Mit Wirtschaftsboykott, Kriegsdrohung und farbiger «Revolution» soll die venezolanische Regierung destabilisiert werden. Die verfassungsgebende Versammlung ist ein weiterer Stein des Anstosses für die imperialistischen Mächte.
(rabs) Die Destabilisierung des venezolanischen Staates verläuft nach dem bekannten Muster der farbigen «Revolutionen»: Eine Opposition, die ihre Teilnahme an den Wahlen verweigert, und ein nach noch mehr Wohlstand schreiender Mittelstand auf der Strasse, unterstützt von bewaffneten Banden. Unterstützt werden diese Kräfte massgeblich durch die USA und Teile der EU, die mit Boykottmassnahmen und offenen Kriegsdrohungen die venezolanische Regierung in die Knie zwingen wollen. Die bürgerlichen Medien servieren den gewohnten Einheitsbrei und sprechen von einer Diktatur, die beseitigt werden müsse. Das Szenario erinnert fatal an den blutigen Putsch von 1973 gegen die Regierung Allende in Chile.
Credit Suisse entdeckt die Menschenrechte
Aktiv am Boykott beteiligt sich auch die Credit Suisse. «Die CS will nicht in Geschäfte mit einer Regierung verwickelt sein, die Menschenrechte verletzt», so der O-Ton der CS-Erklärung. Dies erstaunt nicht wenig von einer Bank, die weder in der Vergangenheit noch aktuell durch Zurückhaltung im Geschäft mit Diktaturen und Blutgeld aufgefallen ist. Die Beweggründe für den CS-Boykott gegen die linke Regierung in Venezuela liegen denn auch in der Angst vor weiteren Konflikten mit den USA, die den Schweizer Banken aus Konkurrenzgründen alles andere als wohlgesinnt sind. Die UBS will sich offenbar nicht so direkt als Lakaie des US-Kapitals outen und meint auf eine entsprechende Anfrage der SDA lapidar, «die jeweils aktuell erlassenen Sanktionen der Schweiz, der UN, der EU und der USA» würden weltweit umgesetzt.
Der Stein des Anstosses – die partizipative Demokratie
Das «Verbrechen» der Regierungen von Präsident Maduro und Chavez besteht in den Augen der rechten Opposition und ihrer imperialistischen Helfer in erster Linie darin, die Interessen der armen Bevölkerung, also der ArbeiterInnen, BäuerInnen und FischerInnen zu vertreten. Schlimmer noch, diese nicht nur zu vertreten, sondern in der am 30. Juli von 8 Millionen VenezolanerInnen gewählten verfassungsgebenden Versammlung selber zu Wort kommen und mitbestimmen zu lassen. Die Opposition hat diese Wahl nicht nur boykottiert, sondern auch mit bewaffnetem Terror und Überfällen auf Wahlbüros zu verhindern versucht. Trotz diesen Einschüchterungsversuchen haben 41% der Bevölkerung gewählt. Es ist schon eine ziemlich dreiste Lüge, wenn die imperialistische Bourgeoisie und ihre Medien dies als Ausdruck einer Diktatur Präsident Maduros denunzieren.
Diese Wahl war denn auch ein Desaster für die rechte Opposition. Offensichtlich fehlt ihr die Legitimität, und nicht zufällig gibt es seit dem 30. Juli praktisch keine Demonstrationen mehr. Die Regale in den Läden sind anderslautenden Meldungen zum Trotz seit längerem wieder gefüllt. Rund 6 Millionen BewohnerInnen erhalten monatliche Lebensmittelpakete. Die dem Neoliberalismus verschriebene rechte Opposition will diese abschaffen, was ihren Beliebtheitsgrad bei den werktätigen Massen kaum heben wird.
Ein weiteres Verdienst des Chavismus liegt in der Politisierung der breiten Massen. Auch das Erziehungssystem wurde grundlegend geändert. War es bis zur Wahl von Hugo Chavez proimperialistisch, wurde es danach antiimperialistisch. Es ist heute durchaus üblich, dass an den Schulen Marx, Engels und Lenin studiert werden.
Der Zerfall des Erdölpreises
Die imperialistischen Mächte, allen voran die USA, die Lateinamerika als ihren Hinterhof betrachten, versuchten immer schon, ihren Einfluss in Venezuela geltend zu machen. Es geht dabei nicht nur um Erdöl, sondern auch um Gas, Eisenerz, Gold, Koltan und Süsswasser- Reserven. Die Wirtschaft Venezuelas hat sich in den letzten 100 Jahren auf das Erdöl konzentriert, es gibt kaum eine eigenständige Industrie und die Landwirtschaft beschränkt sich auf Viehzucht. Von einer gewissen Bedeutung ist der Fischfang an den Küsten des Landes. Der Zerfall des Ölpreises traf das Land deshalb mit voller Wucht. Die fehlenden Exporteinnahmen konnten nicht durch andere Wirtschaftszweige aufgefangen werden. Für den US-Imperialismus eine gute Gelegenheit, den unliebsamen Chavismus endlich loszuwerden.
Natürlich stellt sich die Frage, wo die Verantwortung des Chavismus für die aktuelle Situation ist. Tatsache ist, Venezuela ist ein kapitalistisches Land und es ist sicherlich falsch, wenn die ChavistInnen von einer sozialistischen Regierung sprechen. Dies kann den Sozialismus in ein schlechtes Licht rücken. Das Problem des Chavismus ist damit nicht zuviel, sondern zu wenig Sozialismus. Die Politisierung der Massen und die Wahl der verfassungsgebenden Versammlung sind sicher wichtige Schritte. Nur sollten sie keine Illusionen über die wahren Machtverhältnisse wecken. Im Kapitalismus ist es letztlich immer das Kapital, das die Spielregeln festlegt. Dies gesagt, muss aber auch die Solidarität einer fortschrittlichen Regierung gegenüber und die Unterstützung ihrer Bemühungen deklariert werden.
Ganz anders sehen das die «wahren» RevolutionärInnen, wie z.B. die trotzkistische WSWS oder die maoistische MLPD. Für sie ist der Chavismus eine linksbürgerliche Bewegung, die es zu bekämpfen gilt. Chavez und alle anderen linken Regierungen sind «mit populistischen Versprechungen an die Macht gekommen und behaupteten, sie wollten die Bedingungen für die breite Masse der Bevölkerung verbessern.» Unterstellt wird auch die «politische Entwaffnung der lateinamerikanischen Arbeiterklasse durch die kleinbürgerlich-radikalen Tendenzen». Es soll an dieser Stelle keineswegs behauptet werden, die Regierungen von Präsident Chavez oder seinem Nachfolger Maduro seien makellos. Ein grosses Problem stellt beispielsweise die grassierende Korruption dar, die von der Regierung nicht effizient genug bekämpft wird. Kritisiert werden muss auch die nach wie vor praktisch totale Abhängigkeit des Landes vom Erdölexport.
Trotzdem, der Versuch, die Lebensbedingungen der breiten Massen in Venezuela zu verbessern, war kein populistisches Wahlversprechen, sondern ein nunmehr seit Jahren anhaltender Versuch, eine Politik im Dienste dieser Massen zu betreiben. Die zumindest teilweise Erfolglosigkeit dieser Politik liegt sicherlich nicht im Populismus der Regierung, sondern nebst den schon erwähnten Kritikpunkten zu einem grossen Teil in der systematischen Boykott- und Sabotagepolitik der sogenannten Opposition und ihrer Geldgeber, den internationalen Konzernen.