aufbau 79: Das Fachwort dafür heisst Imperialismus

TISA Frei­heit des Ka­pi­tals ist die Knecht­schaft der Mensch­heit. Mit TiSA und TTIP sol­len zur­zeit meh­re­re in­ter­na­tio­na­le Ab­kom­men gleich­zei­tig durch­ge­setzt wer­den. Das Ziel von TiSA ist die Pri­va­ti­sie­rung.

(az) TiSA (Trade in Ser­vices Agree­ment) heisst so viel wie „Ab­kom­men über den Han­del mit Dienst­leis­tun­gen“. Das ist zwar ein wei­ter Be­griff, der Dienst­leis­tungs­sek­tor ist rie­sig, aber was in­ter­es­siert, ist schnell um­ris­sen: Höchs­te Prio­ri­tät hat die Pri­va­ti­sie­rung staat­li­cher Be­trie­be und die Ver­hin­de­rung einer even­tu­el­len Rück­über­nah­me durch die öf­fent­li­che Hand. Li­be­ral for­mu­liert heisst das, es solle zu­künf­tig ver­hin­dert wer­den, dass ge­wis­se In­sti­tu­tio­nen von Staa­tes wegen be­vor­zugt wer­den, denn das stel­le eine Dis­kri­mi­nie­rung und Markt­ver­zer­rung dar. Soll­te der Staat z.B. die Volks­schu­le un­ter­stüt­zen wol­len, dann müss­te er die pri­va­te Schu­le glei­cher­mas­sen un­ter­stüt­zen, oder aber keine von bei­den. Denn er darf den pri­va­ten An­bie­ter ja nicht „dis­kri­mi­nie­ren“. Wes­halb das für pri­va­te An­bie­ter in­ter­es­sant ist, liegt auf der Hand: Man hat ja nichts gegen Sub­ven­tio­nen, wenn sie in die „rich­ti­ge“ Rich­tung flies­sen.

Nun darf der Staat aber die Volks­schu­le zu­nächst von der Li­be­ra­li­sie­rung aus­neh­men. TiSA sieht eine so ge­nann­te „Ne­ga­tiv­lis­te“ vor, auf wel­cher Staa­ten jene In­sti­tu­tio­nen ein­tra­gen kön­nen, die sie vor­erst nicht pri­va­ti­sie­ren wol­len. Aber wie al­lei­ne das Wort „ne­ga­tiv“ nahe legt, ist das er­klär­te Ziel, frü­her oder spä­ter keine staat­li­chen Be­trie­be mehr zu­zu­las­sen. Wür­den also den­noch erste Li­be­ra­li­sie­rungs­schrit­te ge­macht, dann würde der Schutz fal­len. Dafür will TiSA eine so ge­nann­te Still­hal­te­klau­sel ein­füh­ren. Diese schreibt vor, dass das er­reich­te Ni­veau der Li­be­ra­li­sie­rung ge­hal­ten wer­den müsse. Immer vor­wärts, nie zu­rück! Und zu­sätz­lich sieht TiSA eine Rat­chet-Klau­sel vor, wel­che be­inhal­tet, dass alle Än­de­run­gen des le­gis­la­ti­ven Rah­mens „zu mehr, je­doch kei­nes­falls zu we­ni­ger Ver­trags­kon­for­mi­tät füh­ren müs­sen“.

Pri­va­ti­sie­rung auf der Über­hol­spur

Markt­ver­zer­rung – das wird nicht nur jenen Men­schen, die Le­nins „Im­pe­ria­lis­mus als höchs­tes Sta­di­um des Ka­pi­ta­lis­mus“ ge­le­sen haben, klar sein – ist in Tat und Wahr­heit an an­de­rer Stel­le zu su­chen. Die ka­pi­ta­lis­ti­sche Ent­wick­lung hat dazu ge­führt, dass ei­ni­ge Be­trie­be weit­aus stär­ker sind als an­de­re. Es han­delt sich dabei um eine Ten­denz zur Mo­no­pol­bil­dung und diese ist ein kon­sti­tu­ti­ves Merk­mal des Im­pe­ria­lis­mus. Und es sind kla­rer­wei­se diese Be­trie­be, die von der Ent­wick­lung pro­fi­tie­ren wür­den, des­halb stre­ben sie sie ja auch an. Staat­li­che Mo­nop­le sind hin­ge­gen eine Sel­ten­heit ge­wor­den. Neh­men wir bei­spiels­wei­se den En­er­gie­sek­tor. Zü­rich hat schon über die Pri­va­ti­sie­rung des EWZ ab­ge­stimmt und diese ab­ge­lehnt, das würde mit TiSA un­wei­ger­lich hin­fäl­lig. Wird der En­er­gie­sek­tor nun aber voll­stän­dig der Pri­vat­wirt­schaft über­las­sen, dann wird diese den un­ren­ta­blen Re­gio­nen schon bald ein­mal den Strom ab­stel­len. Das wie­der­um würde eine In­ter­ven­ti­on des Staa­tes er­zwin­gen und – das ist das wun­der­sa­me an TiSA, soll­te es sich durch­set­zen – den Staat dazu zwin­gen, nicht nur die elek­trisch brach­lie­gen­de Rand­re­gi­on zu sub­ven­tio­nie­ren, son­dern auch das äus­serst pro­fi­ta­ble Bal­lungs­zen­trum. Denn wie ge­sagt: Kein Be­trieb darf „dis­kri­mi­niert“ wer­den.

MAI re­loa­ded

TiSA ist nichts an­de­res als eine Neu­auf­la­ge der MAI-Ver­hand­lun­gen, die ih­rer­seits eine Ver­schär­fung des GATS-Ab­kom­mens waren. Die Ver­schär­fun­gen wur­den im Rah­men der WTO und damit unter Be­tei­li­gung zu vie­ler Län­der de­bat­tiert. Das brach ihnen das Ge­nick. Auch dass die OECD über­nahm, konn­te sie nicht ret­ten. TiSA wird des­halb im klei­ne­ren Rah­men, unter ver­ein­fach­ten Vor­be­din­gun­gen dis­ku­tiert.

Die An­ti­glo­ba­li­sie­rungs­be­we­gung re­bel­lier­te welt­weit, Se­at­tle 1999 wurde zu einem wirk­sa­men und kräf­ti­gen Sym­bol einer Mas­sen­be­we­gung. In den Me­tro­po­len so­li­da­ri­sier­ten sich Lohn­ab­hän­gi­ge und Ar­beits­lo­se bei­spiels­wei­se mit den ver­arm­ten Klein­bäue­rIn­nen in In­di­en, in­ter­na­tio­na­le So­li­da­ri­tät war eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, die öf­fent­li­che Auf­merk­sam­keit ex­trem hoch. Und so trug der Wi­der­stand dazu bei, dass eine WTO-Run­de nach der an­de­ren schei­ter­te. Doch war es nicht aus­schliess­lich der Wi­der­stand, der die Ver­hand­lun­gen ver­un­mög­lich­te, wir dür­fen dies­be­züg­lich nicht ro­man­ti­sie­ren. Ent­schei­dend war bei­spiels­wei­se auch, dass in­ner­halb der WTO die so ge­nann­ten BRIC-Staa­ten nicht mit­spiel­ten. Bra­si­li­en, Russ­land, In­di­en und China sind Play­er, die noch nicht stark genug sind, ihre In­ter­es­sen durch­zu­set­zen, doch las­sen sie sich auch nicht kampf­los un­ter­but­tern. Und ihre In­ter­es­sen un­ter­schei­den sich lo­gi­scher­wei­se von jenen, der ge­setz­ten, im­pe­ria­lis­ti­schen Mäch­te. Letz­te­re be­ab­sich­ti­gen die Ab­si­che­rung ihrer Vor­herr­schaft durch die WTO, was allen an­de­ren, öko­no­misch schwä­che­ren Volks­wirt­schaf­ten, zum Nach­teil ge­rei­chen muss. Die „auf­stre­ben­den“ BRIC-Staa­ten ste­hen in Kon­kur­renz zu den im­pe­ria­lis­ti­schen Staa­ten, sie wol­len deren Vor­herr­schaft schwä­chen und die ei­ge­ne aus­bau­en, des­halb tor­pe­die­ren sie die Pläne der Im­pe­ria­lis­ten so gut sie kön­nen.

In der Zwi­schen­zeit sind die Türme des World Trade Cen­ters zu­sam­men­ge­bro­chen und in der Folge be­schäf­ti­gen im­pe­ria­lis­ti­sche Krie­ge die Welt (in­klu­si­ve den lin­ken Wi­der­stand) mehr als Frei­han­dels­ab­kom­men. Das ist kein Feh­ler. Aber es darf nicht in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten, dass die im­pe­ria­lis­ti­schen Ak­teu­re immer das lang­fris­ti­ge Ziel öko­no­mi­scher Vor­herr­schaft an­treibt, manch­mal grei­fen sie dafür zu mi­li­tä­ri­scher In­ter­ven­ti­on, manch­mal zwingt der IWF zur Durch­set­zung der In­ter­es­sen, oder aber die In­ter­es­sen wer­den niit­tels Frei­han­dels­ab­kom­men durch­ge­setzt. Krie­ge haben zudem für das Ka­pi­tal den nütz­li­chen Ne­ben­ef­fekt, von in­nen­po­li­ti­schen Kri­sen ab­zu­len­ken. Der Zeit­punkt für einen er­neu­ten Frei­han­dels-An­griff war also güns­tig. In­ner­halb der WTO hat sich 2012 eine Un­ter­grup­pe ge­bil­det, die sich „Re­al­ly Good Fri­ends of Ser­vices“ nennt und ent­schie­den hat, die­sen An­griff mit TiSA zu star­ten.

Wirk­lich gute Freun­de der Dienst­leis­tun­gen

Diese wirk­lich guten Freun­de tref­fen sich je­weils in Genf in der aus­tra­li­schen Bot­schaft. Ihre Grup­pe be­schränkt sich auf eine über­schau­ba­re­re An­zahl Be­tei­lig­ter, die eine ähn­li­che­re In­ter­es­sens­grund­la­ge haben könn­te als die ganze WTO. Neben der USA und der EU sind die Schweiz, Is­ra­el, Japan, Ca­na­da, Aus­tra­li­en und an­de­re in die lau­fen­den Ti­SA-Ver­hand­lun­gen in­vol­viert. Total sind es 23 Staa­ten, wobei die 28 EU-Staa­ten als einer zäh­len. Durch die Re­di­men­sio­nie­rung der Grup­pe von be­tei­lig­ten Staa­ten, ins­be­son­de­re durch die Nicht-Be­tei­li­gung der BRIC-Staa­ten, er­hof­fen sich die Ak­teu­re die Mög­lich­keit, doch noch zu einem Frei­han­dels­ab­kom­men zu ge­lan­gen, und hät­ten die bei­den gros­sen Mäch­te USA und EU ein sol­ches ra­ti­fi­ziert, dann wären Tat­sa­chen ge­schaf­fen, die die rest­li­che Welt unter Zug­zwang set­zen wür­den.

Aber auch in die­ser Grup­pe ist von gros­ser Kon­kur­renz und des­halb von schar­fen Wi­der­sprü­chen aus­zu­ge­hen, ins­be­son­de­re zwi­schen der EU und den USA. Ideo­lo­gisch wol­len sie das Glei­che. Zwei­fels­frei kön­nen wir von einem kon­so­li­dier­ten und ge­ein­ten Wil­len, die Ar­bei­te­rIn­nen unter op­ti­mier­ten Be­din­gun­gen aus­zu­beu­ten sowie die staat­li­chen Be­trie­be zu pri­va­ti­sie­ren aus­ge­hen.

Darin ist sich die Bour­geoi­sie aller Län­der einig. Un­ei­nig wird man sich in an­de­ren Fra­gen sein, doch so genau lässt es sich nicht sagen, denn die Ver­hand­lun­gen sind ge­heim. Ent­spre­chend ist es tat­säch­lich so, dass wir nichts er­fah­ren, aus­ser dass sich die Ver­hand­lun­gen hin­zie­hen, ob­wohl sie längst be­en­det sein soll­ten. Das ist al­ler­dings nicht nur ver­wun­der­lich, denn die In­ter­es­sen der ver­schie­de­nen Ver­hand­lungs-De­le­gier­ten sind trotz der Ge­heim­hal­tung eben nicht ge­heim, son­dern wohl­be­kannt. Haupt­pro­fi­teu­re der Ent­wick­lung wären die gröss­ten mul­ti­na­tio­na­len Be­trie­be, die für sich un­ein­ge­schränk­ten Zu­gang zu allen Volks­wirt­schaf­ten for­dern, der Kon­kur­renz die­sen Zu­gang aber kei­nes­wegs ge­wäh­ren möch­ten. Wagen wir also die These: Es ist durch­aus mög­lich, dass die Ti­SA-Ver­hand­lun­gen schei­tern wer­den, al­ler­dings – und das ist der trau­ri­ge Teil davon – nicht am lin­ken Wi­der­stand, son­dern an den in­ner-im­pe­ria­lis­ti­schen Wi­der­sprü­chen. Das ist aber noch lange kein Grund auf­zu­at­men und be­ru­higt zu­rück­zu­leh­nen. Ob TiSA ra­ti­fi­ziert wird oder nicht, es han­delt sich um einen ge­plan­ten An­griff gegen So­zi­al­wer­ke, gegen un­se­re Le­bens­grund­la­gen und die Lohn- und Ar­beits­be­din­gun­gen, mit dem ein­zi­gen Ziel der Pro­fit­ma­xi­mie­rung der Kon­zer­ne. Die Schwei­zer Re­gie­rung war nicht ge­zwun­gen, sich an den Ver­hand­lun­gen zu be­tei­li­gen, sie tut es aus Über­zeu­gung, sie will die Pri­va­ti­sie­rung för­dern. Was sie aber fürch­tet, ist, dass das US-Ka­pi­tal statt des Schwei­zer Ka­pi­tals davon pro­fi­tie­ren könn­te. Die­ser An­griff läuft des­halb auch wei­ter, wenn TiSA ab­ge­lehnt wer­den soll­te. Li­be­ra­li­sie­rung ist die Ta­ges­for­de­rung der Bour­geoi­sie. So­fern der Wi­der­stand von unten gegen Li­be­ra­li­sie­rung und De­re­gu­lie­rung nicht wie­der ge­stärkt wird, wer­den die auch durch­ge­setzt.