Rosemarie Michel, die älteste Genossin des Revolutionären Aufbaus, ist am letzten Mittwoch, 13. Januar 2010, im 87. Altersjahr gestorben.
Rosemarie, wer kennt sie nicht, die mutige Frau, die an jeder Demo an ihrem Stock gehend mitmachte, seit Jahrzehnten immer vorne mit dabei, dann mit zunehmendem Alter und wachsenden körperlichen Gebrechen immer weiter hinten und zum Schluss am 1. Mai im Auto mitfahrend in der Hoffnung, dabei zu sein, mit allen anderen sich die Strasse nehmend, sei dies im 80zgi bei den Jugendrevolten, 1989 bei der Bewegung gegen die Wohnungsnot, bei Antifa-Spaziergängen und Mobilisierungen gegen den Krieg oder das WEF. Bis ins hohe Alter von 85 Jahren war sie am 1. Mai an der Nachdemo oder auf dem revolutionären Treff anzutreffen, dieses Foto wurde dort im Jahre 2008 aufgenommen.
Geboren am 15. Dezember 1923 und aufgewachsen in Zürich, setzte sie bereits als alleinerziehende Mutter dreier Kinder engagiert ihre Interessen durch, lernte zu kämpfen, auch gegen bürgerliche Gesellschaftsnormen. Später, interessiert an der politischen Entwicklung ihrer Kinder, wurde sie selber zur Aktivistin im Autonomen Jugendzentrum AJZ, in der Platzspitzvereinigung, im Froschsyndikat, einer Selbstorganisierung drogenabhängiger Jugendlicher, und im Asylkomitee. Anfang der 1990er Jahre trat sie dem Migrationskomitee des frisch gegründeten Revolutionären Aufbau bei.
Als ihre Tochter Barbara den Entschluss fasste, in den Bergen Kurdistans ihren Kampf für Freiheit und Sozialismus fortzuführen, setzte Rosemarie sich mit diesem Entscheid auseinander. Als Barbara in Istanbul in einer illegalen Wohnung verhaftet und im Knast von Gayreteppe gefoltert wurde, nahm sie zusammen mit ihrem Anwalt Marcel Bosonnet den Kampf gegen die Folter auf. Als Barbara nach der Entlassung entschlossen den Weg in die kurdischen Berge antrat, um sich den Kämpfenden anzuschliessen, unterstützte die Mutter tatkräftig diesen Schritt, wohl wissend, dass sie sie verlieren wird. Als die Nachricht ihres Fallen in den Bergen bei uns eintraf, sagte sie immer wieder: Barbara wünscht, dass ich sie als Revolutionärin ehre und mich entsprechend verhalte. Sie wollte als Genossin von Barbara ihrem Andenken nützlich sein, das blutende Herz der Mutter stellte sie hinten an. Dass Barbara von den KämpferInnen in Dersim’s Bergen begraben wurde, machte sie das als ihre Genossin stolz. Als Mutter aber fehlte ihr die Möglichkeit, sich am Grabe von ihr verabschieden zu können. Auf dem Grabstein von Rosemarie wird Barbara zu finden sein.
Bis zuletzt nahm sie an den zentralen Treffen unserer Organisation und den Veranstaltungen teil. Auch beim Geschworenenprozess gegen Marco Camenisch liess sie keinen Verhandlungstag aus; eine ihnen beiden wichtige Freundschaft entwickelte sich. Bis kurz vor ihrem letzten notfallmässigen Spitaleintritt telefonierten sie regelmässig miteinander.
Rosemaries Neugier für das Leben, ihre Wut gegen Ungerechtigkeit, Ausbeutung und ihr immenses Interesse an Widerstand dagegen hielten sie bis zuletzt am Leben fest. Das seit Jahren sehr havarierte Herz hatte keine Chance, zu früh mit Schlagen aufzuhören. Neugierde und Hartnäckigkeit gaben ihr eine immense Lebenskraft. Oft glaubten wir, dass sie es nicht mehr schafft und stellten uns auf das Schlimmste ein. Rosemarie aber kämpfte sich immer wieder hartnäckig und entschlossen nicht nur ins Leben zurück, sondern auch in Unabhängigkeit und Würde
Als dann das widerständische Herz tatsächlich zu schlagen aufhörte, schlief sie ganz friedlich ein. Sie hinterlässt viele Spuren des Widerstandes und des Kampfes, die wir nie vergessen werden. In diesem Sinn sagen wir:
Rosemarie presente!
Wir bedanken uns beim Vorwärts, der diesen Artikel in der Ausgabe vom 21. Januar abgedruckt hat. Die aufbau-Zeitung wird unsere Genossin in der Märzausgabe würdigen.