Reale Solidarität gegen virtuellen Hass (Bericht aus Washington D.C. II)

aus Washington D.C., Samstag/Sonntag 28./29. Januar 2017

Es war ein schöner Anblick: Richard Spencer, der Führer der faschistischen „Alt-Right“ und bekennender „weisser Nationalist“, bekam am Tag der Inauguration Trumps, dem 20. Januar 2017, einen fadengeraden Faustschlag in die Fresse. Er war es, der kurz nach der Wahl Trumps vor versammelter Gefolgschaft „Heil Trump!“ schrie, einen biologisch begründeten Rassismus vertritt, ethnische Säuberungen und rassische Segregation forderte und den Kampf gegen einen vermeintlichen „Kulturmarxismus“ proklamierte. Ein ausgezeichneter Schlag also. Weniger schön sind hingegen zwei von Trump am Freitag (27.1.) erlassene Dekrete, welche ebenjene „Alt-Right“ – und deren Ideologie – bestärken.

Virtual Reality

Im ersten Dekret wurde Steve Bannon, ehemaliger Vorsitzender von „Breitbart News“, das er selber als Plattform der „Alt-Right“ bezeichnet, von Trump zum permanenten Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates ernannt. Zuvor wurde er bereits als Chefstratege der Regierung erkoren. Der Nationale Sicherheitsrat versammelt Mitglieder von Militär, Geheimdienste und anderen Sicherheitsapparaten – also der staatlichen Repressionsorgane –, und hat weitreichende Befugnisse, insbesondere was die Anordnung von aussergerichtlichen Tötungen betrifft. Es ist dies kein Ort, an dem man jemand wie Bannon sehen will.

„Breitbart News“ ist ein rechtsnationalistisches Informationsportal, welches der sanften Vermittlung eines rassistischen, islamophoben, antisemitischen Weltbilds – oder Verschwörungsideologie – dient. Dass es sich dabei oftmals um ausgemachten Schwachsinn handelt, hindert nicht daran, dass Breitbart die nach CNN und New York Times meistbesuchte Newsseite der USA ist. Breitbart News’ strategisches Ziel liegt darin eine alternative, also virtuelle und erfundene Realität zu vermitteln. Breitbarts Realität alternative Realität besteht aus einer Welt, in der muslimische Flüchtlinge (von Breitbart als barbarische Extremisten dargestellt), ImmigrantInnen (von Breitbart als Kriminelle und Schmarotzer dargestellt), „linken” Medien, (bei Breitbart bezahlte) AktivistInnen und eine (bei Breitbart als von einem Juden beherrscht dargestellte) globale Elite versucht, die weissen Nationalstaaten zu destabilisieren. In dieser alternativen Realität wird Trump – selbst Immobilienmakler und Milliardär – dann plötzlich zum Kämpfer gegen diese Elite, zum Retter der Nation vor einer angeblichen muslimischen Invasion und anderer Gefahren. In dieser alternativen Realität ist es dann auch möglich, wissenschaftliche Tatsachen wie den Klimawandel zu leugnen, um dem Interesse der Ölindustrie gerecht zu werden, und den Abbau von Frauenrechten, Arbeitsrechten, Grundrechten, Bildung und Gesundheit als Wohl der Arbeitenden zu verkaufen. Da die Medien und Forschungsinstitute Teil des Establishments sind, wird eine Immunität gegenüber möglichen Fakten aufgebaut, was Trump dazu befähigt, jede Lüge aufzutischen, die ihn weiterbringt.

Schlussendlich ist die alternative Realität Ausdruck der Krise des Kapitalismus: Der ArbeiterInnenklasse kann nichts anderes als die blanke Lüge angeboten werden, um damit die Illusion einer Perspektive innerhalb des Kapitalismus aufrechtzuerhalten. Trump kreiert subjektiv die Illusion einer Volksbewegung gegen „die da oben“, um objektiv den Interessen der Konzerne, also „derjenigen da oben“, zu dienen, obwohl er selbst „von oben“ herrscht. Dies mag den Herrschenden – auch wenn sie teilweise mit der Unberechenbarkeit Trumps ihre Mühe haben mögen – immer noch lieber sein, als eine tatsächliche Bewegung gegen die da oben.

Solidarität statt Spaltung

Das zweite Dekret vom letzten Freitag beinhaltet das Einreiseverbot für Muslime aus sieben Ländern. Zur Folge hatte der Erlass schon jetzt die Verhaftung von über 100 MigrantInnen an Flughäfen. So reaktionär Trumps Erlasse anmuten mögen, so gemässigt kann sich dieser geben. Trump verfolgt eine Taktik, die als „dog-whistle politics“ bezeichnet wird. Was er sagt, wird in einem klassisch bürgerlichen Diskurses geäussert. Zugleich appelliert er mit seinem Dekret aber an die „alternative Realität“: Als sicherheitspolitische Massnahme, wie das Dekret offiziell dargestellt wird, ergibt dieses wenig Sinn oder ist sogar kontraproduktiv. In einer „alternativen Realität“ sind Muslime jedoch nichts anderes als eine Gefahr, gegen die es sich zu verteidigen gilt. In dieser „Realität“ hat Trump mit seinem Verbot gerade dazu beigetragen, diese Gefahr einzudämmen und das kommt bei einem Teil er Bevölkerung durchaus an.

Dass Trumps Politik eine Praxis der Solidarität, die über Nationalitäten, Hautfarbe und Religionen hinausgeht, entgegengesetzt werden kann, zeigen die Reaktionen auf den rassistischen Einreisestopp: An zahlreichen Flughäfen, insbesondere in New York, Chicago und Washington, fanden am Samstag, dem Tag der Verhaftungen trotz Repression Demonstrationen statt. In Chicago und New York wurde der Verkehr gestoppt. Die Taxicab-FahrerInnen in New Yorker erzwangen gar einen kurzen Proteststreik. Am Tag danach wurde Boston, Washington und New York von Protestmärschen überflutet. Die festgesetzten Menschen aus den muslimischen Ländern mussten grösstenteils wieder freigelassen werden, und das Verbot wurde – obwohl noch in Kraft –gelockert, insofern nun Personen mit gültigem Aufenthaltsstatus die Wiedereinreise gewährt wird. Dies zeigt, was der Druck von unten und Solidarität bewirken kann.

Trump ist in seinem Handeln rassistisch und vertritt einen aggressiven Chauvinismus und Imperialismus. Offen faschistisch ist er jedoch nicht, obwohl seine Politik diese Tendenzen zeigt. Dies mag sich jedoch bei einer sich verschärfenden Krise ändern, und mit der „alternativen Realität“ baut er sich ein potentiell wirkungsmächtiges Instrument dazu auf. Den faschistischen Tendenzen und dem Rassimus den Nährboden zu entziehen, indem eine solidarische Praxis aufgebaut wird, indem die alternative “Realität” an der realen Solidarität zwischen den Menschen zerplatzt, wird Bedingung dafür sein, diese zurückschlagen zu können.

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