Erlebnisbericht aus fünf Tagen Widerstand in Istanbul.

Als wir vor einigen Tagen in Istanbul ankamen, da hatten die anwesenden Menschen schon einige Angriffe erdulden müssen. Auf dem Gebäude neben dem Taksim-Platz hingen keine Transparente mehr, sondern nur noch zwei riesige Türkei-Flaggen und ein überdimensionales Portrait von Kemal Atatürk, welche von der Polizei nach dem letzten Angriff dort befestigt wurden. Doch das Widerstandscamp im Gezi-Park bestand weiter und wuchs von Tag zu Tag. Einst aus dem Protest gegen die Zerstörung des Parks entstanden, campierten hier seit Wochen tausende Menschen, um sich gegen die herrschende Regierung, die Gentrifizierung Istanbuls, die Polizeigewalt und vieles mehr zu Wehr zu setzen. Als wir Istanbul nach paar Tagen wieder verlassen mussten, war das Camp zerstört, der Taksim Platz von der Polizei besetzt, doch der Widerstand in den Quartieren war umso grösser. Im Folgenden sollen die persönlichen Erfahrungen dieser Tage geschildert werden. Weder handelt es sich dabei um eine abschliessende Analyse, noch können dabei alle Elemente des Protestes abgehandelt werden. Wenn einzelne Formen des Widerstandes hier also zu wenig beachtet werden sollten oder die Analyse der momentanen Situation ganz anders aussehen kann, dann bitten wir darauf zu achten, dass es sich hierbei um einen subjektiven Erfahrungsbericht handelt, der es auch Hiergeblieben ermöglichen soll, einen Blick auf das Innenleben des Widerstandes richten zu können. Natürlich fordern wir in diesem Sinne auch andere solidarische Menschen auf, von ihren Erfahrungen zu berichten, um so einen besseren Überblick über die aktuelle Situation gewinnen zu können.

Vielseitiger Widerstand

Auf dem Taksim-Platz angekommen, betreten wir über eine grosse Treppe den Park und sind erstaunt wie viele Leute hier tatsächlich seit Wochen in ihren Zelten ausharren. Neben uns strömen hunderte Menschen ins Camp oder auf den Platz. Überall hängen Fahnen und Transparente. Wir besichtigen die kollektiv gebauten Barrikaden und sind beeindruckt über die bautechnischen Meisterleistungen. Verbrannte Polizeiautos und Bulldozer versperren den Weg auf die andere Seite des Parks. Nach vorne stehende Eisenstangen bilden eine Art römische Palisade gegen möglicherweise anrückende Polizeifahrzeuge. Auf dem Camp stellen wir fest, wie viele unterschiedliche Gruppen und Ideologien im Park vertreten sind. Neben den unzähligen verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Gruppen, gibt es auf dem Platz auch etliche Zelte von feministischen, autonomen, ökologischen und pazifistischen Organisationen. Die verschiedenen Fussballvereine sind ebenfalls auf dem Platz vertreten, wobei vor allem die Ultras von Beşiktaş (Çarşı) durch ihre unzähligen Transparente im Park auffallen. Die sich ansonsten nicht nur freundlich gesinnten Fans der drei grossen Istanbuler Fussball Vereine haben sich für den Protest gegen die Regierung vereint. Es kursieren Plakate, auf welchen die drei Logos der Vereine zu einem Symbol vereint wurden und auf denen gross die Frage „Tayyip, do you know Istanbul United?“ steht. Zudem gibt es ein Zelt der türkischen Tierbefreiungsbewegung, wo veganes Essen angeboten wird. Ebenso sind LGBT-Aktivisten durch Infostände präsent. Auch die kurdische BDP ist mit einem symbolischen Zelt auf dem Platz vertreten. Auch wenn, wie einige GenossInnen auf dem Platz immer wieder erzählen und auch kritisieren, die Beteiligung der kurdischen AktivistInnen aufgrund taktischer Überlegungen bezüglich des laufenden Friedensprozesses eher gering ist. Zu Beginn der Proteste waren sogar Aktivisten der faschistischen MHP auf dem Platz, um die Proteste zu unterstützen, auch wenn sich deren Parteispitze deutlich von den Protesten distanzierte.

So konfliktlos, wie das von aussen erscheinen mag, funktioniert das Ganze dann aber doch nicht. Genossen der ESP (die Sozialistische Partei der Unterdrückten, Ezilenlerin Sosyalist Partisi) erzählen uns, wie sie im Widerstandskomitee immer wieder gegen politische Vorstössen ankämpfen müssen, welche die kurdische Widerstandsbewegung von den Protesten ausschliessen wollen. Auch wird uns erzählt, wie einzelne nationalistische Gruppierungen versuchen sich nach aussen zu profilieren, ohne dabei die Forderungen des gemeinsamen Komitees zu beachten. Beispielsweise berichtet der grösste Oppositionssender Halk TV, der immer wieder live von den Protesten sendet, über die Bewegung stets mit einem nationalistischen Gehabe. Nationalistische Protestsongs werden mit Bildern der Bewegung untermalt und Forderungen einzelner nationalistischer Parteien erhalten in der Berichterstattung mehr Gewicht als die gemeinsamen Forderungen.

Wir fragen verschiedene GenossInnen immer wieder, was denn davon zu halten sei, dass hier so viele sich wiedersprechende Ideologien vertreten sind. Ein Genosse erzählt, dass es sich hierbei vor allem um ein Zweckbündnis handelt, welches aus dem sich im Park entfaltenden Widerstand entstanden sei. Tatsächlich wird die gemeinsame Haltung des Camps über ein Widerstandskomitee, in welchem die verschiedenen vor Ort anzutreffenden Organisationen und Einzelpersonen vertreten sind, koordiniert. Hierbei steht der gemeinsame Kampf gegen die Regierung und die Aufwertung Istanbuls im Zentrum. Zudem fordern die Menschen die sofortige Freilassung aller bisher verhafteten Personen. Eine junge Aktivistin beklagt sich darüber, dass es im Camp auch unzählige nur gering politisierte Menschen gäbe, die sich immer nur dann kritisch zu Wort melden, wenn einzelne Gruppen versuchen sich auch militant gegen die Angriffe der Polizei zu wehren. Zudem gäbe es auch eine grosse Gruppe von reformistischen Organisationen, die auf den Zug des Protestes aufgesprungen seien, ohne sich aber aktiv am vielfältigen Widerstand zu beteiligen. Eine andere Genossin erklärt uns, dass das was wir hier vor uns sehen vor allem Klassenkampf sei. In diesem gibt es nur den Widerspruch von unten und oben, daher sei es auch möglich, dass hier so viele verschiedene Ideologien zusammenkommen und politische Spaltungen überwunden werden können. So sehr wir uns dieser Perspektive bewusst sind, die die verschiedenen Spaltungen endlich zu überwinden vermag, so unsicher sind wir, ob wir dieser Haltung in der theoretischen Analyse ganz zustimmen sollen. Wir glauben, dass es neben dem ökonomischen Widerspruch durchaus auch einen politischen gibt. Und mit dem Klassenkampf auf dem Platz alleine werden nicht einfach alle Unterdrückungsmechanismen, wie Rassismus oder die Herrschaftsverhältnisse bei den Geschlechtern, aufgehoben. Diese innere Unsicherheit darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie beeindruckt wir von der kämpferischen Einheit der Menschen auf dem Platz und in den Quartieren sind.

Politische Diskussionen im Gezi-Park

Die darauffolgende Zeit nutzen wir, um das Camp weiter zu inspizieren und um mit den Menschen auf dem Platz zu sprechen. Ein Genosse der ESP zieht die neue türkische Übersetzung von Davids Harvey Buch Rebel cities, wo es um die These geht, wie die Stadt als Ort des Protestes zum zentralen revolutionären Moment wird, aus seiner Tasche hervor und fragt uns, was wir davon halten. Andere möchten vor allem wissen, wie die Proteste im Ausland wahrgenommen werden. Wir erzählen, dass die Proteste in unseren Medien durchaus positiv wahrgenommen werden. Nicht aber weil die hiesigen Medien fortschrittlich wären, sondern weil sie erstens den Charakter der Proteste falsch interpretieren und zweitens auch in ihrer Ideologie eines angeblichen Kulturkampfs gefangen sind. Wenn sich also Menschen gegen eine islamische Regierung wehren, dann wird das vom reaktionären Chefredakteur der gängigen Zeitung prinzipiell mal positiv bewertet. Wir erklären aber auch, wie merkwürdig wir es empfinden, dass einerseits die grösste Zeitung des Landes ein Bild einer Steinschleuder mit der Beschriftung, dass sich die Leute mit allen Mittel wehren abdruckt, während gleichzeitig alles Militante im eigenen Land grundsätzlich abgelehnt und diffamiert wird. Schmunzelnd erzählen sie, dass dies bei ihnen nicht anders sei. Einige GenossInnen erzählen zudem, dass die Polizei in den letzten Tagen vor allem in anderen Städten, abseits der weltweiten Aufmerksamkeit, äusserst brutal gegen die Demonstrierenden vorgegangen sei. Gegen Abend zieht immer wieder eine Gruppe von Frauen Hand in Hand mit Parolen durch das Camp. Man erklärt uns, dass seien Mütter, die, nachdem Erdogan dazu aufgerufen hatte, dass die Mütter ihre Kinder vom Platz holen sollen, skandieren, dass sie stolz auf ihre Kinder seien, wenn sie hier im Camp aktiv sind. Im Camp gibt es drei Mal am Tag gratis warmes Essen, welches von Menschen gespendet wurde. Daneben gibt es Sammelstationen für gespendete Kleider, Decken und Medikamente. Wenn eine neue Lieferung eintrifft bilden die anwesenden Menschen sofort eine Transportkette um die Waren gemeinsam zu transportieren. Zudem kann man vom lokalen Strassenhändler auch Helme, Gasmasken und Schutzbrillen kaufen, was wir vorsorglich dann auch gleich tun.

Weil wir nicht nach Istanbul gekommen sind um das Ganze von aussen zu betrachten, sondern weil wir ein Teil der kämpfenden Masse sein wollen, kuscheln wir uns am Abend eng zusammengedrückt mit lokalen GenossInnen in die aufgestellten Zelte im Camp. Am nächsten Tag gibt es innerhalb des Camps immer wieder Diskussion in grösseren Gruppen darüber, welche Mittel angebracht sind, um den Platz verteidigen zu können, wie man die Bewegung weitertragen kann und wie man den Park mit einem Sieg verlassen könnte. Bei der letzten Frage zeichnet sich eine Widerspruchslinie zwischen den Einzelpersonen, den reformistischen Organisationen und den organisierten RevolutionärInnen ab. Die ersten möchten am liebsten so lange bleiben wie irgendwie möglich. Die Reformisten tendieren dazu, den Platz mit den Forderungen zu verlassen. Die meisten revolutionären Organisationen anerkennen das Problem, dass die Bewegung an Kraft verlieren kann, wenn zu lange ausgeharrt werden sollte. Gleichzeitig betonen sie aber auch, dass man dieser Regierung nicht vertrauen kann und erst dann darüber gesprochen werden kann das Camp abzubauen, wenn die Regierung einige Forderungen erfüllt hat.

Die brutale Räumung des Parks

Die Diskussionen erübrigen sich jedoch am Samstagabend. Erdogans Schergen greifen das Camp und die Leute auf dem Platz an und zerstören im Verlauf des Abends und des nächsten Tages alles, was die Menschen vom Camp nicht in Sicherheit bringen können. Nachdem das Camp verlassen werden musste, entstehen in ganz Istanbul Brennpunkte des Widerstandes. Vom rebellischen Gazi Quartier strömen Zentausende ins Zentrum. An unterschiedlichen Brücken brennen Autos als Barrikaden. Wir selbst bewegen uns mit einem Teil der Menschen in die İstiklal Strasse, eine Einkaufsmeile vergleichbar mit der Bahnhofstrasse in Zürich. Zehntausende Menschen befinden sich auf der Strasse und versuchen nach vorne zu kommen, um wieder auf den Taksim Platz zu gelangen. Die Polizei reagiert mit dem Einsatz von Wasserwerfern, äusserst starkem Tränengas und Schockgranaten. Einzelne Menschen wehren sich mit Feuerwerk und Steinschleudern gegen die immer wieder anrückende Polizei. Andere bauen Barrikaden auf die Strassen, die dann jeweils umgehend von einem Gespann an gepanzertem Polizeifahrzeugen und Wasserwerfer wieder beseitigt werden. Die meisten Menschen an diesem Ort des Widerstandes wehren sich jedoch nur mit ihrem eigenen Körper. Ohne aktiv die Polizei anzugreifen, kommen sie nach vorne und werden wieder zurück gedrängt. Sie lassen sich nicht abschrecken und auch um Morgens um 4 sind noch einige Tausend Menschen auf dieser Strasse anzutreffen, die der Polizei freiwillig keinen Meter geben. Zwischenzeitlich müssen sich die Leute in den Seitenstrassen versteckt halten, um alsbald darauf wieder auf die Strasse zu stürmen. Je länger der Abend dauert, desto mehr setzt die Polizei die Tränengaspetarden auch als Projektile ein und schiesst damit gezielt auf die Leute. Es ist ein Wunder, dass es an diesem Abend nicht noch mehr Schwerverletzte gibt.

Während des ganzen Abends sind wir nicht nur von dem Durchhaltewillen der Menschen beeindruckt, sondern auch von der Disziplin der anwesenden Menschen. Das Widerstandskomitee hat sich gegen die totale Eskalation von Seiten der AktivistInnen ausgesprochen. Dementsprechend wehrt man sich zwar gegen die Polizei, lässt aber umliegende Geschäfte und Gebäude in Ruhe. Während des ganzen Abends werden zwar Parolen an die Wände gesprüht, es geht aber keine einzige Scheibe zu Bruch. Einige Menschen putzen sogar die Plätze neben den Barrikaden, so dass die Strasse nur dort beschädigt wird, wo sie eben muss. GenossInnen erklären uns, dass sie nicht etwa Mitleid oder Respekt für die Gebäude hätten, dass sie aber der Meinung sind, dass der Aktivismus vor Ort für viele Menschen das erste Mal ist, dass sie mit solchen Protestformen in Kontakt kommen. Dementsprechend passen sie die Ebene der Militanz der Bewegung an, auch wenn sie nur allzu gerne die Polizei mit allen Mittel zurückschlagen würden.

Polizeiliche Eskalation am Sonntag

Am nächsten Tag wird für eine Demonstration auf dem Taksim-Platz aufgerufen. Doch die Polizei kennt nun kein Halten mehr. Das Hotel, welches in der Nähe des Gezi-Parks einen Teil des Gebäudes als Lazarett zur Verfügung stellt, wird durch die AKP-Schergen angegriffen. Ärzte werden verhaftet, dem Personal werden die Gasmasken von den Gesichtern gerissen. Und alles was sich im Umkreis des Platzes bewegt, wird gnadenlos mit Tränengas beschossen. Wir sehen eine Tränengasgranate, die direkt vor einem ca. 10-jährigen Mädchen explodiert. Schreiend muss sie von ihrer Familie weggetragen werden. Nicht aber, dass das die Polizei im Geringsten stören würde, sie schiessen einfach weiter in die Menge und in die Richtung von Personen, bei denen sie vermuten, dass sie in irgendeiner Form zur Protestbewegung gehören. Es geht hierbei nicht mehr darum, dass die Menschen nicht auf den Taksim-Platz strömen sollen, sondern nur noch darum alles was sich bewegt, im Keime zu ersticken. So verfolgt uns bald darauf eine Gruppe von Polizisten zusammen mit einem Militärwasserwerfer auch in die Quartierstrassen, die weit weg vom Taksim-Platz liegen. Zwischenzeitlich fliehen wir in eine für uns geöffnete Wohnung. Wir müssen die Fenster schliessen und vom Balkon wegtreten, denn man sollte sich nicht sehen lassen. GenossInnen berichten später davon, wie die Polizei auch damit begonnen hat, Leute zu verhaften, die ihre Wohnungen für Demonstranten öffneten oder bei ihnen verdächtig erscheinenden Wohnungen Tränengas durch offene Fenster geschossen hatten. Einige Zeit ist es still draussen, plötzlich jedoch erklingen Parolen. Für einmal nicht von AktivistInnen, sondern von derjenigen Polizeieinheit, die kurz zuvor noch die Leute durchs Quartier gejagt hat. Sie skandieren ihre Liebe zum Vaterland und marschieren so schreiend zurück zu ihrem Ausgangspunkt, wo das Spiel wieder von vorne beginnt. Im Verlaufe des Tages werden hunderte Menschen festgenommen, misshandelt und verprügelt. In klassischer faschistischer Manier werden Leute weggebracht, ohne dass die Angehörigen oder Anwälte wüssten, wo sich all die Gefangenen gerade befinden.

Widerstand trotz Repression

Wir gehen durch die verschiedenen Quartiere und werden so auch Zeugen des vielfältigen Widerstandes. Auf den Strassen bewegen sich zehntausende Menschen, die ihre Helme und Gasmasken an ihren Gürtel befestigt haben und gemeinsam Barrikaden bauen. Aus den Häusern erklingt tausendfach der Klang von Schlägen auf Pfannen und anderen Kochinstrumenten. An den grossen Strassen stehen die Fussballfans mit ihren Fahnen und agitieren die vorbeifahrenden Autos und Busse. Immer wieder fahren hupende Autos an uns vorüber, die so ihre Solidarität mit den Protestierenden zum Ausdruck bringen. Die Polizei kann nicht überall gleichzeitig sein und lässt so ihre Angriffe für einmal sein. Doch wir hören auch von faschistischen Schlägertrupps, die mit Messer und Knüppel bewaffnet Angriffe auf Demonstranten und Büros einzelner oppositioneller Organisationen unternehmen. Als wir sehen, dass die Menschen langsam in ihre Wohnungen zurückgehen, kehren wir ebenfalls zurück und beginnen das Gesehene zu reflektieren. Die meisten GenossInnen, mit denen wir gesprochen haben, sind sich darin einig, dass diese Bewegung erst der Anfang ist. Die Situation sei noch nicht bereit, dass die Regierung gestürzt werden könnte. Die Erfahrungen aber werden weitergegeben und für die kommenden Jahre enorm wichtig sein. Wer sich bis in die tiefen Morgenstunden von Tränengas beschiessen lässt, wird sich das nicht noch einmal bieten lassen und sich in der Zukunft zu Wehr setzen. Wer sieht, wie die Polizei Hand in Hand mit faschistischen Schlägertrupps Leute zusammenschlägt, wird auch in den kommenden Monaten auf die Strasse gehen. Die Proteste werden weitergehen und irgendwann wird nicht nur Erdogan, sondern auch der ganze repressive Staatsapparat gestürzt werden.

Wir nehmen eine der vielen regierungstreuen Zeitungen in die Hand uns lesen darin, wie seit Wochen immer wieder wiederholt, dass sich die polizeilichen Angriffe nur auf marginale Gruppen beschränken und die Menschen vom Gezi-Park eigentlich alles Terroristen seien. Auch eine Prise Sexismus darf nicht fehlen. So lässt Erdogan verlauten, dass im Park mehr Kondome als Zelte gefunden worden seien. Während die Regierung und deren Medien auf der einen Seite mit lügnerischen Hetzkampagnen gegen die AktivistInnen wettern, werden oppositionelle Medien mit hohen Geldstrafen bestraft. Die GenossInnen in Istanbul machten uns wieder darauf aufmerksam, dass die Angriffe und die Brutalität der Polizei für sie nichts Neues sei. In der Türkei hocken tausende linke AktivistInnen in den Knästen. Kein anderes Land hat dermassen viele nach sogenannten Terrorismus-Artikel verurteile Gefangene. Doch die jetzigen Übergriffe haben auch Menschen getroffen, die bisher von solchen Angriffen verschont wurden. Es ist zu hoffen, dass nun auch bei denen ein Umdenken stattfindet. Dass sich nun nicht mehr nur linke Gruppen, sondern auch Gewerkschaften, Fussballfans und einfache Menschen in ihren Parolen immer wieder gegen den Faschismus (die Parole „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“ ist eine der am meisten gerufenen Parolen) und die Regierung aussprechen ist ein gutes Zeichen hierfür.

Hoffentlich vermögen es die GenossInnen vor Ort die Proteste weiterzuziehen und sich aktiv gegen die Angriffe der Regierung zu wehren, um dann selbst zum Angriff überzugehen. Internationale Solidarität muss mehr sein als nur eine leere Phrase. Überall ist Taksim, überall ist Widerstand.

 

Ps: Viele GenossInnen im Park sagten uns immer wieder, dass sie davon ausgehen, dass die Regierung bald zum Gegenschlag ausholen würde. Ein solcher fand am heutigen Tag statt, als 100 AktivistInnen, vor allem von der ESP, teilweise aber auch von anderen Organisationen, verhaftet wurden und die Büros eines dazugehörigen Radiosenders, einer Wochenzeitung und einer fortschrittlichen Internet Newsagentur (https://www.etha.com.tr/) durchsucht wurden. Solidarität mit den Betroffenen!

PPS: Ein der im Gezi-Park ausgearbeiteten Forderungen ist auch das Verbot vom Einsatz von Tränengas. Etwas also, was die hiesigen Medien auch gerne mal aufgreifen dürften…