Angriff gegen türkisches Konsulat und Rheinmetall Air Defence

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2016/01/96656.shtml

In der Nacht vom 24. auf den 25. Januar, haben wir zum Abschluss des World Economic Forums in Davos die Rheinmetall Air Defence in Zürich-Oerlikon angegriffen. Zugleich haben wir beim türkischen Konsulat an der Weinbergstrasse etwas hinterlassen, das im Verlauf des Morgens hochgehen wird.

Alljährlich trifft sich in Davos die Spitze aus Politik und Wirtschaft, diskutiert einiges öffentlich und vieles nur im Schutze von Hinterzimmern. Jedes Jahr bietet das Forum Gelegenheit, einen Einblick in die Krisenanalyse von Oben zu erhalten. Zugleich bietet der Anlass auch die Möglichkeit, anhand der Gästeliste Brennpunkte des Kapitalismus zu beleuchten, sowie die Rolle der Schweiz in Krisen weltweit aufzuzeigen.

Es ist unverkennbar, dass das WEF sich in einem Jahr, wo die Widersprüche der Herrschenden sich unheimlich zuspitzen (Krise der EU – der US Milliardär Soros prognostizierte am WEF den kommenden Untergang der Union; Konfrontation in der Ukraine – Kerry traf Lavrov kurz vor dem Forum in Zürich; Interessenskonflikte in Syrien – siehe dazu weiter unten), politisch erstaunlich defensive Parolen von sich gibt. Natürlich betont Klaus Schwab, dass Davos auch zum Zentrum der internationalen Diplomatie werden wird. Ob dabei allerdings auch Lösungen rausspringen, mit denen die verschiedenen imperialistischen Kräfte leben können, ist aufgrund der teiweise massiven Widersprüche sehr zweifelhaft.

Zeitgleich packt das Forum die Gelegenheit beim Schopfe, einen ökonomischen Grossangriff von oben in Form von der „Industrie 4.0“ zu lancieren. Es soll die nächste grosse Sache werden. Automatisierter Produktionsprozess, immer weniger Menschen, die dafür notwendig sind. Die Kehrseite der Medaille werden Massenentlassungen sein – dessen sind sie sich beim WEF sehr bewusst. In weiser Voraussicht wird darum auch die Gewerkschaftsspitze miteingebunden, als Co-Chair darf Sharan Burrow vom Internationalen Gewerkschaftsbund den Anlass präsentieren.

Selbstverständlich soll der Anlass wie jedes Jahr auch ein Anlass für die Schweizer Rüstungsindustrie sein. Es ist bekannt, dass die verschiedenen Rüstungsfirmen der Schweiz die Einsätze „ihrer“ Produkte beim WEF als schlagendes Verkaufsargument nutzen, wenn sie wieder mal in Saudi-Arabien, Katar oder der Türkei auf Stippvisite sind (das gilt natürlich auch umgekehrt, wenn saudi-arabische Militärflugzeuge in Dübendorf landen um Munition abholen). So prahlte die RUAG mit dem Einsatz von „Panther Command“ am WEF, genau gleich wie die Rheinmetall Air Defence ihre Luftüberwachungssysteme während des Forums testen darf.

Die Rheinmetall Air Defence haben wir wie oben beschrieben besucht und ihnen eine Rakete hinterlassen. Die Rheinmetall Air Defence hiess früher Oerlikon Contraves, wurde dann aber von der deutschen Rheinmetall AG übernommen. Diese wiederum war früher Industriepartner des World Economic Forum, in den vergangenen Jahren scheint aber ihr öffentliches Engagement am WEF heruntergefahren worden zu sein. Stattdessen dürfen sie ihre Anlagen am WEF testen und treffen dort diejenigen Vertreter an, mit denen sie lukrative Verträge abschliessen wollen. So brüstet sich die Rheinmetall unverhohlen damit, die Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate zu beliefern, die Staaten des Golfkooperationrates identifizieren sie als Wachstumsmarkt. Zeitgleich versuchen sie mit Indien ins Geschäft zu kommen, allerdings kam ihnen da etwas in die Quere, denn als sie versuchten indische Beamte zu bestechen wurden sie erwischt, kamen auf eine Schwarze Liste und erst nach einer Intervention von Johann Schneider-Ammann wurde ihr Anliegen erneut aufgenommen.

Als wäre das alles nicht genug, wenn man Staaten beliefert oder beliefern will, die nachweislich den Islamischen Staat unterstützen, hat die Rheinmetall im vergangenen Jahr gleich noch einen Partnerschaftsvertrag mit dem türkischen staatlichen Rüstungsunternehmen MKEK abgeschlossen. „Neue zukunftsweisende Produkte auf dem Gebiet der Waffensysteme und Munition“ sollen gemeinsam entwickelt, produziert und auf den Markt gebracht werden. Produkte, welche ohne Zweifel gegen die widerständische Bevölkerung und die kämpfende revolutionäre Bewegung in der Türkei und Syrien eingesetzt werden, und die wohl auch in Konvois des türkischen Geheimdienstes nach Syrien zuhanden des Islamischen Staates aufzufinden sein könnten.

Damit kommen wir zum zweiten Adressat unserer knallenden Grüsse, dem türkischen Generalkonsulat an der Weinbergstrasse. Seit Monaten führt der türkische Staat nun offenen Krieg im eigenen Land. Ausgangssperren, die über Wochen anhalten, Militär in den Grosstädten der Südost-Türkei, Bombardierungen von PKK-Lagern und sehr wahrscheinlich auch Anschläge nach dem Konzept der „Strategie der Spannung“, die Erdogan immer wieder dazu nutzt, um die Botschaft „Entweder mit der AKP oder mit den Terroristen“ zu vermitteln. Dabei wirft er bewusst den Islamischen Staat in den gleichen Topf wie fortschrittliche kämpfende Parteien. Eine Losung, die Joe Biden (US-Vizepräsident) auf Stippvisite in Ankara lächelnd mit Davutoglu bekräftigte. Während der US-Vize von Davos nach Ankara reist, hatte Davutoglu vor Davos einen Besuch bei Cameron in London auf dem Plan, danach ging’s zuerst zu Merkel nach Berlin bevor’s zurück an die Kriegsfront in der Türkei ging. So wird Davos zum Hotspot der imperialistischen Diplomatie im Sinne Schwabs – Erdogan lässt sich die Rückendeckung der USA und der EU für den Krieg im eigenen Land in den Bergen holen und fordert von der EU zugleich weitere Milliarden zur Bewältigung der Migrationsströme!

Zugleich wehrt sich die Bevölkerung in Bakur, dem kurdischen Teil der Türkei. Laufend werden neue Strukturen gegründet und aufgebaut, die zur Verteidigung der Quartiere gegen Einsätze der türkischen Armee dienen. Strassengräben werden durch junge Militante bewacht, die Bilder ähneln denjenigen aus der Belagerung Kobanes durch den Islamischen Staat vor einem Jahr. Exekutionen sind an der Tagesordnung, Scharfschützen zielen auf alles, was sich bewegt, über Tage liegen Schwerverletzte in den Strassen bis sie schliesslich sterben, da niemand zu ihnen kann, ohne selber beschossen zu werden.

Das Klima ist barbarisch, und dennoch bleibt der Widerstand, dennoch lässt sich die Bewegung nicht unterkriegen, sondern versucht mit allen Mitteln zu verteidigen und voranzutreiben, was seit Gezi oder Rojava sich in der Region entwickelte. Wir denken, dass dieser Punkt höchste Beachtung verdient. Trotz unglaublichen Spannungen, sowohl auf internationaler wie auch auf nationaler Ebene, gibt es sehr reale Ansätze von revolutionären Prozessen. Der kapitalistischen Barbarei können und werden alternative Perspektiven entgegen gestellt werden, das hat höchste Dringlichkeit, wenn man das Feld nicht der völligen Verrohung überlassen will. Der gesellschaftlichen Polarisierung begegnen wir nicht, indem wir vor der reaktionen konterrevolutionären Seite kuschen, sondern indem wir uns auf der emanzipatorische Seite positionieren, sie vertreten und stärken.

Für eine revolutionäre Perspektive!