Das World Economic Forum will in Davos mit einer geheuchelten Entwicklung eines kooperativen Führungsstils verlorenes Vertrauen wieder herstellen.
Das Jahrestreffen des World Economic Forums (WEF) vom 17. bis zum 20. Januar 2017 in Davos steht unter dem Motto, eine «reagierende und verantwortungsvolle Führung» zu entwickeln. Die VordenkerInnen des WEF schreiben in ihrer Übersicht im Internet, dass je komplexer ein System sei, desto grösser die Bedenken einer Gemeinschaft bezüglich ihrer Zukunft seien. Die Wahrscheinlichkeit einer Abwärtsspirale der Weltwirtschaft habe zugenommen. Die Vierte Industrielle Revolution schreite fort und die Situation jener Segmente, welche den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt nicht spürten, würde noch unsicherer wer- den. Eine «verantwortungsvolle Führung» setze das Erkennen der zunehmenden Frustration dieser Schichten voraus, erfordere national und global eine tiefere Verpflichtung zur ihrer Einbindung und ein gerechteres Wachstum.
Die WEF-StrategInnen bestätigten durchaus richtig, dass die rasante Entwicklung der digitalen Produktivkräfte auf Kosten der Mehrheit der arbeitenden Klassen geht. Doch nicht eine undefinierte komplexe Situation ist der Grund dieser Misere, sondern die alltäglichen kapitalistischen Gesetzmässigkeiten und Grausamkeiten auch derjenigen Entscheidungsträge- rInnen, die am WEF von einem gerechteren Wachstum reden. Mit leeren Absichtserklärungen verschleiern sie die eigenen innerimperialistischen Widersprüche in den verschiedenen Kriegsregionen, übergehen das Elend der Flüchtlingsströme und verniedlichen die Rechtsentwicklung. Sie haben weder gegen die Arbeitslosigkeit noch beispielsweise gegen die weltweit ungenügenden Gesundheits- und Sozialsystemen jemals Lösungsvorschläge angeboten, welche die Lebensbedingungen der Mehrheit der Weltbevölkerung hätten verbessern können. Diese Realität zeigt den Widerspruch zu dem in den Statuten festgelegten Zweck der Stiftung World Economic Forum auf, durch Vernetzung der führenden Kräfte aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft den Zustand der Welt verbessern zu wollen.
Hat das WEF ausgedient? Klaus Schwab liess 1971 in den Statuten auch fest- halten, dass die Stiftung unabhängig sei und keine politischen oder ideologischen Interessen verfolge. Die Strategic Partners wie etwa die ABB, Goldmann Sachs, Nèstle, Adecco oder Saudi Aramco finanzieren das WEF mit jährlich je über CHF 500`000. Es sind alle- samt knallharte VertreterInnen eigener Interessen. Die kanadische Aktivistin Naomi Klein hat in «The Guardian» zu den US-Wahlen analysiert, dass es Hillary Clinton zum Verhängnis geworden sei, dass sie als ein wichtiger Teil der neoliberalen Elite, am WEF ihre Partys geschmissen hätte, während die Menschen unter der neoliberalen Politik litten.
Das WEF wird von den finanzstarken Wirtschaftsfraktionen genutzt, um mit denjenigen Vertretern der Politik zusammen zu kommen, die für sich aufgrund ihrer jeweiligen politischen Lage einen Gewinn erhoffen. Zum diesjährigen WEF hat sich gemäss der «Financial Times» der chinesische Präsident Xi Jinping angekündigt. Auch er hat seine eigene politische Agenda, die darauf abzielen könnte, aus der erwarteten Verstärkung des US-Nationalismus Kapital zu schlagen. Xi will die Freihandelszone im Asien-Pazikraum (FTAAP) vorantreiben. Vielleicht erwartet er in Davos bei den BefürworterInnen des uneingeschränkten Handels dort die Türen aufstossen zu können, wo Trump sie schliesst.
Die unterschiedlichen Interessen zwischen den VertreterInnen des nationalen protektionistisch orientierten Kapital gegenüber den HerrscherInnen globalen Konzerne, für welche einschränkende Bestimmungen bürgerlicher-demokratischer Parlamente lästige zu überwindende Hindernisse darstellen, sind unübersehbar. Diese komplexe Situation hat seine Auswirkungen auf das WEF. Es bleibt seinen neoliberalen Interessen verpichtet, spricht aber lieber vom kooperativen Führungsstil, als von den global wesentlichen Themen, welche unter den Teilnehmenden die zelebrierte Einheit des «Spirit von Davos» gefährden könnte, zumal auch gar keine dienlichen Antworten zu erwarten wären.
Nach kapitalistischen Standards wird normalerweise ein Projekt, deren Zweck nicht erfüllt wird, rasch liquidiert. Leider wird das der Stiftung WEF nicht ohne weiteres passieren, da die Statuten von Anfang an nur Makulatur waren.
Aus: aufbau nr. 87