(agw) Vom 11.-13. Mai findet zum 46. Mal das St.Gallen-Symposium statt. StudentInnen der Uni St.Gallen (ehemals HSG) organisieren ein Vernetzungstreffen zwischen den „leadern“ von heute und den selbsternannten von morgen. Seit drei Jahren regt sich auch lokaler Widerstand.
Wir schreiben das Jahr 1968. Auf der ganzen Welt knallts, die 68er-Bewegung hat ihren Höhepunkt erreicht und mancherorts militante Formen angenommen. Auch in Zürich kommt es am 29. Juni zu den sogenannten „Globuskrawallen“, nur ein Beispiel in einer langen Reihe von Auseinandersetzungen zwischen AntikapitalistInnen und KriegsgegnerInnen mit der Staatsgewalt. Zeitgleich tüfteln im St. Galler Hinterland fünf Studenten an einer Alternative. Sie gründen das ISC – International Students‘ Commitee, um fortan in dessen Namen eine „Dialogsplattform“ zu schaffen zwischen den Mächtigen von heute und jenen die es werden wollen, um „relevante Fragen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft“ zu diskutieren. Das St. Gallen Symposium ist in diesem Sinne als liberale Gegeninitiative zu den weltweiten Protesten entstanden. Unter dem Titel „Internationales Management Symposium“ findet 1970 das erste Symposium auf dem Gelände der HSG statt. Nach anfänglichen Überlebensschwierigkeiten mangels Kontinuitätssicherung des ISC wird das Symposium seit 1974 jährlich durchgeführt. 1977 tritt der deutsche Arbeitgeberpräsident und ehemalige SS-Untersturmführer Hanns-Martin Schleyer an der HSG auf, kurz bevor er von der RAF entführt und später erschossen wird.
Zur Sicherung der Kontinuität wurde die St. Galler Stiftung für Internationale Studien und zur finanziellen Unterstützung ein Fördererkreis gegründet, dem inzwischen bis zu 350 Unternehmen angehören welche sich jeweils für 3 Jahre verpflichten. Daneben engagieren sich aktuell 11 Hauptpartner wie Microsoft, Swiss Re, CS, UBS, BMW und weitere fette Banken und Konzerne von denen sich viele auch als Unterstützer des WEF in Davos wiederfinden.
Das Symposium heute
Inzwischen besteht das ISC aus rund 30 Studierenden, welche jeweils für ein Jahr ihr Studium unterbrechen um das Symposium zu organisieren. Im Jahr darauf wird das ganze Komittee, bis auf drei die zwei Jahre machen, ausgetauscht und vom nachfolgenden Jahrgang gestellt.
Das Hauptziel des Symposiums besteht weiterhin darin, den Dialog zwischen der jungen und alten Generation der Mächtigen zu ermöglichen und macht somit dem Ruf der USG als kapitalistische Kaderschmiede alle Ehre. Mit den Bemühungen rund ums St. Gallen Symposium soll selbsterklärt ein Beitrag zur Erhaltung der liberalen Wirtschaftsordnung erzielt werden.
Zur Debatte geladen werden nach wie vor Vorsitzende globaler Konzerne, liberale Intellektuelle, Politiker und schliesslich, als „Herzstück“ des Symposiums, 200 einflussreiche JungunternehmerInnen, „herausragende AkademikerInnen“ und PolitikerInnen unter 30 Jahren, die sich aber erst in einem Wettbewerbsverfahren für die Teilnahme qualifizieren müssen. Die Gästeliste ist alljährlich ziemlich hochkarätig, in diesem Jahr finden sich in der Liste der TeilnehmerInnen unter anderen Nestlé-Boss Peter Brabeck, Frontex-Chef Fabrice Leggeri, der Direktor des schweizerischen Nachrichtendiensts Markus Seiler und der CEO der Credit Suisse, Tidjane Thiam.
Das ISC zeichnet sich immer wieder, so auch dieses Jahr, mit der Propagierung der absoluten Alternativlosigkeit zum bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aus. Nun, wer sich Leute, die aus dem Tod tausender Menschen täglich Profit schlagen oder die gewaltsame und unmenschliche Verteidigung der „Festung Europa“ zu verantworten haben an den Sitzungstisch holt, wird sich sicher nicht wundern, wenn die Diskussion um die Alternative einer sozialen Gesellschaft eher spärlich ausfällt.
WEF der Jungen?
Auf Vernetzungstreffen sind die Herrschenden angewiesen. Dazu zählen das WEF, die verschiedenen G-Gipfel, diverse Sicherheits- und Krisenkonferenzen und eine Vielzahl weiterer offizieller und natürlich auch geheimer Treffen. In dieser ganzen Bandbreite gesehen hat das St. Galler Symposium sicher nicht die Tragweite und Relevanz eines WEF, welches als Konzern und mit einem festen professionellen Management viel besser für Hinterzimmerdeals ausgerichtet ist. Dennoch schafft natürlich auch die USG in diesen drei Tagen ein Ort der Vernetzung, speziell eben auch zwischen den verschiedenen Generationen kapitalistischer VertreterInnen. Mit dem „Dialog auf Augenhöhe“ und der Möglichkeit für die StudentInnen sich zu präsentieren hat es sich als Reproduktionstätte aber sicher etabliert. Das Symposium ist ein geschlossener Anlass und unter der „Chatham House Rule“ – keine Informationen gehen raus wenn nicht gewünscht – wird doch ein Rahmen geschaffen, um sich ganz unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutauschen.
Im Endeffekt ist der Anlass an sich ein weiteres informelles Treffen im Sinne der Aufrechterhaltung eines barbarischen Systems und muss von links unten verurteilt und angegriffen werden.
Kein ruhiges Hinterland
Jahrzehntelang konnten sich KapitalistInnen und Nachwuchs ungestört treffen. Die lokalen Medien finden fast ausschliesslich wohlwollende Worte zum jährlichen Auflauf der Elite und die Stadt St. Gallen zeigt sich nur zu gerne als gute Gastgeberin. So sind zum Beispiel die ÖV für alle BesucherInnen des Symposiums an diesen drei Tagen gratis und selbstverständlich unterstützt eine Heerschar an Bullen die privaten Sicherheitskräfte dabei, das Gelände um die USG hermetisch gegen aussen abzuriegeln.
Kritische Stimmen sind rar. Ein lokales Bündnis will dieses Jahr zum dritten Mal mit einer Reihe von Veranstaltungen, Konzerten und weiteren Aktionen den HeuchlerInnen auf dem Berg zeigen, dass Diskussionen über eine Alternative zum kapitalistischen System und linke Politik auch vor dem St. Galler Hinterland keinen Halt machen. Ansatzpunkte zur Kritik am St. Gallen Symposium gibt es allein aufgrund der Gästeliste und der beteiligten Konzerne genügend. Auch wenn das Symposium nicht die Relevanz eines WEF hat: die Treffen der Bonzen sind immer eine Möglichkeit anhand eines konkreten Anlasses oder konkret beteiligter Akteure eine allgemeine Kritik am Kapitalismus zu formulieren und eine revolutionäre Perspektive abzuleiten.