Das Deutsche Reich und sein Hinterhof

Zur grossen Enttäuschung der UCK und ihrer Hintermänner in Bonn und Washington zog Milosevic unter massiver Kriegsdrohung einen Teil der Truppen aus dem Kosovo ab. Aber auch ohne Krieg hat sich damit Deutschland definitiv aller noch aus der Niederlage von 1945 verbliebenen Fesseln entledigt. Unter rot-grüner Führung kann das deutsche Kapital nun auch militärisch wieder mitmischen.

Dem NATO-Aufmarsch gegen die Bundesrepublik Jugoslawien ging eine perfekt inszenierte Medienkampagne voran. Selbst das Herz der Boulevardzeitung Blick schlug für die hierzulande sonst in übelster Weise verunglimpften Kosovo-AlbanerInnen. Natürlich ist das Elend der Menschen im Kosovo unbestritten, ebenso wie die Brutalität der jugoslawischen Armee und Polizei.

Die Verantwortung für das Flüchtlingselend trägt aber in erster Linie die «Befreiungs»armee des Kosovo, die UCK. Der von ihr entfesselte Krieg bot der imperialistischen Macht Deutschland die Gelegenheit, endlich wieder auch militärisch als Grossmacht auftreten zu können. Die innenpolitische Situation in der Republik Jugoslawien drängte sich da als Einstieg geradezu auf. Mit entlarvender Offenheit bringt der Leitartikler der WELT die deutschen Expansionsgelüste auf den Punkt: «Die Nato hat sich den Balkan zu etwas gemacht, das die Amerikaner ‹ihren Hinterhof› nennen würden. Das ist gut so, denn der Balkan geht uns an.» Und weil der Balkan – und nicht nur der Balkan – die deutschen Imperialisten «etwas angeht», haben sie in den letzten 84 Jahren zwei Weltkriege entfacht. 

Vorwand der «Vaterlandsverteidigung» und der «Flüchtlingshilfe» 

Unter dem Vorwand der «Vaterlandsverteidigung» stimmte die sozialdemokratische Fraktion nach der Kriegserklärung gegen Serbien am 4. August 1914 den Kriegskrediten zu und trägt damit eine wesentliche Mitverantwortung für die Millionen von Toten des ersten Weltkrieges. Unter dem Deckmantel der «Flüchtlingshilfe» stellten sich grüne Pazifisten und SPD vorbehaltlos hinter die erste militärische Aggression Deutschlands seit der Kapitulation des Dritten Reiches. In einer Brandrede verteidigte der ehemalige Frankfurter Sponti und heutige Aussenminister Joschka Fischer diesen Einsatz mit dem zynischen Hinweis, Milosevic sei ein Kriegstreiber. Halbherzig auch die Position von PDS-Sprecher Gregor Gysi. Zwar ist sein Hinweis richtig, dass mangels Zustimmung der UNO die völkerrechtliche Legitimtät für diesen Krieg fehle. Tatsächlich ist mit diesem Entscheid das Völkerrecht definitiv auf dem Müll gelandet. Allerdings waren nicht wenige Kriege, von der Intervention in den Kongo in den 60er Jahren bis hin zum Krieg gegen Irak «völkerrechtlich korrekt». Dies relativiert zumindest den Verlust ein wenig.  

Die Provokationen der UCK

Es gibt also nicht wenige Gründe, warum Deutschland alles Interesse an einer Destabilisierung der Regierung Milosevic hat. Laut einem Bericht der britischen Zeitung The European hat der Bundesnachrichtendienst BND die UCK unterstützt und das militärische Führungspersonal ausgewählt, während der Militärische Abwehrdienst MAD die Truppen geschult und mit Kommunikationsmitteln ausgerüstet habe. Für den Wahrheitsgehalt dieser Information spricht nicht nur der abgebildete Volkswagen. Die UCK liess denn auch keine Provokation aus, um einen NATO-Einsatz herbeizuführen. In Genf forderte UCK-Sprecher Bardhyl Mahmuti vor versammelter Presse die NATO auf, endlich ihre Vernichtungsmaschine in Gang zu setzen. Provokationen wie permanente Angriffe gegen die mittlerweile abziehenden serbischen Truppen oder die Entführung von zwei serbischen Journalisten sollen diesem Ansinnen nachhelfen. Damit hat die UCK einmal mehr den Bogen überspannt. Der Sprecher des US-Aussenministeriums James Rubin wies die UCK darauf hin, es wäre ein Fehler, die NATO als ihre Luftwaffe zu betrachten.  

Ende gut, alles gut?

Nach dem Rückzug eines Teils der Truppen durch Milosevic musste die NATO wohl oder übel vorderhand auf ihre Intervention verzichten. Der Erfolg für die imperialistischen Mächte lässt sich aber dennoch sehen. Aus der Sicht der NATO haben sich die «OSZE, die UNO, die EU, der IMF, die Weltbank und zahlreiche andere Hilfsorganisationen (sic!!))» im Kosovo zu einer «regelrechten Industrie festgekrallt. Dies bringe aber, neben humanitärem Effekt, auch politischen Einfluss mit sich» (NZZ 29.10.1998). Klarer kann kaum gesagt werden, wozu das Elend der Menschen im Kosovo missbraucht wird.

aufbau Nr. 12 / November 1998