Solidarität mit der französischen ArbeiterInnenklasse!

CODE DE TRAVAIL In Frankreich wird der Ausnahmezustand theoretisch abgeschafft, doch ändert sich wenig. Präsident Macron „reformiert“ den Arbeitsmarkt nach seinen neoliberalen Idealvorstellungen – per Verordnung! Das Parlament soll am 20. November über die Veränderungen im Arbeitsrecht abstimmen, allerdings kann es nur ja oder nein stimmen, aber keine Korrekturen vornehmen. Am 16. November laden die Gewerkschaften ein, zahlreich auf die Strasse zu gehen, ein Kraftakt vor besagter Abstimmung.

(az) In Frankreich hat der Abnützungskampf einen Höhepunkt erreicht. Nachdem den ganzen letzten Sommer hindurch gegen die Arbeitsmarktreform von Hollande demonstriert worden ist, geht der Kampf ungebremst weiter, die Arbeitsmarktreform von Macron ist faktisch in Kraft gesetzt (Inhalt der „Reform“ unten) und bis 2018 kündet der Präsident an, Lohnnebenkosten senken zu wollen und die Sozialwerke zu dezimieren.

2016 war eine militante Bewegung auf den Strassen Frankreichs aktiv. Diese wurde insbesondere von Jungen getragen, es war sogar so, dass die SchülerInnen und StudentInnen die Gewerkschaften zum Kampf anstacheln mussten. Weil ihnen das gelungen ist, war die Bewegung erfolgreich – soweit das so gesagt werden kann. Denn verhindern konnten sie die Arbeitsmarktreform trotz fünfmonatigen harten Kampfes nicht. Das liegt daran, dass in Frankreich in Folge der Terror-Anschläge der Ausnahmezustand ausgerufen wurde und über Notstandsgesetze regiert werden konnte. Diesen Sommer hat das Parlament sich selber überflüssig gemacht und das weitere Regieren per Verordnung bevollmächtigt. Und es stellt ein riesiges Problem dar: Widerstand scheint zwecklos!

La loi, c’est moi

Der Sonnenkönig konnte noch von sich behaupten, der Staat zu sein. So absolut ist die Position Emmanuel Macrons noch nicht, doch Frankreichs Präsident kann mit einigem Fug und Recht behaupten, das Gesetz zu sein. Darin zeigt sich plastisch, welch instrumentelles Verhältnis der Kapitalismus gegenüber dem bürgerlichen Staat hat, gegenüber seinen Freiheiten und Verpflichtungen. Nice to have, wenn’s gerade passt. Dass die Gewerkschaften den erneuten Angriff trotzdem nicht einfach hinnehmen, ist bemerkenswert und zeigt das Selbstbewusstsein des militanten Teils der französischen ArbeiterInnenklasse.

Für die kampferprobte ArbeiterInnenbewegung Frankreichs sind Niederlagen keine Seltenheit, das gehört dazu. Doch dass die Regierung sie einfach schnodrig übergehen kann, den Protest einfach aussitzt, ist eine Dimension, die ihr zugesetzt hat. Und das ist jetzt spürbar. Die Bewegung gegen die aktuellen Angriffe war stark, doch verglichen mit der letztjährigen weniger breit. Weniger schlagkräftig war sie deshalb nicht: Wer im September gekämpft hat, tat das entschlossen. An dieser Streikbewegung kam schliesslich auch Macron nicht vorbei, obwohl er den Angriff so listig vorbereitet hatte.

Der planvolle Klassenkampf von oben

Emmanuel Macrons Angriff kam am 31. August, mitten in den Sommerferien, in einem Moment, in dem weder SchülerInnen und noch StudentInnen mobilisierungsfähig waren. Das mag hierzulande nicht besonders auffallen, für Frankreich stellt das aber einen Bruch in der politischen Kultur dar, der als bösartig und als „No Go“ betrachtet wird. Aber Macron liebt es, den Tabubruch als über Bord-Werfen des „verkrusteten“ Politikbetriebs zu betrachten und inszeniert sich als hipper Modernisierer. Entsprechend setzte Macron wenig später, am 23. September, seine Unterschrift unter die Verordnung und liess den Text im Amtsblatt publizieren, womit das Machwerk faktisch in Kraft trat, obwohl die Ratifizierung durch das Parlament noch aussteht.

Die Aufgabe zu mobilisieren lag also anfangs September einzig auf den Schultern der in den Sommerferien ebenfalls geschwächten Gewerkschaften. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Führungen der beiden grossen Gewerkschaften FO und CFDT im Vorfeld mit Versprechungen seitens der Regierung hatten korrumpieren lassen und nichts unternahmen. Erst jetzt, im Oktober, musste zumindest die FO unter dem Druck der Basis umschwenken und ruft nun auch zum Widerstand und zu den Demonstrationen vom 16. November auf.

Streik lohnt sich

Trotz dieser schlechten Voraussetzungen haben CGT und die Union syndicale Solidaires (Sud) im September eine Grossmobilisierung hinbekommen, was Hochachtung verdient. Nicht, weil es der Gewerkschaft an Argumenten mangeln würde, diesbezüglich hatten sie leichtes Spiel. Die Mehrheit der Bevölkerung ist ohnehin dagegen. Aber sehr erschwerend ist, dass die Regierung überdeutlich klar gemacht hat, dass sie den Widerstand ignorieren wird. Und ein Kampf mit sehr geringen Erfolgsaussichten ist nun mal erschwert. Dennoch fand der Kampf statt und wurde so entschlossen geführt, dass er nicht ignoriert werden konnte. Leider fällt das Resultat trotzdem äusserst zwiespältig aus, denn die Regierung hat mit den Avantgarden des Arbeitskampfes Sonderverträge abgeschlossen und damit ist es ihr gelungen, die Einheit des Kampfes zu durchbrechen.

Mit Klassenspaltung zur Reform

Camioneure und Docker, die Frankreich im September lahm gelegt haben, sollen aufgrund dieser Sonderverträge von den neuen Gesetzen ausgeschlossen werden und unter den alten Bedingungen weiterarbeiten können. Für alle anderen wird die Reform aber gelten. Das heisst, dass die Regierung die militantesten Gegner befriedet hat.

Es geht nicht an, überheblich über die Docker von Le Havre zu urteilen, die sehr lange erbitterten Widerstand geleistet haben. Dennoch ist es analytisch ein klarer Fall: Diese Sonderverträge müssen als Spaltung bezeichnet werden und das mindert die Schlagkraft der noch kämpfenden ArbeiterInnenklasse massiv.

Dem wird begegnet, indem am 16. November nicht gegen die Arbeitsmarktreform, sondern gegen die Regierungspolitik im allgemeinen demonstriert und gestreikt werden soll. So hofft die CGT wohl, dass auch die Dockers wieder mit an Bord sein werden. Es gibt durchaus Anlass genug für einen derartigen Kampf, ist doch z.B. soeben die „Reichensteuer“ abgeschafft worden und es ist sicher auch der Versuch wert, die ArbeiterInnenklasse geeint auf die Strasse zu bringen. Und schliesslich wissen in Frankreich alle, dass es im Grunde gegen die Arbeitsmarktreform geht, auch wenn das nicht ausgesprochen wird. Dennoch kann sich die CGT nicht darüber hinweg mogeln, dass sie mit dem Abschluss der Sonderverträge einen Grossteil der Klasse verraten hat.

Zum Inhalt der Reform

  • Die Abfindungen bei ungerechtfertigter Kündigung sollen gedeckelt werden – in anderen Worten: die vom Gericht verfügbare Strafe erhält eine Obergrenze.

  • Um Kündigungen zu rechtfertigen, mussten die Betriebe bisher global beweisen, dass Rationalisierungsmassnahmen notwendig sind. Neu wird die einzelne Filiale betrachtet, d.h. dass das Unternehmen die Möglichkeit erhält, Standorte gezielt zu schädigen und dann zu „sanieren“.

  • Bei KMUs reicht der Umsatzrückgang, um Kündigungen zu rechtfertigen – bisher mussten sie Verluste schreiben.

  • 2013 wurde das Gesetz so abgeändert, dass Lohnabhängige auf die ihnen garantierten Rechte verzichten dürfen, um ihre Arbeit zu erhalten. Neu „dürfen“ sie das auch verzichten, um dem Betrieb zu marktwirtschaftlichen Vorteilen zu verhelfen.

  • Verhandlungen ohne Gewerkschaften werden ermöglicht, vorerst bei KMUs.

  • Bei grösseren Betrieben: Jene Gewerkschaft, die 10% der Belegschaft vertritt, sitzt am Verhandlungstisch. Wer ab 30% der Belegschaft vertritt, ist unterzeichnungsberechtigt. Jedoch hat jene Gewerkschaft, die 50% vertritt, ein Vetorecht. Das ist der Trumpf, mit dem die CGT gelbe Gewerkschaften daran hindern kann, Abbaupläne zu unterzeichnen. Das Vetorecht soll gelöscht werden.

  • Verhandlungen sollen für einzelne Unternehmen statt für die Branche gelten.

  • Gremien wie z.B. jenes, das für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitskraft zuständig ist, verlieren an Einfluss.