Despotenkumpanei

Barsani paktiert mit Ankara
Die Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) solle den Nordirak verlassen, um Zivilisten nicht weiter durch türkische Luftangriffe auf ihre Camps in den Kandil-Bergen zu gefährden. Das erklärte der Präsident der kurdischen Autonomieregion, Masud Barsani, als Reaktion auf die Bombardierung des Dorfes Zergele, bei der am Samstag neun Zivilisten ums Leben kamen. Kritik an der Verletzung der territorialen Souveränität des Irak durch die Türkei kam aus dem Präsidialamt in Erbil dagegen nur zögerlich.

Den kurdischen Präsidenten verbinden mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan nicht nur lukrative Ölgeschäfte. Ebenso wie Erdogan und dessen Regierungspartei AKP in der Türkei, hat sich der Barsani-Clan mit seiner feudalistisch geführten Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) den Staatsapparat zur schamlosen Bereicherung einverleibt. Und ebenso, wie Erdogan Opposition gegen seinen autoritären Regierungsstil niederknüppeln lässt, geht der KDP-Sicherheitsdienst mit harter Hand gegen Kritiker des Präsidenten vor, bis dahin, dass diese in Geheimgefängnissen gefoltert werden.

Doch auch die Sorge um den Erhalt ihrer persönlichen Macht verbindet die beiden Despoten. Bei der Parlamentswahl im Juni verfehlte die AKP nicht nur das Ziel einer verfassungsändernden Mehrheit zur Einführung einer auf Erdogan zugeschnittenen Präsidialdiktatur, sondern sogar die zur weiteren Alleinregierung notwendige Mehrheit. Um im Falle von Neuwahlen sein Ziel doch noch zu erreichen, zögerte der türkische Präsident nicht, einen neuen Krieg gegen die Kurden vom Zaun zu brechen. Dahinter steckt das Kalkül, in einer chauvinistisch aufgeheizten Stimmung nationalistische Wähler zurückzugewinnen und die linke, prokurdische Opposition wieder unter die Zehn-Prozent-Hürde zu treiben.

In diesem Monat endet Barsanis schon mehrfach verlängerte Präsidentschaft. Um ihm eine erneute Amtszeit zu ermöglichen, ist eine Verfassungsänderung notwendig. Dafür warb vor wenigen Tagen eine Delegation des türkischen Außenministeriums in Erbil. Im Gegenzug für einen Verbleib Barsanis an der Spitze des Kurdengebiets und eine Distanzierung der dortigen Regierung von der PKK bot Ankara eine Festigung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Autonomieregion an.

Heute vor einem Jahr begann die Offensive der Miliz »Islamischer Staat« (IS) auf die kurdischen Gebiete des Iraks. Während die KDP-Peschmerga kampflos zurückwichen, war es dem Eingreifen der PKK zu verdanken, dass Zehntausende Jesiden den Schlächtern entkommen konnten. Mit Hilfe der Guerilla konnte die IS-Offensive 40 Kilometer vor der kurdischen Hauptstadt Erbil gestoppt wurde. Barsani bedankte sich damals per Handschlag bei den PKK-Kämpfern. Daran sollte sich der kurdische Präsident erinnern, bevor er heute sein persönliches Schicksal an die AKP kettet. Denn von einem so zwischen die Kurden getriebenen Spaltkeil werden am Ende nur die AKP und der IS profitieren.

Nick Brauns / Junge Welt vom 3. August 2015