gefunden auf http://ch.indymedia.org/de/2016/04/97262.shtml
Wir haben heute das Büro der Delegation der EU am Bubenbergplatz 5 in Bern mit Pyrotechnik angegriffen. Der Angriff gegen dieses Büro war überfällig, da die EU nichts anderes als ein Konstrukt der europäischen imperialistischen Staaten unter Federführung von Deutschland und Frankreich ist, um ihre Interessen durchzusetzen.
Das Büro war gerade jetzt fällig, weil sich die EU aktuell selber wieder demaskiert. In der sogenannten „Griechenlandskrise“ wurde klar, dass die Interessen der Banken höher gewichtet werden als die Bedürfnisse der griechischen Bevölkerung, die damals wie heute die Konsequenzen der euphemistisch benannten „Memoranden“ der Troika von EU, EZB und IWF zu schlucken haben. Heute zeigt sich an den südöstlichen Grenzen zur Union, dass Friedensnobelpreise und ähnliches für dieses Projekt das Papier nicht wert sind, auf welchen sie mitgeteilt werden.
Immerhin bleibt die EU konsequent, auch wenn die Dimensionen ihrer Tätigkeiten grösser werden. Wie bis anhin setzt sie auf eine Hochrüstung der Grenzen, während zugleich Deals mit Staaten geschlossen werden, die an die EU grenzen und von wo aus Flüchtlinge versuchen, nach Europa zu gelangen. Das war mit Libyen so, mit Marokko, Tunesien und Jordanien ist ähnliches beschlossen oder geplant. Die Bewältigung der Herausforderung wird ausgelagert. Bleibt der Flüchtlingsstrom ungebrochen, das heisst werden Asylanträge weiter in den Staaten der EU gestellt, so ist der Schritt oft nicht weit, die Herkunftsländer der Flüchtlinge urplötzlich für sichere Herkunftsstaaten zu erklären. Das war so mit Menschen, die aus Serbien, Albanien oder Bosnien-Herzegowina kamen, das wurde in den vergangenen Wochen so für Menschen, die aus der Türkei herkommend Asylanträge stellten.
Schnurstracks wird also geflissentlich darüber hinweggesehen, dass der türkische Staat einen Krieg im eigenen Land führt, dass es seit Jahrzehnten militärische Auseinandersetzungen gibt, revolutionäre Linke verhaftet, gefoltert, erschossen werden. In der Not frisst der Teufel EU Fliegen, überweist Milliarden an den neuen Sultan vom Bosporus, verspricht Visa-freies Reisen für türkische StaatsbürgerInnen, hauptsache die Türkei bewacht das Tor zur EU. Empörung und Entrüstung ist richtig, doch nicht ausreichend. Die Rüstungsindustrie in den Staaten der EU, die damals (und heute) die Staaten belieferte, welche danach dschihadistische Gruppen in Syrien belieferten und so dort den Krieg erst recht befeuerten, freuen sich nun über neue Bestellungen aus Mazedonien, der Türkei oder Griechenland, wo es Grenzen zu sichern gilt. Tränengas brauchts, Zäune sowieso, Schlagstöcke, Schilder etc. Dieselben politischen Akteure, die den Regime Change in Syrien unterstützten, um im geopolitisch wichtigen Land ihnen freundlicher gesinnte Herrscher zu installieren, versuchen das Desaster zu vertuschen, welches sie mitangerichtet haben, indem man nach dem Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ agiert.
Umso legitimer ist der Protest derjenigen, die nach Europa wollen, und nun nicht den Kopf ducken, sondern ebendiesen hochhalten und der Situation entsprechend dafür kämpfen, dass sie reinkönnen. Das ist wichtig, weil sie sich nicht mit der Rolle als Verhandlungsmasse zufrieden geben, sondern tatkräftig und praktisch die Situation zu verändern suchen. Erinnert sei an die grossen Märsche der Flüchtenden im vergangenen Jahr, wo kurzerhand das Dublin-Verfahren oder staatliche Grenzen mittels der Tat hinfällig gemacht wurden. Aber erinnert sei auch an all die Kämpfe entlang den Grenzen der EU, wo hochgerüstete Soldaten und Polizisten diejenigen abwehren, die nichts anderes wollen, als dem Krieg und Elend zu entfliehen. Derartige Momente kollektiver Aktion von unten gegen die Festung Europa gilt es selbstverständlich zu unterstützen.
Jetzt, wo das Projekt der EU wortwörtlich an seine Grenzen stösst und die der EU immanente Widersprüchlchkeit der unterschiedlichen staatlichen Interessen markant an Schärfe gewinnt, wollen wir unsere Finger auf wunde Stellen legen, Bruchlinien vertiefen und versuchen, voranzugehen und nicht zurückzuweichen. Unser – bescheidener – Beitrag heute ist dieser Angriff gegen die EU und das Thematisieren der imperialistischen und kapitalistischen Logik hinter aktuellen Ereignissen. Darüber hinaus gibt es natürlich kämpferische Bezugspunkte in diesen Konflikten, wir denken auch an die Bewegung in der Türkei und Syrien. Alternativen zur jetzigen Situation sind nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Den revolutionären Prozess dort gilt es mit dem Kampf für eine revolutionäre Perspektive hier zu verbinden. Nichts, was sich (nur) am Schreibtisch erledigen liesse.
Für eine revolutionäre Perspektive!