10 Jahre ist es her, seit die Sektion Winterthur des Revolutionären Aufbaus gegründet wurde. Im Gespräch mit einem Genossen des Aufbaus Winterthur blicken wir nicht nur zurück, sondern auch nach vorne.
Ihr habt euer 10-jähriges Bestehen am 3.12.16 mit Diskussionen, einer Ausstellung und einem Fest gefeiert. Der Kampf um die Stadt war das Thema einer der Diskussionsrunden an dieser Veranstaltung. Welche Aktualität hat die Stadtaufwertung von oben in Winterthur heute?
Die Stadt Winterthur treibt die profitorientierte Neuausrichtung ganzer Gebiete weiter voran. Neue Projekte sind stetig am entstehen. Äusserst interessant ist der Streit um das Erbe des Immobilienkönigs Bruno Stefanini. Die Unmenge an älteren und über Jahrzehnte kaum unterhaltenen Liegenschaften dürfte ein gutes Spielfeld für weitere Luxussanierungen bieten. Dagegen hat sich bereits eine breite Interessensgemeinschaft gebildet, welche versucht, die MieterInnen zu vernetzen und Widerstand von unten, als Basisorganisation, aufzubauen.
In den Ausstellungstexten heisst es, die Stadt Winterthur habe schon früh den Wandel von der Industrie- hin zur Dienstleistungsstadt vollzogen. Was bedeutete dies denn für die Stadtentwicklung?
Winterthur war durch den Niedergang der Schwerindustrie schon früh gezwungen, sich nach diesem Wandel ökonomisch neu zu orientieren. Als erste Stadt in der Schweiz gönnte man sich deshalb ein Standortmarketing und versuchte mit Loft-Chic «gute SteuerzahlerInnen» anzulocken. Die profitable Nutzbarmachung der leerstehenden Industrieflächen ist daher ein Prozess, welcher die Stadt Winterthur massgeblich gestaltet und prägt. Nur macht dieser Prozess natürlich nicht bei den Industriebrachen halt, sondern verteuert auch die Wohnungen rundherum und setzt sich vor allem auch mit der «Aufwertung» der Liegenschaften in der Altstadt fort.
In der ArbeiterInnenstadt Winterthur hat, wenig erstaunlich, auch das Themenfeld «Arbeitskampf» in eurer Ausstellung nicht gefehlt. Wieso war da so viel zur Rieter zu lesen, obwohl es bei Rieter in Winterthur in den letzten Jahren nie zu einem Arbeitskampf kam?
Für uns zeigt die Geschichte der Winterthurer Traditionsfirma Rieter exemplarisch die Angriffe der Bosse auf die ArbeiterInnen in Krisenzeiten. Erst wurde die Belegschaft in Kurzarbeit versetzt, dann häppchenweise entlassen und gleichzeitig die Arbeitsplätze nach China und Indien verlagert. Seit der Finanzkrise 2008 hat Rieter die Belegschaft in Winterthur fast halbiert während in China und Indien flott investiert und die Zahl der Angestellten in chinesischen Werken teilweise mehr als verdoppelt wurde. Ebenso beispielhaft lässt sich am Fall Rieter die Rolle der Gewerkschaften in der Schweiz ablesen: Von Streiks und Arbeitskämpfe wollten die Gewerkschaften auch bei Rieter trotz teilweise drastischen Massenentlassungen gar nichts wissen. Statt Arbeitskampf herrscht nach wie vor das Prinzip des Arbeitsfriedens.
Mit Flugblättern, Wandzeitungen und Artikeln wurde in Winterthur zu Streiks bei Rieter in Italien und zum Auslagerungsprogramm «Plan Gloria» informiert und der Kapitalexport nach Indien und China am Beispiel Rieter immer wieder thematisiert und der Zusammenhang zwischen Entlassungen, Auslagerungen und dem Bonzentreffen WEF aufgezeigt.
Wie die Ausstellung zeigte, scheint der Kampf gegen die rechte Hetze ein weiterer wichtiger Brennpunkt zu sein?
Im vergangenen Jahrzehnt gab es in Winterthur und Umgebung immer wieder reaktionäre Mobilisierungen und Veranstaltungen. Herauszugreifen ist sicher die ausserordentliche Generalversammlung der AUNS in Winterthur. Eingeladen war der damalige Vorsitzende der rechtspopulistischen britischen Partei UKIP, Nigel Farage. Eine breite Mobilisierung in der Altstadt setzte einen Gegenpunkt zum Reaktionären-Treffen. Mit Widerstand sahen sich aber auch immer wieder reaktionäre christliche Vereine und ihre Gäste sowie die Antifeministen konfrontiert.
Nun war die Ausstellung eher eine Rückschau. Wie seht ihr die Zukunft in Winterthur und eure Politik darin?
Wie bereits erwähnt geht die Stadtaufwertung in Winterthur rasant weiter. Weitere Grossprojekte stehen an und fördern so die Verdrängung. Die Regierung pocht auch auf die Profitmaximierung in anderen Bereichen. Diverse städtische und kantonale Betriebe wie die Stadtwerke oder das Kantonsspital sollen in naher Zukunft privatisiert werden. So werden sich die Widersprüche, welcher der Kapitalismus im urbanen Raum produziert, noch weiter verschärfen.
Für uns bedeutet dies, weiterhin orientierend und mit einer revolutionären Position präsent zu sein. Es ist uns ein Anliegen, die bestehenden Brennpunkte aufzugreifen und theoretisch sowie praktisch auf der Strasse miteinander zu vereinigen. Wir versuchen, auch in reaktionären Zeiten kämpferisch zu agieren und weiterhin die Kämpfe konkret zu führen. Dabei ist uns bewusst, dass wir den revolutionären Prozess als Etappen begreifen müssen. Was wir wollen, das ist allen klar, geht nicht von heute auf morgen. Deshalb ist es wichtig, so weit wie möglich in den aktuellen Kämpfen eine Gegenmacht aufzubauen.