Cash und Care – der kleine Unterschied

ARBEITSTEILUNG Wie kommt es, dass die alten Geschlechterrollen in vielen Bereichen sich so hartnäckig halten? Wir verfolgen die Frage zu ihrem Ursprung.  (aufbau 57)

(ag/akfk) Viele meinen, es werde bei uns mehr bezahlte wie unbezahlte Arbeit geleistet. Dies stimmt tatsächlich für die Männer, nicht aber für die Mehrheit proletarischer Frauen. In der Schweiz wird jährlich 8,4 Milliarden Stunden unbezahlt und nur 7 Milliarden Stunden bezahlt gearbeitet. Rund 80% der unbezahlten Arbeiten erledigen Frauen. Familien mit egalitärer Aufteilung von Erwerbs- sowie Haus- und Familienarbeit machen einen Anteil im 1-Prozent-Bereich aus. Gemäss Bundesamt für Statistik würde es 270 Milliarden Franken kosten, müsste die unbezahlte Arbeit berappt werden. Ein Hauptteil dieser Arbeit entfällt auf das Sorgen und Versorgen von Menschen, in der feministischen Ökonomie, Care-Arbeit genannt.Care ohne Cash
Care-Arbeit zu definieren ist nicht ganz einfach: sie ist zeitlich schlecht abgrenzbar; sie hat nicht immer ein klar definierbares Produkt; Emotionen und zwischenmenschliche Beziehungen sind Teil der Tätigkeit; sie ist geprägt von hohem Kommunikations- und Organisationsbedarf. Daher ist die Care-Arbeit ökonomisch nur begrenzt optimierbar, da. Zuhören, Gespräche führen oder pflegen nicht beliebig beschleunigt und nicht auf unbegrenzt viele Personen verteilt werden können.
Wie kommt es, dass ein bedeutender Bereich der Ökonomie eine minderwertige und untergeordnete Stellung hat, obwohl es sich hier um die unmittelbare Versorgung von Menschen handelt und der grössere Teil der Gesamtökonomie ausmacht? Wie kommt es, dass jener Teil der Ökonomie, bei dem es um die Erwirtschaftung von Profit für eine kleine Eigentümerklasse geht, eine solch dominante und übergeordnete Position hat?
Und wie kommt es, dass trotz stets steigender Erwerbstätigkeit und ökonomischer Unabhängigkeit der Frauen , sich diese immer für die Reproduktionsarbeiten[1] verantwortlich fühlen bzw. verantwortlich gemacht werden?Spontane Arbeitsteilung
Bekanntlich ist das Patriarchat viel älter als die kapitalistische Gesellschaft. Die bürgerliche biologistische Meinung will uns weiss machen, dass die Unterordnung der Frau naturbedingt sei.
Die marxistische Analyse sieht die Ursachen der Frauenunterdrückung, als Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung. «/Jede gesellschaftliche Unterdrückung liegt letztlich in der Stellung, die der Unterdrückte im Produktionsprozess einnimmt, begründet. Wenn wir also von einer besonderen Unterdrückung der Frau sprechen, so muss sich dies auch auf eine spezifische Funktion im gesellschaftlichen Produktionsprozess zurückführen lassen.»[2]
Gestützt auf Engels, Marx und Bebel zeigt Karin Bauer auf, wie die Entstehung der Frauenunterdrückung mit der Auflösung der Urgesellschaft und dem Übergang in eine Klassengesellschaft zusammenfällt. Auch neue Untersuchungen zur historischen Entwicklung haben keine nennenswerten anderen Erkenntnisse hervorgebracht.
Bereits in der klassenlosen Urgesellschaft entstand eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die «naturwüchsige» oder spontane Arbeitsteilung: «Die erste Teilung der Arbeit ist die von Mann und Weib zur Kindererzeugung.» [3]Damals spielten Frauen weitgehend dieselbe soziale Rolle wie Männer. Sie gingen auf die Jagd, kämpften als Kriegerinnen und waren in sexuellen Beziehungen gleichberechtigt. Alle Tätigkeiten, die mit der Mutterschaft zusammenhingen, wurden von der Stammesfamilie kollektiv erledigt. Erst im Verlauf von ökonomischen Errungenschaften und einer relativen Sesshaftigkeit fiel der Frau durch Gebärfähigkeit und Stillen die Versorgung der Kinder, das Hüten des Feuers und des Hauses zu. Der Mann nahm vermehrt Funktionen ausser Haus wahr. Durch diese spontane Arbeitsteilung produzierten Mann und Frau zwar verschiedene, aber gleichsam notwendige Gebrauchswerte. Die Urgesellschaft zeigt also, dass die spontane Arbeitsteilung allein nicht zur Unterwerfung der Frau führte.Die Entstehung der Warengesellschaft
Durch die Entwicklung der Viehzucht und des Ackerbaus wurde die Produktivität stark gesteigert. Zum ersten Mal in der Geschichte war es möglich, mehr zu produzieren als für die unmittelbare Reproduktion der Gesellschaft nötig war. Nicht alle produzierten Güter wurden sofort verzehrt, ein Teil konnte als Vorrat angelegt werden. Die Grundlage für die Entwicklung des Privateigentums und des Tauschhandels war geschaffen.
Von diesem Zeitpunkt an wurde der Tausch immer wichtiger und mit ihm auch der Warencharakter der Dinge und die Bedeutung des Tauschwerts. Es entstand eine Gefälle zwischen Dingen mit «blossem» Gebrauchswertund solchen mit Tauschwert. Als Konsequenz davon sank die gesellschaftliche Wertschätzung der Frau, weil sie mit der Kindererziehung und der Familienarbeit hauptsächlich Gebrauchswerte schuf. Ihr war es nur beschränkt möglich an der Warenproduktion und am Tausch teilzunehmen.Die «welthistorische Niederlage»
Mit allen grundlegenden Änderungen der Produktionsverhältnisse ändern sich auch die sozialen Beziehungen der Menschen. Eine der Folgen der Entstehung von Privateigentum und Warenproduktion war der Sturz der matrilinearen Verwandtschaftsfolge, was von Engels als die /«welthistorische Niederlage des weiblichen Geschlechts»[4] bezeichnet wird. In den Urgesellschaften existierten keine engen Familiengrenzen. Die Zugehörigkeit wurde über die Mutter geregelt. Das entstandene Mehrprodukt, welches in einer langen Entwicklung zum Privateigentum des Mannes geworden war, verlangte nach legitimen Erben und so trat an die Stelle des sog. «Mutterrechts» die patriarchale Familie.
«Patriarchat, Vielehe, Kaufehe, Monogamie kennzeichnen eine Entwicklung, in der die Frau immer grössere Bereiche ihrer früheren sozialen und politischen Rechte an den Mann abtreten musste. Dies entsprach ihrer sinkenden Bedeutung in der Produktion der sich entwickelnden Warengesellschaft.»[5]
Noch heute, im Kapitalismus, finden wir die gleiche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Familienstruktur wieder, obwohl deren objektive Notwendigkeit schon lange durch die technologischen Entwicklungen aufgehoben wurde. Der Kapitalismus hat ein direktes Interesse an dieser Struktur festzuhalten. Die unbezahlte Reproduktionsarbeit der Frauen produziert gratis und verantwortungsbewusst die kostbarste Ware: die Ware Arbeitskraft. Der Wert der Ware Arbeitskraft nützt der Frau nicht viel. Im Kapitalismus wird nicht die Bereitstellung der Arbeitskraft, sondern nur ihr direkter Einsatz im Produktionsprozess bezahlt. Denn seine Logik folgt dem Profit.Teil und Besonderheit
Aus dem Gesagten wird klar, dass die Entstehung des Geschlechterwiderspruchs mit der Entstehung der Klassengesellschaft eng verknüpft war oder wie Frigga Haug es sagt, dass Geschlechterverhältnisse auch Produktionsverhältnisse sind. Eine Reduzierung allgemeiner Gesellschaftsprobleme auf «Frauenfragen»dient nur der herrschenden Klasse. Die Diskussion über Vereinbarkeit von Familie und Beruf greift zu kurz. Solange eine Gesellschaft die Frage ihrer Reproduktion nicht gesellschaftlich und auf einem hohen qualitativen Niveau geregelt hat, wird die Frauenbenachteiligung fortbestehen. Alle Menschen sollen in der Reproduktions- oder Care-Arbeit ihre sozialen Interessen und Fähigkeiten entwickeln können und niemand soll von der Erwerbsarbeit ausgeschlossen sein. Die Verknüpfung der Bereiche ist eine notwendige Grundlage für eine emanzipatorische Politik. Die Trennung von Produktion und Reproduktion, von Privat und Öffentlich, von Frauen- und Männerarbeit, von Hand- und Kopfarbeit, von Ökonomie, Politik und Kultur bringt keine wirklichen Lösungen der gesellschaftlichen Fragen und Probleme. Erst wenn sich Alle in die vielfältigsten gesellschaftlichen Bereiche einmischen können, kann die Entwicklung jedes Einzelnen die Entwicklung Aller voranbringen.————————-[1] Im Marxismus benutzen wir den Begriff Reproduktionsarbeit, um jene Arbeit zu bezeichnen die notwendig ist, um die Arbeitskraft der ArbeiterInnenklasse zu reproduzieren, also Hausarbeit, Kindererziehung, Pflegetätigkeiten.[2] Karin Bauer: Clara Zetkin und die proletarische Frauenbewegung, S.21[3] Engels zitiert Marx in „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ S. 76[4] dito Engels[5] dito Karin Bauer