Solidarität mit Herrira und den baskischen politischen Gefangenen

Liebe Genossinnen und Genossen,

Die Verhaftung von 18 Personen, die sich in der Organisation Herrira für eine Rückkehr der baskischen Gefangenen in ihre Heimat einsetzt, ist ein weiterer harter Schlag des spanischen Staates gegen die baskische Befreiungsbewegung. Die darauf folgenden Reaktionen – Streiks und eine riesige Demonstration – zeigen auf, wie tief die Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Bevölkerung verwurzelt ist. Ebenfalls wird dadurch klar, dass die Angriffe durch den spanischen Staat die Befreiungsbewegung nicht zerschlagen können, auch wenn einzelne Teile davon angegriffen werden. Wir drücken euch mit diesem Schreiben unsere Solidarität aus im Kampf gegen die Inhaftierungen und gegen Haftbedingungen, die in Westeuropa ihresgleichen suchen.

Stopp dem staatlichen Terror gegen die baskische Befreiungsbewegung!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Revolutionärer Aufbau Schweiz

Queridas Compañeras y Compañeros,

La detención de 18 personas, comprometidas en la organización Herrira por el derecho de los prisioneros y las prisioneras bascas al retorno a sus lugares de origen, es un duro golpe del estado español al movimiento vasco de liberación. Las reacciones que siguieron – huelgas y una enorme manifestación – demuestran el profundo arraigo de la solidariedad dentro de la población con las prisioneras y prisioneros políticos. Con esto también ha quedado claro que con sus agresiones el estado es incapaz de quebrantar el movimiento de liberación, aun con ataques uno por uno contra las diferentes organizaciones que lo componen.

Con este mensaje queremos expresaros nuestra solidariedad en la lucha contra detenciones y condiciones carcelarias con un carácter singular e incomparable en Europa Occidental.

Detengamos el terror estatal contra el movimiento vasco de liberación!
Libertad para todos los presos políticos!

 

Revolutionärer Aufbau Schweiz

 

 

 

Hintergrund

Razzia gegen Solidarität

Spanische Guardia Civil stürmt Büros der baskischen Gefangenenhilfsorganisation Herrira. Mitarbeiter inhaftiert, Konten gesperrt, Internetseiten geschlossen

In mehreren Städten des Baskenlandes hat die spanische paramilitärische Guardia Civil am Montag Einrichtungen der Gefangenenhilfsorganisation Herrira (»Nach Hause«) besetzt und geschlossen. Antiterroreinheiten drangen in Bilbo (Bilbao), Iruña (Pamplona), Hernani, Andoain und Gasteiz (Vitoria) in die Büros der parteiübergreifenden Massenorganisation ein. Dabei stürmten die Zivilgardisten in Bilbo zunächst irrtümlich die im selben Haus ein Stockwerk tiefer gelegene Geschäftsstelle der sozialdemokratischen Partei Eusko Alkartasuna (EA). Diese hängte daraufhin ein Transparent aus ihrem Fenster: »Alde hemendik« – »Haut ab!«

In den Büros der Herrira nahm die Guardia Civil mehr als ein Dutzend Mitarbeiter der Organisation fest und beschlagnahmte Material. Das spanische Innenministerium sprach anschließend von 18 Personen, die sich in Gewahrsam befänden. Ihnen wird »Verherrlichung des Terrorismus«, »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« sowie deren Finanzierung vorgeworfen. Sämtliche Büros wurden verplombt. Zudem wurden insgesamt mehr als 150 Accounts bei den Internetdiensten Twitter und Facebook sowie 38 Internetseiten gesperrt. Auch alle Bankkonten der Organisation wurden eingefroren.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Razzia gegen Herrira protestierten Hunderte Menschen spontan gegen die Polizeiaktion. Am Montag abend sollten in verschiedenen baskischen Städten Protestkundgebungen stattfinden, einige davon im französischen Teil des Baskenlandes. Die Abgeordneten des Linksbündnisses EH Bildu beteiligten sich an den Protestaktionen. Ihre Fraktion kündigte zudem eine »geschlossene Antwort des baskischen Volkes« auf diese Provokation an, die ein Angriff des spanischen Staates auf den eingeleiteten Friedensprozeß sei. Der Sprecher der Abgeordneten von EH Bildu im baskischen Parlament, Julen Arzuagas, bewertete die vom spanischen Sondergerichtshof für Terror- und Drogendelikte (Audiencia Nacional) in Madrid angeordnete Aktion als Zeichen dafür, daß die immer größer werdende Volksbewegung für die Rechte der politischen Gefangenen kriminalisiert und später verboten werden soll. Die von der christdemokratischen PNV geführten Regierungen der drei baskischen Provinzen Araba, Bizkaia und Gipuzkoa verurteilten die Razzia als Schritt zurück in die Vergangenheit.

Herrira hatte sich nach Beginn des baskischen Friedensprozesses und dem von der Untergrundorganisation ETA im Herbst 2010 verkündeten Waffenstillstand als breite Volksbewegung gegründet. Jährlich bringt sie Anfang Januar Hunderttausende Menschen in Bilbo zu Großdemonstrationen für die Rückführung der politischen Gefangenen in ihre baskische Heimat auf die Straße.

In den vergangenen Jahren hatten die spanischen Behörden zahlreiche Organisationen und Medien der baskischen Unabhängigkeitsbewegung verboten. Hunderte Menschen sitzen noch immer im Gefängnis, oft Hunderte Kilometer von ihren Heimatorten entfernt, was Verwandtenbesuche erschwert. Im Gegensatz dazu hat es die in Madrid regierende postfranquistische Volkspartei (PP) nicht eilig, neofaschistische Parteien wie Falange oder Democracia Nacional zu verbieten. Ungehindert kann die DN so auf ihrer Homepage zur Ermordung führender Politiker aufrufen. Auch der Überfall von Neonazis auf die katalanische Landesvertretung in Madrid am 11. September blieb bislang praktisch folgenlos.

 

Junge Welt vom 1.10.2013

Spaniens Regierung verweigert Friedensdialog

Zehntausende Basken demonstrieren gegen Razzien, Verhaftungen und Verbot. Mit dem Marsch wurde für Frieden, für die Freiheit der baskischen Gefangenen und gegen neue Repressionsmaßnahmen demonstriert

Auch Regen hielt mehr als 65.000 Basken am späten Samstag nicht davon ab, sich durch die Straßen Bilbaos zu drängen. Eine blaue Flut demonstrierte gegen Razzien und Verhaftungen, die das spanische Sondergericht Audiencia Nacional angeordnet hatte. 18 Mitglieder der Gefangenenhilfsorganisation Herrira (Nach Hause/ http://herrira.org) waren vergangenen Montag verhaftet worden. “Tropfen für Tropfen eine Flut für die Rechte politischer Gefangener und Flüchtlinge”, lautete das Motto des Protests.

Hinter dem Fronttransparent wurden unzählige Plakate mit blauen Tropfen in die Höhe gehalten.(Foto) Darin war das Logo von Herrira abgebildet: zwei Pfeile zielen aus Spanien und Frankreich auf das Baskenland. So wird die Forderung gestellt, alle baskischen Gefangenen in ihre Heimat zu verlegen.

Der Ermittlungsrichter Eloy Velasco hatte die Durchsuchung der Herrira-Büros im spanischen Landesteil angeordnet und wie üblich wurden sie von der bewaffneten paramilitärischen Guardia Civil gestürmt. (Bericht (ES)) Er wirft den verhafteten Frauen und Männer “Mitgliedschaft” in der Untergrundorganisation ETA und “Verherrlichung des Terrorismus” vor. Erstmals wurden aber bei einer solchen Aktion die Verhafteten nicht in die Kontaktsperre nach dem Anti-Terror-Gesetz genommen, in der sie keinen Kontakt zu ihrem Anwalt oder Angehörigen haben und es immer wieder zu Folter kommt. (Bericht)

Die Verhafteten kamen alle längst wieder frei. Vier mussten eine vergleichsweise niedrige Kaution von 20.000 Euro hinterlegen.Der Herrira-Anwalt Aiert Larrarte wirft aber Velasco vor, mit der vorläufigen Schließung der Büros, der Sperrung von Konten und Webseiten Herrira “faktisch” zu verbieten, um die “Solidarität mit politischen Gefangenen zu kriminalisieren”. (Bericht (ES)) Dies geschehe im Dienst der Regierung, meinen auch baskische Parteien und Gewerkschaften, die auch zur Demonstration aufriefen. Innenminister Jorge Fernández Díaz hatte Herrira als “Fangarm der ETA” und “Nachfolger” verbotener Organisationen bezeichnet. (Bericht (ES)) Solche Vorwürfe sind alt. Seit 1997 wurden darüber viele Organisationen, Parteien und Kommunikationsmedien in Spanien verboten, die alle in Frankreich weiter legal sind. Oft waren sie unhaltbar, zum Beispiel wurden alle Zeitungsschließungen von spanischen Gerichten als illegal und verfassungswidrig erklärt.(Bericht) Allerdings erst Jahre später.

Deshalb erklärte der Chef der großen Gewerkschaft ELA, die regierende rechte Volkspartei (PP) versuche mit der Aktion vom wirtschaftlichen Desaster, das nun sogar Hungertote produziert (Bericht), der unsozialen Kürzungspolitik und von Korruptionsskandalen abzulenken. “Die PP ist zu allerhand fähig und benutzt dazu auch die Justiz”, sagte Txiki Muñoz in Bilbao. Verwiesen wurde auch darauf, dass die ETA schon vor zwei Jahren ihren Kampf eingestellt hat.

“In dieser neuen Zeit fordern wir nicht nur, dass die Rechte der Gefangenen eingehalten werden”, wiesen die Journalistin Maite Bidarte und der Schauspieler Carlos Olalla für die Veranstalter darauf hin, dass weiterhin das Strafrecht verletzt werde, weil es eine heimatnahe Strafverbüßung vorsieht. Die Gefangenen die der mehr als 50 Jahre alte bewaffnete Konflikts hervorgebracht hat, sind bis auf wenige Ausnahmen weit entfernt inhaftiert. “Weil wir einen gerechten Frieden verteidigen, die Wunden schließen und eine neue Etappe des Zusammenlebens öffnen wollen, müssen die Gefangenen und Flüchtlinge nach Hause kommen”, sagten die Sprecher.

Den Sprecher der baskischen Regierung erinnert die Kriminalisierung an längst überwundene Zeiten, Josu Erkoreka forderte Spanien eine “Politik des Friedens”. Der Chef der Baskischen Solidaritätspartei (EA) meinte auf der Demonstration, derlei Angriffe seien eine übliche Reaktion von Spanien auf einseitige Schritte zu einer Friedenslösung. “Der spanische Staat ist einem Frieden nicht interessiert”, sagte Pello Urizar. So wird vermutet, die ETA solle provoziert werden, damit es zu Abspaltungen kommt, wie es sie im Friedensprozess in Nordirland von der IRA gab, die den bewaffneten Kampf fortsetzen.

Hinter vorgehaltener Hand vermuten Politiker, die Vorgänge hingen direkt damit zusammen, dass im Rahmen einer Friedenskonferenz am kommenden Wochenende in Donostia-San Sebastian (Bericht (ES)) weitere einseitige Schritte von der ETA erwartet werden. Gehofft wird, dass die internationale Prüfungskommission bestätigt, dass sie mit der Entwaffnung begonnen hat, um ihren Friedenswillen zu bekräftigen. (Bericht) Vor zwei Jahren hatte die ETA ihr Ende erklärt, nachdem das auch die linke Unabhängigkeitsbewegung von ihr auf einer Friedenskonferenz im Beisein des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan und Friedensnobelpreisträgern gefordert hatte. (Bericht) Spanien und Frankreich verweigern sich aber weiter der Forderung des ausgearbeiteten Friedensplans, mit der ETA über die Abgabe der Waffen und die Konfliktfolgen zu sprechen.

Die große Zeitung El País (Bericht (ES)) spekuliert, die Regierung könnte ein Verbot der neuen Linkspartei Sortu vorbereiten. In ihr hat sich die baskische Linke nach Verbotsjahren gesammelt. (Bericht) Das Verfassungsgericht hatte ihr Verbot im Frühjahr gekippt, weil sich die Partei eindeutig von der Gewalt distanzierte. (Bericht) Sortu gehört dem Bündnis EH Bildu an, die zweitstärkste Kraft im Baskenland. Der Sortu-Sprecher Pernando Barrena spricht von einem “totalitären Verhalten”, weil die spanische Regierung, Ideen verbiete. “Dem Faschismus ist entsprechend auf den Straßen Bilbaos von einer baskischen Gesellschaft entgegengetreten worden, die Frieden will”, sagte Barrena angesichts einer Regierungspartei, die sich bisher nicht von der Franco-Diktatur distanziert hat und nichts zur Aufklärung der Verbrechen tut. (Bericht)

 

www.info-baskenland.de, 6.10.2013

Communiqué zur Demo in Bern am 3.10.2013