Geregelte Staatspleite?

Lucas Zeise zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs

Ich räume ein, dass all jene recht hatten, die wie die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) vor der Illusion warnten, es könne eine für das griechische Volk erträgliche Lösung im Kompromiss mit den imperialen Gläubigern geben. Wenn Schäuble, Merkel und Draghi die Sprecher eines Bankenkonsortiums wären, das für ein von der Pleite bedrohtes Unternehmen eine Umschuldung mit entsprechenden Auflagen auszuhandeln hätte, dann wäre so ein Kompromiss gefunden worden. Denn es liegt normalerweise im Interesse der Gläubiger, den Schuldner nicht ganz zu erdrosseln, sondern ihn leben zu lassen, so dass die Chance besteht, dass er wenigstens einen Teil der Schulden zurückzahlt. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in der Vergangenheit Schuldnerstaaten zwar brutale Konditionen diktiert, aber doch darauf geachtet, die Wirtschaft nicht komplett abzuwürgen. Im Fall Griechenland gab es erheblichen Spielraum für einen Kompromiss. Das Land hatte bereits so drastisch die Staatsausgaben, Löhne und Sozialleistungen reduziert, dass ein leichtes Nachlassen des »Sparzwangs« die Konjunktur und die Steuern sofort verbessert hätte.

So werden sich das die Herren Tsipras und Varoufakis ausgerechnet haben, Rationalität bei ihren Verhandlungspartnern in den Zentren der EU voraussetzend. Die aber konnten und wollten dem politischen Feind ökonomischen Erfolg nicht zugestehen. Staub soll er fressen und mit Lust, das ist es, was Schäuble von Tsipras wollte. Und der frisst tatsächlich: ökonomischen Widersinn, politische Niederlage und Demütigung eines Volkes. Der Grund dafür ist schon zu Beginn des ungleichen Konflikts beschrieben worden. Es ist die Unwilligkeit (Unfähigkeit vielleicht) der Syriza-Regierung, die Staatspleite und den Austritt aus dem Euro zu wagen. Da dieser Ausweg versperrt war, wurde die mögliche Drohung zu Schäubles Waffe, der mit dem Ruf nach dem »Grexit« bei Freund und Feind das dritte Knebelungsprogramm für 85 Milliarden Euro Kredit noch als bessere Lösung erscheinen lässt.

Tatsächlich wäre der Ausstieg aus dem Euro wenigstens eine Lösung. Kostas Lapavitsas, neben Gianis Varoufakis einer der namhaften Ökonomen der Syriza, plädiert dafür, Schäuble beim Wort zu nehmen und über einen geregelten Ausstieg Griechenlands aus dem Euro zu verhandeln. Die Gläubiger müssten dann einen Schuldenschnitt akzeptieren und die dann neue griechische Währung und die Banken stützen. Vor allem eine Garantie für die neue Währung wäre dringend erforderlich, damit die Einfuhr von Waren noch möglich bleibt und die Wirtschaft nicht wie in Argentinien 2001 eine Vollbremsung hinlegt. Nur, wer glaubt noch daran, dass Schäuble, Merkel und Draghi in dieser Frage fair verhandeln? Ihr Interesse, die Abweichler vom neoliberalen brutalen Sparkurs im Staub liegen zu sehen, wird bleiben, auch wenn sie nicht mehr in der Euro-Zone sind.

Lukas Zeise / Junge Welt vom 18. Juli 2015