Bagatelle im politischen Kontext?

Mutmassliche Tagger kassieren nach U-Haft Antrag für Verurteilung wegen Sachbeschädigung

 

(aufbau) Mit den heruntergelassenen Storen wurde der Gerichtssaal abgedunkelt. Draussen versammelten sich Solidarische, Polizeibeamte standen schützend um das massive Gebäude in Zürich herum. Die zwei Angeklagten im anschliessenden Prozess machten zwar keine Aussagen zur Sache, trugen aber ein Plädoyer vor: „Der eigentliche Tatvorwurf ist eine Bagatelle. Erst wenn man das Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Kontext des 1. Mai sieht wird klar, dass ihr Handeln politisch motiviert ist.“

Wie kam es zu diesem Prozess am 11. Dezember 2013? Am 22. April im letzten Jahr nahm die Zürcher Polizei drei junge Männer zwischen 19 und 21 Jahren fest. Ihnen wurde vorgeworfen mit Filzstift die Schriftzüge „RJZ“ und „alle an den 1. Mai“ im öffentlichen Raum angebracht haben. Nach mehreren Einvernahmen kamen die drei Männer 12 Tage in Untersuchungshaft: erst nach dem 1. Mai entliess man sie. In einem Communiqué kritisierte die RJZ Zürich den „politischen Charakter“ dieser Massnahme. RJZ bedeutet Revolutionäre Jugend Zürich und ist das Jugendplenum des Revolutionären Aufbau Zürich (RAZ). Im Rahmen einer breit getragenen Soli-Kampagne wurde als Antwort zig-fach „RJZ“ im öffentlichen Raum getaggt, ein Film dazu gemacht und auf Plattformen wie Youtube hochgeladen – als Zeichen gegen die „Klassenjustiz“. Oder eine Umkehrung der „broken windows“ Theorie: Wenn jemand verhindert wird, Wände zu beschriften, führt das dazu, dass massiv mehr Wände beschriftet werden.

Eine Sprecherin der Zürcher Staatsanwaltschaft bestritt den von der RJZ gemachten Vorwurf des politisch motivierten Handelns der Justiz: „Der Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft stand in keinem Zusammenhang mit irgendwelchen politischen Parolen oder Hintergründen“. Mit den 12 Tagen Haft sollte verhindert werden, dass sich die mutmasslichen Tagger in Freiheit absprechen können. Die drei Angeklagten haben aber die Aussage verweigert: so kam es fast ein halbes Jahr später zu einem Prozess, weil der Sachverhalt nicht ausreichend geklärt war. Nach der RJZ kommt es in solchen Fällen normalerweise lediglich zu einem Strafbefehl und einer Busse. (Die Verteidiger haben den Strafantrag angefochten, weil die Anzeigen, die gemacht wurden (Sachbeschädigung muss angezeigt werden) nicht von den richtigen Personen unterschrieben waren. Das Gericht lehnte die Anfechtung aber ab.) Das endgültige Urteil bezüglich Antrag für Verurteilung wegen mehrfacher Sachbeschädigung wird später in schriftlicher Form eröffnet. Der Prozess des dritten Angeklagten findet zu einem anderen Zeitpunkt in Bern statt.

Frau Reusser von den Demokratische JuristInnen Schweiz DJS erklärt dazu:“ Straftatbestand Sachbeschädigung Art. 144 StGB kann mit einer Geldstrafe oder im Extremfall mit einer Freiheitsstrafe  geahndet werden“. Noch am Strafprozess gegen die Aktivistin Andrea Stauffacher in Bellinzona 2011 forderte der Staatsanwalt ein hohes Strafmass, um politische Jugendliche wie die Revolutionäre Jugend Zürich abzuschrecken. Ob dies funktioniert und wie hoch das Urteil der Angeklagten ausfällt wird sich zeigen. Die Rote Hilfe Schweiz meint dazu: „Der von unserer Seite offensiv geführte Prozess zeigt nur zu gut, dass das Ansinnen des Bundesstaatsanwalt Stadlers ins Leere zielt.“