TISA Freiheit des Kapitals ist die Knechtschaft der Menschheit. Mit TiSA und TTIP sollen zurzeit mehrere internationale Abkommen gleichzeitig durchgesetzt werden. Das Ziel von TiSA ist die Privatisierung.
(az) TiSA (Trade in Services Agreement) heisst so viel wie „Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“. Das ist zwar ein weiter Begriff, der Dienstleistungssektor ist riesig, aber was interessiert, ist schnell umrissen: Höchste Priorität hat die Privatisierung staatlicher Betriebe und die Verhinderung einer eventuellen Rückübernahme durch die öffentliche Hand. Liberal formuliert heisst das, es solle zukünftig verhindert werden, dass gewisse Institutionen von Staates wegen bevorzugt werden, denn das stelle eine Diskriminierung und Marktverzerrung dar. Sollte der Staat z.B. die Volksschule unterstützen wollen, dann müsste er die private Schule gleichermassen unterstützen, oder aber keine von beiden. Denn er darf den privaten Anbieter ja nicht „diskriminieren“. Weshalb das für private Anbieter interessant ist, liegt auf der Hand: Man hat ja nichts gegen Subventionen, wenn sie in die „richtige“ Richtung fliessen.
Nun darf der Staat aber die Volksschule zunächst von der Liberalisierung ausnehmen. TiSA sieht eine so genannte „Negativliste“ vor, auf welcher Staaten jene Institutionen eintragen können, die sie vorerst nicht privatisieren wollen. Aber wie alleine das Wort „negativ“ nahe legt, ist das erklärte Ziel, früher oder später keine staatlichen Betriebe mehr zuzulassen. Würden also dennoch erste Liberalisierungsschritte gemacht, dann würde der Schutz fallen. Dafür will TiSA eine so genannte Stillhalteklausel einführen. Diese schreibt vor, dass das erreichte Niveau der Liberalisierung gehalten werden müsse. Immer vorwärts, nie zurück! Und zusätzlich sieht TiSA eine Ratchet-Klausel vor, welche beinhaltet, dass alle Änderungen des legislativen Rahmens „zu mehr, jedoch keinesfalls zu weniger Vertragskonformität führen müssen“.
Privatisierung auf der Überholspur
Marktverzerrung – das wird nicht nur jenen Menschen, die Lenins „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ gelesen haben, klar sein – ist in Tat und Wahrheit an anderer Stelle zu suchen. Die kapitalistische Entwicklung hat dazu geführt, dass einige Betriebe weitaus stärker sind als andere. Es handelt sich dabei um eine Tendenz zur Monopolbildung und diese ist ein konstitutives Merkmal des Imperialismus. Und es sind klarerweise diese Betriebe, die von der Entwicklung profitieren würden, deshalb streben sie sie ja auch an. Staatliche Monople sind hingegen eine Seltenheit geworden. Nehmen wir beispielsweise den Energiesektor. Zürich hat schon über die Privatisierung des EWZ abgestimmt und diese abgelehnt, das würde mit TiSA unweigerlich hinfällig. Wird der Energiesektor nun aber vollständig der Privatwirtschaft überlassen, dann wird diese den unrentablen Regionen schon bald einmal den Strom abstellen. Das wiederum würde eine Intervention des Staates erzwingen und – das ist das wundersame an TiSA, sollte es sich durchsetzen – den Staat dazu zwingen, nicht nur die elektrisch brachliegende Randregion zu subventionieren, sondern auch das äusserst profitable Ballungszentrum. Denn wie gesagt: Kein Betrieb darf „diskriminiert“ werden.
MAI reloaded
TiSA ist nichts anderes als eine Neuauflage der MAI-Verhandlungen, die ihrerseits eine Verschärfung des GATS-Abkommens waren. Die Verschärfungen wurden im Rahmen der WTO und damit unter Beteiligung zu vieler Länder debattiert. Das brach ihnen das Genick. Auch dass die OECD übernahm, konnte sie nicht retten. TiSA wird deshalb im kleineren Rahmen, unter vereinfachten Vorbedingungen diskutiert.
Die Antiglobalisierungsbewegung rebellierte weltweit, Seattle 1999 wurde zu einem wirksamen und kräftigen Symbol einer Massenbewegung. In den Metropolen solidarisierten sich Lohnabhängige und Arbeitslose beispielsweise mit den verarmten KleinbäuerInnen in Indien, internationale Solidarität war eine Selbstverständlichkeit, die öffentliche Aufmerksamkeit extrem hoch. Und so trug der Widerstand dazu bei, dass eine WTO-Runde nach der anderen scheiterte. Doch war es nicht ausschliesslich der Widerstand, der die Verhandlungen verunmöglichte, wir dürfen diesbezüglich nicht romantisieren. Entscheidend war beispielsweise auch, dass innerhalb der WTO die so genannten BRIC-Staaten nicht mitspielten. Brasilien, Russland, Indien und China sind Player, die noch nicht stark genug sind, ihre Interessen durchzusetzen, doch lassen sie sich auch nicht kampflos unterbuttern. Und ihre Interessen unterscheiden sich logischerweise von jenen, der gesetzten, imperialistischen Mächte. Letztere beabsichtigen die Absicherung ihrer Vorherrschaft durch die WTO, was allen anderen, ökonomisch schwächeren Volkswirtschaften, zum Nachteil gereichen muss. Die „aufstrebenden“ BRIC-Staaten stehen in Konkurrenz zu den imperialistischen Staaten, sie wollen deren Vorherrschaft schwächen und die eigene ausbauen, deshalb torpedieren sie die Pläne der Imperialisten so gut sie können.
In der Zwischenzeit sind die Türme des World Trade Centers zusammengebrochen und in der Folge beschäftigen imperialistische Kriege die Welt (inklusive den linken Widerstand) mehr als Freihandelsabkommen. Das ist kein Fehler. Aber es darf nicht in Vergessenheit geraten, dass die imperialistischen Akteure immer das langfristige Ziel ökonomischer Vorherrschaft antreibt, manchmal greifen sie dafür zu militärischer Intervention, manchmal zwingt der IWF zur Durchsetzung der Interessen, oder aber die Interessen werden niittels Freihandelsabkommen durchgesetzt. Kriege haben zudem für das Kapital den nützlichen Nebeneffekt, von innenpolitischen Krisen abzulenken. Der Zeitpunkt für einen erneuten Freihandels-Angriff war also günstig. Innerhalb der WTO hat sich 2012 eine Untergruppe gebildet, die sich „Really Good Friends of Services“ nennt und entschieden hat, diesen Angriff mit TiSA zu starten.
Wirklich gute Freunde der Dienstleistungen
Diese wirklich guten Freunde treffen sich jeweils in Genf in der australischen Botschaft. Ihre Gruppe beschränkt sich auf eine überschaubarere Anzahl Beteiligter, die eine ähnlichere Interessensgrundlage haben könnte als die ganze WTO. Neben der USA und der EU sind die Schweiz, Israel, Japan, Canada, Australien und andere in die laufenden TiSA-Verhandlungen involviert. Total sind es 23 Staaten, wobei die 28 EU-Staaten als einer zählen. Durch die Redimensionierung der Gruppe von beteiligten Staaten, insbesondere durch die Nicht-Beteiligung der BRIC-Staaten, erhoffen sich die Akteure die Möglichkeit, doch noch zu einem Freihandelsabkommen zu gelangen, und hätten die beiden grossen Mächte USA und EU ein solches ratifiziert, dann wären Tatsachen geschaffen, die die restliche Welt unter Zugzwang setzen würden.
Aber auch in dieser Gruppe ist von grosser Konkurrenz und deshalb von scharfen Widersprüchen auszugehen, insbesondere zwischen der EU und den USA. Ideologisch wollen sie das Gleiche. Zweifelsfrei können wir von einem konsolidierten und geeinten Willen, die ArbeiterInnen unter optimierten Bedingungen auszubeuten sowie die staatlichen Betriebe zu privatisieren ausgehen.
Darin ist sich die Bourgeoisie aller Länder einig. Uneinig wird man sich in anderen Fragen sein, doch so genau lässt es sich nicht sagen, denn die Verhandlungen sind geheim. Entsprechend ist es tatsächlich so, dass wir nichts erfahren, ausser dass sich die Verhandlungen hinziehen, obwohl sie längst beendet sein sollten. Das ist allerdings nicht nur verwunderlich, denn die Interessen der verschiedenen Verhandlungs-Delegierten sind trotz der Geheimhaltung eben nicht geheim, sondern wohlbekannt. Hauptprofiteure der Entwicklung wären die grössten multinationalen Betriebe, die für sich uneingeschränkten Zugang zu allen Volkswirtschaften fordern, der Konkurrenz diesen Zugang aber keineswegs gewähren möchten. Wagen wir also die These: Es ist durchaus möglich, dass die TiSA-Verhandlungen scheitern werden, allerdings – und das ist der traurige Teil davon – nicht am linken Widerstand, sondern an den inner-imperialistischen Widersprüchen. Das ist aber noch lange kein Grund aufzuatmen und beruhigt zurückzulehnen. Ob TiSA ratifiziert wird oder nicht, es handelt sich um einen geplanten Angriff gegen Sozialwerke, gegen unsere Lebensgrundlagen und die Lohn- und Arbeitsbedingungen, mit dem einzigen Ziel der Profitmaximierung der Konzerne. Die Schweizer Regierung war nicht gezwungen, sich an den Verhandlungen zu beteiligen, sie tut es aus Überzeugung, sie will die Privatisierung fördern. Was sie aber fürchtet, ist, dass das US-Kapital statt des Schweizer Kapitals davon profitieren könnte. Dieser Angriff läuft deshalb auch weiter, wenn TiSA abgelehnt werden sollte. Liberalisierung ist die Tagesforderung der Bourgeoisie. Sofern der Widerstand von unten gegen Liberalisierung und Deregulierung nicht wieder gestärkt wird, werden die auch durchgesetzt.