Artikel, erschienen im Vorwärts (April 2013):
Die Aufwertungsprozesse in der Stadt Zürich zeigen sich auf unterschiedliche Art und Weise. Dahinter steht aber eine gezielte Strategie der Politik und den Interessen des Kapitals. Eine breitgefächerte Praxis des Widerstands gegen die Verdrängung ist unabdingbar!
Aufwertungsprozesse und deren Widersprüchlichkeit
Die Prozesse der Aufwertung, Verdrängung und Neustrukturierung ganzer Quartiere von Zürich werden oftmals mit dem Schlagwort „Gentrifizierung“ zusammengefasst und verordnet. Unter diesem Begriff versteht man die sukzessive Veränderung einzelner Stadtgebiete wie der Kreise 4 oder 5 in Zürich. Sukzessive meint, dass die Aufwertung nicht auf einen Schlag geschieht, sondern eben in Phasen verläuft und manchmal aus strategischen Überlegungen auch in ganz subtilen Schritten vollzogen wird. So zeichnet sich der erste Schritt der Aufwertung dadurch aus, dass durch die ehemals tiefen Mieten Studierende, Kreative und Freischaffende angelockt werden, welche durch ihre Aktivitäten den Stadtteil insofern aufwerten, dass er gegen aussen sichtbar attraktiver wird: Es entstehen (bedingte) Freiräume, Orte der Begegnung, Kultur und Subkultur. Was vor sich geht, ist eigentlich eine Reurbanisierung, also eine erneute Verstädterung von ehemals proletarischen Gebieten. Die Urbanisierung hat zur Folge, dass die Attraktivität des Viertels steigt und einen Andrang auf Wohn- und Kulturraum entsteht. Die Hauseigentümer wittern den Trend und erhöhen im Sinne der Profitmaximierung die Mieten. Dem folgt eine Abwanderung der ursprünglichen, proletarischen Bewohnerschaft, da sich diese oftmals die erhöhten Mietzinse nicht mehr leisten können. In einem weiteren Schritt folgt der Hype der Investoren auf ein Stadtgebiet: Ganze Häuserblocks werden abgerissen, es folgen Neubauten die Platz für exklusives Wohnen im Stadtzentrum oder Bürokomplexe an zentraler Lage bieten. So wandelt sich nicht nur der Charakter eines Quartiers, sondern eben auch dessen Bevölkerungsstruktur. Die Widersprüchlichkeit liegt nun darin, dass eben auch alternative Subkultur, politische KünstlerInnen und diverse Projekte diesen Verdrängungsprozessen Vorschub leisten oder gar deren eigentlicher Beginn darstellt.
Der Begriff „Stadtaufwertung“ ist eigentlich verharmlosend und falsch. Denn was seit Jahren in der Stadt Zürich sukzessive forciert wird, ist nicht eine „schönere“ oder „attraktivere“ Stadt zu kreieren, bei welchem Verdrängung von günstigem Wohnraum quasi als unschönes Nebenprodukt in Kauf genommen wird. Der Kern der Aufwertung ist die Verdrängung. Dass die Stadt oder insbesondere zentrale Quartiere der Stadt attraktiver werden, gilt also wohl kaum für die ärmeren proletarischen, migrantischen Familien, welche beispielsweise jahrzehntelang den Lärm und Gestank der Weststrasse im Kreis 3 erdulden mussten und denen nun nach der Verkehrsberuhigung in den meisten Fällen gekündigt wird. Jenen, welche nicht die Kündigung in den Briefkasten flatterte, werden vor die Tatsache gestellt, dass die Mieten aufgrund der „Aufwertung“ steigen. Was nun an der Weststrasse für die Wohnfläche verlangt wird, ist für viele unbezahlbar. Oder die Wohnungen werden zu Wohneigentum umgenutzt, was zu einer neuen, eben zahlungskräftigeren Nachbarschaf führt. Die vorherigen MieterInnen werden an den Rand der Stadt oder in die Agglomeration gedrängt, wo die Mieten teilweise noch günstig sind. Die Neustrukturierung der Stadt ist also Kalkül und nicht bloss fahler Beigeschmack: Attraktiver wird die Stadt nicht für ihre BewohnerInnen, sondern nur für das Kapital.
Breite Praxis des Widerstands entwickeln!
Eindeutig ist, dass es gilt, auf die Angriffe des Kapitals zu antworten. Es darf nicht sein, dass bei der Gestaltung von privaten und öffentlichem Raum die Interessen von profitorientierten Investoren im Vordergrund stehen. Was wirklich zählt, sind die Bedürfnisse derjenigen, die die Stadt bewohnen und beleben. Deshalb ist es notwendig, dass diese Bedürfnisse auch sichtbar werden und im Kampf um die Stadt einen Ausdruck finden. Dieser Kampf kann viele Gesichter haben: Sei dies die Eroberung des öffentlichen Raumes mit Strassenkunst, Festivitäten auf öffentlichen Plätzen, Mieterstreiks oder Häuserbesetzungen. Der Widerstand darf und muss breit sein. Doch dabei geht es beim Kampf um die Stadt nicht nur um die Verteidigung von günstigem Wohnraum. Dies zeigt sich darin, dass sich die „Aufwertung“ auch nicht nur auf das Kreieren von neuen hippen Wohnungen konzentriert, sondern dass in die Aufwertungsprozesse auch strategische Überlegungen seitens des Staates einfliessen: Wie macht man öffentliche Plätze sicherer? Wie macht man einen Standort für den internationalen Markt interessant? Man darf nicht vergessen, dass die Planung von Städten auch eine Planung von Möglichkeiten und Chancen beinhaltet – wie Raum gestaltet wird bestimmt darüber, wie der Raum genutzt werden kann. Deshalb ist der Kampf um Wohnraum auch ein Kampf um die Gestaltung und mögliche Nutzung des öffentlichen Raums, den es unbedingt zu bestreiten gilt.