschäftsleuten und Managern das Mittagessen servieren…
Es gibt Kinder, die am Abend nur von ihrem Papa einen Gutenachtkuss bekommen…während ihre Mütter noch bis spät abends im Abendverkauf arbeiten….
Es gibt Kinder, die mit ihren Grosseltern in den Park gehen, um auf dem Spielplatz zu spielen….während ihre Mütter in den Park gehen, um die alten Leute, die sie pflegen, spazieren zu fahren….
Es gibt Kinder, die ihre Freizeit alleine vor dem Fernseher verbringen….während ihre Mütter vor dem Fernseher vor Erschöpfung einschlafen…..  
Es gibt Kinder, die sich während dem Einschlafen die Ohren zuhalten….während ihre Mütter mit ihren Vätern über Schulden und Geldprobleme streiten…..
Es gibt Kinder, die von einer besseren Welt träumen….während ihre Mütter jeden Tag für ihre Kinder und für eine bessere Welt kämpfen…..Officina Donna Die andere Hälfte des Widerstandes:
Unsere Gruppe von Frauen ist 2008, während des Streiks der Arbeiter der Officine“ SBB in Bellinzona, entstanden. Sie war Zeuge des Widerstandes und kämpft weiterhin für eine gerechtere Gesellschaft.
Der Streik war eine erste klare Antwort auf die Finanzkrise, und wir Frauen bezahlen, wie immer in Krisenzeiten, den höchsten Preis für die Rezession: wir sind am stärksten betroffen von Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, tieferen Löhnen, wir spüren am stärksten, wie schwierig es ist, mit immer weniger Geld bis Monatsende leben zu können.
„Wenn die Frauen wollen, steht die Welt still“: officinadonna08@gmail.com
Rede zur politischen Krise:
Die wirtschaftliche Krise ist hier – daran kann man nicht vorbeiblicken. Ich behaupte aber: die wirtschaftliche Krise ist auch eine politische Krise, denn die beiden Bereiche hängen zusammen.
Der Staat ist der Staat des Kapitals. Entsprechend ist die Krise des Kapitals auch eine Krise der Staaten, besonders wenn es wie heute um eine Systemkrise des Kapitalismus geht und nicht um einen kurzen Abschwung, der zu einer verkraftbaren Marktbereinigung führt.
Die wenigen, die weiterhin Staatsinterventionen ablehen – sogar solche zu Gunsten der Banken – sehen den Sozialismus heraufziehen. Der Sozialisismus, den wir meinen, verstaatlicht aber nicht die Verluste der Banken, sondern deren Gewinne.
Aber lassen wir die Rechthabereien.
Allerdings deutet gerade tatsächlich vieles in Richtung Sozialismus. Jetzt schiene der Zeitpunkt gut für uns: Der Kapitalismus gräbt sich selbst sein Grab und die Regierung gibt Durchhalteparolen raus. Dennoch – die revolutionäre Alternative kommt nicht automatisch. Lenin nannte salopp zitiert folgende Bedingungen, damit eine Situation revolutionär ist: Die oberen können die Macht nicht mehr halten und die unteren wollen sie übernehmen. Es ist offensichtlich, dass im Moment niemand da ist, der die Macht übernehmen könnte. Obwohl alle unzufrieden sind, ist keine Kraft in Sicht, die fähig wäre, die bürgerlichen Regierungen zu entmachten und eine gerechtere Gesellschaft zu erbauen. Deshalb schauen lieber alle hoffnungsvoll auf Obama und wünschen sich, dass alles wieder so wird, wie es war, um dann wieder in gewohnten Bahnen weiterzufahren.
Das heisst: wir als ausserparlamentarische Linke haben gleichzeitig eine Chance und ein Problem. Der Kapitalismus ist verwundet, aber die Alternative ist noch nicht in Sicht, die Perspektive muss in konkreten Kampfsituation fassbar werden, denn eine Revolution hängt nicht von uns wenigen hier ab, sondern davon, ob eine grosse Mehrheit der Menschheit sie anstrebt.
Wir müssen in der Lage sein, jene Kampf- und Ausdrucksformen der Bewegungen aufzunehmen, die kommunistische Elemente enthalten, damit meine ich Elemente, die über die blosse Unzufriedenheit mit dem Gegenwärtigen hinausdeuten und einen positiven Gegenentwurf zu dieser Welt der Ausbeutung und Unterdrückung schaffen. Denn es ist aus diesen Konflikten in der bestehenden Gesellschaft, aus denen das Neue, das Perspektivische einer zukünftigen Gesellschaft aufscheint.
In diesem Sinne: Der Kapitalismus hat keine Fehler, er ist der Fehler und die einzige gehbare Alternative ist die Revolution.
Der Weg dahin wird steinig, aber auch interessant.Kurzrede der RJZ:
Kein Job nach der Lehre? Probleme bei der Arbeitssuche? Kein Ding, sagt unsere Wirtschaftsministerin Doris Leuthard gegenüber 20 Minuten: 4-5 Prozent Arbeitslose sind noch kein Problem. Aber raffiniert wie sie ist, hat sie für uns Jugendliche trotzdem gleich super Lösungen im Sack. Vorschlag Nummer eins:
„Ein einjähriger Sprachaufenthalt im Ausland.“
Eine gute Sache, denn am Geld dafür fehlt es den arbeitslosen Leuten in der Krise bestimmt nicht und wenn wir nach einem Jahr zurück sind, sieht sicher alles schon viel besser aus. Aber auch eine Alternative dazu hat sie parat:
„Ein Jahr lang Militärdienst!“
Eine ehrenwürdige Aufgabe, schliesslich benötigen wir alle verfügbaren Kräfte, um in Somalia Piraten zu jagen oder das nächste WEF zu beschützen.
Trotz allen tollen Lösungen stellt uns der Ökonom und Arbeitsmarkt-Spezialist George Sheldon in der NZZ aber darauf ein, das wir uns Zitat:
„mit dem Gedanken anfreunden müssten, hin und wieder mit der Arbeitslosigkeit Bekanntschaft zu machen. Denn in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten Markt ist die Forderung nach Abschaffung der Jugendarbeitslosigkeit eine Verschwendung enormer Ressourcen und völlig illusorisch„
Das sagen wir ja schon lange. Deshalb weg mit dieser Krisengesellschaft, die einzige gewinnbringende Investition ist die Revolution!Kurzrede zu Prekarisierung:
Die schlechten Jobs, die noch mehrheitlich von Frauen verrichtet werden,
nehmen zu. Das heisst auch, dass je länger je mehr auch Männer diese
Arbeit annehmen müssen.
Arbeiten ohne jegliche Sicherheiten, oft im Stundenlohn, befristet, auf
Abruf und schlechtem Lohn. Heute arbeiten in der Schweiz mehr als 300
000 Personen in Temporärjobs.
Die Gewerkschaften reagieren hilflos. Im vergangenen Jahr haben sie über
einen Gesamtarbeitsvertrag für die Temporärbranche verhandelt.
Ziel des neuen Gesamtarbeitsvertrages sollte sein, das die
Temporärangestellten ähnliche Bedingungen und Sicherheiten haben wie die
Festangestellten.
Von der Unia Führung wird dieser Vertrag als Erfolg verkauft.
Wir meinen jedoch, dass dieser Vertrag, die schlechten Jobs und die
erhöhte Ausbeutung vertraglich festschreibt und salonfähig macht. Denn
z.B nicht mal der geforderte Mindestlohn wird im Vertrag eingehalten.
Die übelsten Sklaventreiber werden als Sozialpartner anerkannt.
Die Kapitalisten brauchen uns, nicht wir sie!! Nehmen wir uns MehrWert!!
Lasst uns unsere Forderungen und unsere Wut auf die Strasse tragen! Nur
da ist sie wirksam.
Weg mit den Verhältnissen die uns erdrücken. Frauenkampf bleibt
Klassenkampf!Kurzrede zum Streik bei Continental in Frankreich:
Diesen Monat ist die ganze Wut der Continental-Arbeiter des Reifenherstellers im französischen Clairoix ausgebrochen. 6 Wochen haben sie gewartet, und dies auf die Anwort der Kapitalisten, dass das Werk geschlossen wird. 1100 Arbeiter verlieren ihre Stelle. Die Wut der Arbeiter hat sich in Verwüstungen der französischen Präfektur entladen. So stark, dass die Conti-Bosse ihre Generalversammlung in Hannover durch ein Grossaufgebot von Bullen schützen musste.
Die Bosse haben Angst. Nicht nur, weil die Arbeiter so militant waren, sondern, weil sie auch danach voll und ganz dahinter stehen. So verteidigt der Streikführer Mathieux den militanten Protest mit den Worten: „Man spricht von zerbrochenen Scheiben und Computern. Aber was ist das schon neben 1100 Leben, die gebrochen werden? Das ist überhaupt nichts. Seit sechs Wochen sind die Leute unter Druck, schlafen nicht mehr, essen nicht mehr, warten auf Antworten, auf Versprechen, die man ihnen macht, hören auf alles Mögliche und dessen Gegenteil. Jene, die davon sprechen, die Leute zu bestrafen, welche die Präfektur verwüstet haben, sind die gleichen, die vor sechs Wochen gesagt haben, dass sie die Patron-Halunken bestrafen werden.“
Und es geht nicht nur um die Firma Continental. Der Streikführer geht weiter und sagt: „Es ist Zeit, damit aufzuhören! Man muss die Gesellschaft verändern! Nicht länger das Geld, sondern der Mensch muss wieder ins Zentrum der Gesellschaft gestellt werden. Andernfalls werden wir alle krepieren!“
In Frankreich hat die herrschende Klasse Angst. Der militante Protest der Conti-Arbeiter habe die Lunte für den Mai 2009 angezündet, und dieser könne heftiger werden als der Mai 1968. Hoffen wir, das dem so ist und schliessen wir mit einem letzten Zitat von Mathieux: „Wir sind jetzt keine Lämmer mehr sondern Löwen!“Kurzrede zum Allpack-Prozess und zum Streikrecht:
Vor Kurzem haben wir an einer Demo in Liestal «Freispruch für die Allpack-Angeklagten», gefordert. Doch die Klassenjustiz hat sich anders entschieden, es wurden zwar nur Geldstrafen ausgesprochen, aber dass überhaupt Strafen ausgesprochen wurden ist der Skandal.
Die Ausgangslage ist einfach: 2003 traten Allpack-ArbeiterInnen nach einer Änderungskündigung in den Streik. D.h. sie wurden entlassen, um unter schlechteren Bedingungen wieder angestellt zu werden. Während des Streiks wurde die Allpack blockiert, mit dem Ziel, andere ArbeiterInnen an der Arbeit zu hindern. Die Blockade ist im Rahmen eines Streiks eine logische Handlung, da eben nicht gearbeitet werden soll, sozusagen das ABC eines Streiks.
Aber die Staatsanwaltschaft entschied sich, die armen so genannten Arbeitswilligen zu schützen und es wurden 22 Personen auf Nötigung und Hausfriedensbruch verurteilt. Das Urteil viel Milde aus, aber die Tatsache, dass es fiel, ist das Problem. Nicht die Angeklagten sassen in Wirklichkeit auf der Anklagebank, sondern das Streikrecht selbst!
Die Absicht der Unternehmer, ihrer Anwälte, Staatsanwälte und Richter ist klar: Jeder Widerstand, jedes kollektive Aufmucken wird bestenfalls knapp geduldet und soll möglichst im Keim erstickt werden Die Angeklagten, ihre Freunde und UnterstützerInnen sollten zu gefährlichen Gewalttätern gestempelt werden, der Streik kriminalisiert werden. Damit wird der Boden vorbereitet, um die Ausübung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit generell von einer „behördlichen Bewilligung“ abhängig zu machen. Die Gewerkschaften täten gut daran, vor einer solchen Entwicklung nicht die Augen zu verschliessen und sich auf ihre ureigensten Aufgaben als Selbsthilfe- und Kampforganisation der Arbeiterinnen und Arbeiter zu besinnen!