Prozesserklärung zum StandortFUCKtor-Prozess

Stellvertretend für alle von der Repression Betroffenen findet heute ein politischer Prozess wegen der Tanzdemo „StandortFUCKtor“ statt. Wir erwarten von der Klassenjustiz kein „gerechtes“ Urteil über die Geschehnisse des 21. September 2013, sondern wollen diesen Prozess als Bühne für unsere Inhalte nutzen. Der Prozess gehört all jenen gemacht, die von der Stadtaufwertung, von Verdrängung und von Sparmassnahmen und Privatisierungen profitieren und deshalb diese Entwicklungen vorantreiben.

Der heutige Prozess wegen der von der Polizei gewalttätig verhinderten Tanzdemo „StandortFUCKtor“ findet stellvertretend für alle anderen von der Repression Betroffenen statt. Es geht heute nicht um einzelne, sondern um alle, die von der Stadtaufwertung und Verdrängung, von Sparmassnahmen und Repression betroffen sind.
Wir alle wissen, was am 21. September 2013 geschah, wie die Stadt damals und auch bei folgenden Aktionen deutlich machte, was sie unter einer aufgewerteten Stadt versteht und wie sie mit Kritik an ihrer Politik umgeht. Wir brauchen kein Gericht, das diese Ereignisse beurteilt.
Ein Gericht ist keine neutrale Instanz sondern dient nur den Herrschenden. Für uns haben die verschiedenen Organe der Klassenjustiz keine Legitimation, weil sie im Interesse des Geldes und der Macht urteilen. Am 21.9. waren es Bullen in Kampfausrüstung, denen wir mit unserer Demo gegenüberstanden. Heute ist es die Juristerei, die den Anspruch der Besitzenden auf den öffentlichen Raum durchsetzen will.
Unsere Interessen, die Interessen der Mehrheit der BewohnerInnen dieser Stadt, sind unvereinbar mit den Interessen der Besitzenden und Mächtigen. Wir respektieren weder ihre Ansprüche noch ihre Schergen in Politik, Polizei und Justiz, die diese Ansprüche durchzusetzen versuchen.

Wir haben all die Aufwertungs- und Verdrängungsprojekte dieser Stadt in den letzten Jahren nicht vergessen. Was die Herrschenden Aufwertung nennen, bedeutet für uns Verdrängung und ist ein Angriff auf unsere Lebens- oder Arbeitsbedingungen. Wir erleben die Sparmassnahmen, die Kürzungen allerorts, die Repression gegen alle, die angeblich das saubere Stadtbild stören, ständig mit. Heute geht es nicht nur um den Abend des 21.9., nicht nur um den brutalen Polizeieinsatz und die Hetze der Stadtregierung danach. Heute geht es um die herrschenden Zustände, die dahinterstecken.

Heute drehen wir den Spiess um: Heute klagen wir an, heute machen wir von unten denen oben den Prozess.

Der Prozess gehört jenen gemacht, die mit der Luxussanierung von Wohnungen und dem Bau von Lofts gute SteuerzahlerInnen anlocken wollen und damit die bisherigen MieterInnen vertreiben.

Der Prozess gehört jenen gemacht, die mit Sparmassnahmen bei den Ärmsten, in der Pflege und in der Bildung ihre Steuergeschenke an die Reichen finanzieren.

Der Prozess gehört jenen gemacht, die mit der Privatisierung der Stadtgärtnerei den Anstoss zum Ausverkauf der öffentlichen Dienste wie der Pflege und Betreuung geben wollen.

Der Prozess gehört jenen gemacht, die zwar die Kulturstadt Winterthur vermarkten, gleichzeitig aber Kultur die mal aneckt, mal laut ist und die für die Stadt nicht verwertbar ist mit immer schärferen Reglementierungen das Leben schwer macht.

Der Prozess gehört jenen gemacht, die mit der Spekulation um Grundstücke und Wohnraum ein Vermögen verdienen und damit die Mieten ansteigen lassen, während es für die Mehrheit der BewohnerInnen immer schwieriger wird, eine einigermassen zahlbare Wohnung zu finden.

Der Prozess gehört jenen gemacht, welche Zeugen der ArbeiterInnenbewegung – wie das Volkshaus – für einen Konsumtempel mit Luxuswohnungen niederreissen lassen. Dieselben sind auch verantwortlich für die Aufwertung und Verdrängung in den einstigen ArbeiterInnenquartieren und Industriearealen, wo die industrielle Vergangenheit höchstens noch als hübsche Kulisse für Besserverdienende dienen soll.

Der Prozess gehört jenen gemacht, welche städtische Immobilien und städtische Grundstücke an bester Lage – wie zuletzt die Zeughauswiese – an den Meistbietenden verscherbeln wollen, um dort Luxusüberbauungen hinzuklotzen.

Der Prozess gehört jenen gemacht, die mit der verstärkten Präsenz von Polizei und Sicherheitsdiensten, diskriminierenden Polizeikontrollen, Videoüberwachungen, Festnahmen und Wegweisungen das Bild einer sauberen und ordentlichen Stadt prägen wollen.

Deshalb machen wir heute und auch in Zukunft der Stadtaufwertung den Prozess indem wir uns weiterhin gegen die Stadtaufwertung von oben wehren, sowie einzelne Erscheinungen und Entwicklungen davon exemplarisch auf- und angreifen. Die verschiedenen Aktionen und Widerstandsformen gegen die Stadtentwicklungspolitik in Winterthur und die grossen Proteste gegen die Stadtaufwertung überall auf der Welt machen deutlich, dass es notwendig und möglich ist, sich gemeinsam gegen die Aufwertung und Verdrängung zu organisieren und zur Wehr zu setzen.

Eusi Stadt, eusi Quartier – weg mit de Richter, weg mit de Schmier!

„StandortFUCKtor“-Soli-Gruppe, 9. Januar 2015