SBB gibt Flächen zur Aufwertung in Zürich frei

AUFWERTUNG Die neusten Projekte der SBB-Immobilien in Zürich haben riesige Dimensionen und zeigen auf, in welche Richtung die Stadtaufwertung gehen wird.

(agj) Ende November haben die SBB-Immobilien bekanntgegeben, dass sie drei grosse Areale in Zürich für Umnutzungen freigeben werden. Es handelt sich dabei um Areale, die entlang den Gleisen zwischen dem Hauptbahnhof und dem Bahnhof Altstetten liegen. Insgesamt handelt es sich etwa um 140‘000 Quadratmeter, eine Fläche von rund 1.8 Europaalleen. In die Umnutzungen wird die SBB gemeinsam mit ihren Partnern rund 2 Milliarden Franken investieren. Es soll Raum für Wohnen, Gewerbe und Logistik geschaffen werden. Für die drei Areale haben die Bundesbahnen sich angesagte Namen ausgesucht, diese sind: Neugasse, Hardfeld und Werkstadt. Das tönt derart schön und lässig, dass man gar nicht anders kann, als sich die Projekte genauer anzuschauen. Die drei Projekte werden zeitlich gestaffelt angegangen, wobei jede Arealumnutzung einer Etappe entspricht. Losgelegt wird mit dem Projekt Neugasse.

Projekt 1: Neugasse

Im Projekt Neugasse ist eine Wohnüberbauung geplant, wobei für die Durchmischung ein bisschen Gewerbe nicht fehlen darf. Rund 25 Prozent dieses Areals ist hierfür reserviert. Von den geplanten Wohnungen sollen ein Drittel Genossenschaftswohnungen werden (wohl um dem Resultat der Volksabstimmung «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» zu entsprechen), der Rest nicht. Angesichts der Wohnungspolitik auf einem anderen prominenten Areal der SBB-Immobilien, nämlich an der Europaallee, darf hier wohl nicht unbedingt sozialer Wohnungsbau erwartet werden. Ähnlich wie bei der SBB-Überbauung an der Zollstrasse werden die Genossenschaftswohnungen als Feigenblatt verwendet werden, um die Aufwertungsrolle der SBB zu kaschieren. Wie alle drei hier beschriebenen Projekte kann man das Projekt Zollstrasse online anschauen und dort darüber mitdiskutieren, wie man das Wohnprojekt gestalten würde. So simuliert man heute Partizipation! Und so soll Widerstand im voraus besänftigt werden.

Der zweite Streich: Werkstadt

Weiter geht es mit dem Projekt Werkstadt. Die Namensgebung besteht aus einem feinen Wortspiel. Wo früher die SBB-Werkstätten standen, wird die Werkstadt kreiert, eine kleine Stadt, in der gearbeitet wird. Das ist der SBB wichtig. Wo vorher gearbeitet wurde, soll auch künftig gearbeitet werden. Ihre Vision ist ein «Zentrum für urbane Produktion». Sie stellen sich das so vor, dass Kleingewerbe, Gastronomiebetriebe, Start-ups und Firmen aus der Kreativwirtschaft in die Werkstadt einziehen sollen. Wer sich mit städtischen Aufwertungsprozessen beschäftigt, erahnt sogleich die Strategie dahinter. Dieser Firmenmix ist ein vielversprechender Indikator für eine weitergehende Aufwertung der Gegend rund um die ehemaligen Werkstätten. Eine Aufwertung des Quartiers, die wohlgemerkt schon länger im Gange ist (Beispiele dafür sind die Letzibach-Überbauung, die geplanten Mobimo-Immobilien auf dem ehemaligen Labitzke-Areal oder die Überbauung neben dem Letzipark), die aber mit diesen SBB-Projekten nochmals eine ganz andere Qualität annehmen wird. Unter den Partnern der SBB, die sich euphemistisch «Akteure der Transformation» nennen, gibt es einige bekannte Figuren aus der Gentrifizierungsszene. Ein Partner sind die KCAP Architects & Planers. Diese Firma ist spezialisiert auf Stadtplanung im grossen Stil. Sie rühmen sich mit Projekten in aller Welt, von China über Holland, bis zur Hafencity in Hamburg, dem wohl grössten Aufwertungsprojekt in Hamburg. Auch in Zürich sind sie keine Unbekannten, sondern mitverantwortlich für den Bau der Europaallee. Die anderen Partner kommen provinzieller daher. Dazu gehört die denkstatt sàrl, die sich auf Zwischennutzungen aller Art spezialisiert hat, und speziell in der Region um Basel tätig ist. Die Landschaftsarchitekten von Studio Vulkan, «die Freiraumplanung in städtischen Transformationsprozessen als Moderation von Widersprüchen» begreifen, sind auch mit an Bord. Sie haben ihre Position in den genannten Widersprüchen klargemacht, indem sie unter anderem den öffentlichen Raum rund um die Europaallee oder beim Prime Tower mit zu verantworten haben.

Der (vorläufige) Abschluss: Hardfeld

Die letzte Etappe ist das Hardfeld. Heute sind dort die Firmen Spross und Debag angesiedelt, die eine Müllentsorgungsstelle und einen Muldenservice anbieten. Hier soll ab 2030 eine «urbane Mischnutzung mit güterlogistischer Grundversorgung für die Stadt» entstehen, wobei zur Mischung wiederum kreatives Handwerk und innovative Forschung und Arbeit gehört. Dieses Projekt ist aktuell am wenigsten fassbar, es wird in den kommenden Jahren erst konkretisiert werden. Klar ist schon heute, dass das Prinzip der smart city zu all dem Gerede von Innovation auf den Umnutzungsarealen dazugehört. Die SBB-Projekte sind auch ein Labor, um derartige Konzepte auszuprobieren und zu evaluieren. Das Konzept ist diffus, aber entspricht von der Logik her demselben wie bei der sogenannten Industrie 4.0. Es geht darum, die Digitalisierung der Gesellschaft auszunutzen, Objekte miteinander zu vernetzen und so Prozesse zu rationalisieren und automatisieren. Seien es intelligente Strassenlaternen, die nur dann aufleuchten, wenn ein Auto oder Fussgänger in der Nähe sind, oder neue Formen des Transportwesens. Es ist mehr als passend, dass die Stadt Zürich nur einen Monat vor der öffentlichen Ankündigung dieser SBB-Projekte mitteilte, dass sie offiziell smart-city-Strategien entwickeln will und dazu einen Projektleiter ernannte. Dieses Konzept ist die Schnittstelle zwischen Digitalisierungs- und Aufwertungsprozessen. Damit die SBB-Immobilien mit ihren Liegenschaften langfristig Profit machen können (während an anderen Orten der Stellenabbau forciert wird), stellen sie sich auf die Forderungen aus Politik und Wirtschaft ein. Hochkarätig besetzte Initiativen wie digitalswitzerland 2025 geben dabei den Takt vor. Wenn auch die Aufwertungsprozesse oft widersprüchlich und komplex sind, so bleibt die Essenz dieselbe. Mit ihren neuen Projekten beweist die SBB einmal mehr, dass die Stadtaufwertung von oben eben keine Stadtaufwertung für alle ist.