Irak – Kosovo / Brandstifter als Feuerwehrleute im Einsatz

Die Kriegshetze gegen den Irak und das erneute Anheizen eines Bürgerkrieges in Jugoslawien, auf den ersten Blick zwei voneinander losgelöste Situationen. Erst ein Blick auf die verschiedenen Interessen der einzelnen imperialistischen Mächte machen auch scheinbar irrationale politische Prozesse fassbar.

Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Was dem guten alten Clausewitz recht war, war den US-Imperialisten immer schon billig. Wo die Durchsetzung der eigenen Interessen über ökonomischen Druck nicht mehr läuft, wird gehörig mit dem Säbel gerasselt und nötigenfalls zugeschlagen. Begleitet von einer weltweiten Medienkampagne, die die realen politisch-ökonomischen Interessen verdeckt und Kriegshetze und Krieg als profundes Interesse am Wohlergehen der Menschheit darstellt. Weltweit verfügt die USA über das grösste Arsenal an Giftgaswaffen – ein bisschen Werbeaufwand ist da in der Tat von Nöten, um einen Krieg gegen den Irak damit zu legitimieren, dass dieses Land eventuell über Giftgase verfügt. Die Infrastruktur für die Herstellung dieser chemisch-bakteriologischen Waffen lieferte notabene die USA an ihren damaligen Schützling, Saddam Hussein. Der Verdacht drängt sich auf, hinter der massiven Kriegsvorbereitung stünden andere Gründe als die von Hussein verweigerte Durchsuchung der Präsidentenpaläste. In der Tat haben die beiden imperialistischen Kontrahenten Frankreich und Russland in den letzten Jahren mit massiven Investitionen im Irak ihren Einfluss in dieser strategischen Zone massiv ausgebaut. 1996 eröffnete Frankreich eine ständige Handelsvertretung in Bagdad und die französischen Erdölkonzerne schlossen ergiebige Verträge mit dem Irak ab. Der französische Präsident Chirac hat also allen Grund, energisch die Lockerung des Embargos gegen den Irak zu verlangen. Und genau deswegen wehren sich die USA mit Händen und Füssen gegen dieses Ansinnen. Diese Konstellation erklärt auch das brennende Interesse Grossbritanniens, mit einem Krieg gegen den Irak den traditionellen Konkurrenten Frankreich zu blockieren. Der eben an die Macht gekommene Labour-Politiker Tony Blair gesellte sich geradezu übereifrig an die Seite des US-Präsidenten Clinton und konnte es kaum erwarten, die britische Empire in alten Kolonialgefilden in den Krieg zu führen. Blair sah sich bereits als Retter der Menschheit und verkündete nach einem Treffen mit Clinton mit eher dümmlichen Pathos: „Dieser Mann (Saddam Hussein) hat bereits genügend chemische und biologische Waffen angesammelt, um die gesamte Menschheit zu vernichten – daran muss man ihn hindern.“ Eine Tatsache, die freilich die schweizerische Gewerkschaftsführerin Christiane Brunner nicht daran hindert, eben diesen Tony Thatcher als ihr politisches Vorbild zu bezeichnen.

Die Türkei als Anwältin unterdrückter Minderheiten

Noch stehen die amerikanischen Kriegsschiffe einsatzbereit im persischen Golf und die USA denken nicht daran, den geplanten Krieg gegen den Irak definitiv abzusagen. Dies hindert die nordamerikanischen und deutschen Imperialisten nicht daran, den im Kosovo schwelenden Konflikt wacker anzustacheln. Ganz plötzlich haben die USA und die BRD das Selbstbestimmungsrecht der Völker entdeckt. Mehr noch, was im Baskenland oder Kurdistan als Terrorismus denunziert wird, stellt sich bei der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom CIA mitfinanzierten „Befreiungsfront“ UCK plötzlich als legitimer Befreiungskampf dar. So legitim, dass selbst die Türkei sich veranlasst sieht, sich für die Menschenrechte der Kosovo-AlbanerInnen einzusetzen. Was steckt hinter diesem plötzlichen Interesse für die unterdrückten Völker. Der deutsche Imperialismus hatte seit eh und je grösstes Interesse an einem möglichst zersplitterten Balkan. So schrieb der Naziführer Heinrich Himmler 1940: „…wir haben nicht nur das grösste Interesse daran, dass die Bevölkerung des Orients nicht vereint sind, sondern im Gegenteil, dass sie in möglichst viele Teile und Fragmente zersplittert sind.“ Auch nach dem zweiten imperialistischen Krieg hat sich diese Linie nicht verändert. Mit der diplomatischen Anerkennung von Kroatien und Slowenien trug die BRD 1991 entscheidend zum Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien bei. Auch den Konflikt im Kosovo stacheln deutsche Politiker und ihre Medien, die von der „bald unabhängigen Provinz“ sprechen, mit allen Mitteln an. Kein Wunder also, wenn sich die von reaktionären Kräften geführten albanischen Massen an den deutschen und amerikanischen Imperialismus wenden und um deren politisch-militärische Hilfe ersuchen. Ganz wird die Rechnung der albanischen NationalistInnen aber nicht aufgehen. Die USA, Deutschland und Grossbritannien haben zwar alles Interesse daran, das Regime von Milosevic zu schwächen. In allen übrigen Regierungen des ehemaligen Jugoslawiens sitzen Speichellecker der westlichen imperialistischen Mächten, die Regierung von Milosevic hingegen ist ein Verbündeter des alten Erzfeindes, des russischen Imperialismus. An einem unabhängigen Staat Kosovo, wie dies die nationalistischen Kräfte fordern, hat aber keine der imperialistische Mächte auch nur das geringste Interesse. Das Abkommen von Dayton wäre damit vom Tisch und der nächste Konflikt mit den der albanischen Minderheit im dem westlichen Imperialismus treu ergebenen Nachbarstaat Mazedonien programmiert.

Kasten: Kosovo

Seit Jahrhunderten bevölkern zwei ethnische Gruppen den Kosovo, eine rund 90% Mehrheit von AlbanerInnen und eine Minderheit von SerbInnen. Nach dem ersten imperialistischen Weltkrieg wurde Kosovo in den von der serbischen Bourgeoisie beherrschten jugoslawischen Staat integriert. Wie die anderen nationalen Gruppen litten auch die AlbanerInnen Kosovos unter der nationalistischen serbischen Unterdrückung. Während des zweiten imperialistischen  Weltkrieges führten die kommunistischen Partisanenkräfte sowohl in Jugoslawien als auch in Albanien einen erfolgreichen Widerstand gegen die faschistischen Besatzertruppen. Einzig im Kosovo fanden die deutschen Faschisten in der nationalistischen Balli Kombetar tatkräftige Unterstützung, die es den Nazis sogar ermöglichte, im Kosovo die albanische SS-Division Skanderberg aufzustellen. Die Vereinigung in einem Grossalbanien ermöglichte den Nazis die reaktionäre Mobilisierung der kosovoalbanischen Massen. Nach dem zweiten Weltkrieg schlossen sich der Kosovo der neu entstandenen jugoslawischen Republik an. Die zunächst erarbeiteten Programme zur wirtschaftlichen Entwicklung aller Regionen wurde mit der 1948 einsetzenden Restauration des Kapitalismus wieder aufgehoben. Erst 1974 gewährte die damalige Regierung Titos den KosovoalbanerInnen weitgehende Autonomierechte. 1989 hob des Regime von Milosevic, der auch als Craxi1 Jugoslawiens bezeichnet wird, diese Rechte wieder auf. Diese nationalistische Politik Milosevics, verbunden mit ständigen Uebergriffen der serbischen Polizei gegen die albanischen Massen bilden den fruchtbaren Nährboden für die reaktionären nationalistischen Kräfte im Kosovo. 

Fussnoten 

1 Bettino Craxi, heute stecktbrieflich gesuchter ehemaliger Ministerpräsident Italiens. Mitglied der Sozialistischen Partei Italiens, die die Interessen des Finanzkapitals vertritt. 

aufbau Nr. 10 / Mai 1998