Aus der Jungen Welt vom 2.10.2015:
Auch die Schweiz hat eine revolutionäre Tradition. 1915 trafen sich in Zimmerwald nahe Bern Arbeiterführer, um über das weitere Vorgehen gegen den Ersten Weltkrieg zu beraten. Anfang September dieses Jahres wurde daran bereits gedacht. Am Wochenende ziehen Sie nach. Warum braucht es zwei Gedenkveranstaltungen zu Zimmerwald?
Die vergangene Veranstaltung wurde ausgerechnet von Verbänden rund um die Sozialdemokratie organisiert. Von ihnen wird die Zimmerwalder Konferenz als Friedenskonferenz dargestellt. Uns beschäftigt anderes. In Zimmerwald ging es um den Bruch mit den Reformisten. Zwar waren die Revolutionäre damals in der Minderheit, verabschiedeten aber ein Zusatzprotokoll. In dem wurde der Erste Weltkrieg als imperialistisch bezeichnet, der Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg klar benannt. Man rief zum Kampf gegen die kapitalistischen Regierungen und für den Sozialismus auf.
Dass es nun zwei Veranstaltungen gibt, spiegelt den damaligen Bruch wider. Während sich die Sozialdemokratie auf Robert Grimm bezieht (Schweizerischer Sozialdemokrat und Zentrist, Anm. d. Red.), halten wir die Kräfte von Lenin hoch. Über diesen Teil der Geschichte der internationalen Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung wollen wir uns austauschen – um dann heute handeln zu können.
Nun ist der Bruch, von dem Sie sprechen, seit 100 Jahren vollzogen. Lässt sich aus der Beschäftigung mit der Zimmerwalder Konferenz noch Nützliches ziehen?
Sogar sehr viel. Wir finden heute viele Parallelen zur Situation von damals. Etwa die Frage der imperialistischen Aggressionen wie in Rojava oder der Ukraine. Und wie man sich aus ihnen befreien kann. Interessant ist doch, dass die revolutionären Kräfte zu Zeiten Zimmerwalds schwach waren, aber Perspektiven entwickelten. Die ermöglichten erst die spätere Oktoberrevolution. Sich damit zu beschäftigen finden wir sehr wichtig. Denn schauen Sie sich um: Stark sind wir in Europa heute nicht.
Und was genau werden Sie am Wochenende verhandeln?
Uns interessieren Situationen, in denen sich die Widersprüche zuspitzen. Da werden wir uns also mit Rojava auseinandersetzen. Die kurdische Bewegung hält der imperialistischen Einmischung in Syrien einen Befreiungskampf entgegen. Auch zur Ukraine wird es bei uns Spannendes geben. Wenn wir nun über die Situation in beiden Ländern sprechen, wollen wir dabei auch eine historische Perspektive einnehmen, die grundsätzliche Überlegungen beinhaltet. Dazu haben wir einen Beitrag über Lenins Verhältnis zum Krieg organisiert. Der wird der Frage nachgehen, wie man die Kriege des Kapitals in revolutionäre Kämpfe umwandeln kann.
Ist die Auseinandersetzung damit denn nötig in der Schweiz, die soviel auf ihre Neutralität hält?
»Neutralität« hin oder her, an den verschiedensten Fronten ist die Schweiz mit dabei. Sie hat starke Verbindungen zu Saudi-Arabien oder Katar, über verschiedene Kapitalfraktionen und über ihre Rüstungsindustrie.
Und Zimmerwald hat viel mit der kommunistischen Geschichte der Schweiz zu tun. Ohne die damalige Konferenz wären Entwicklungen wie die Gründung der Kommunistischen Partei der Schweiz 1921 nicht möglich gewesen.
Auch Griechenland wird bei Ihnen ein Thema sein. Was wollen Sie da herausarbeiten?
Dort wollen wir schauen, welchen Einfluss der Reformismus auf die Prozesse im Land hat. Nach dem Oxi der Bevölkerung gab es auch in der Schweiz Diskussionen in der Linken über die Situation dort. Einige glaubten, dass die Reformprojekte von Syriza schon greifen würden. Dabei ist das, was sich nun in Griechenland abspielt, schon damals vorhersehbar gewesen. Die geplanten Reformen hatten innerhalb gleich zwei imperialistischer Verbünde – NATO und EU – keine Chance. Dafür ist Syriza geradezu ein Paradebeispiel. Wir haben Nikos Maziotis von der griechischen Organisation Epanastatikos Agonas, Revolutionärer Kampf, eingeladen, mit uns zu sprechen.