Seit 150 Jahren produziert Unifranck in Ludwigsburg Caro-Kaffee. Eigentümer Nestlé will die Fabrik nun schließen. Gespräch mit Hartmut Zacher
Bei Nestlé finde Jobkahlschlag ohne jede wirtschaftliche Notwendigkeit statt, kritisiert die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Wie ist die aktuelle Situation in der Caro-Kaffee-Fabrik Unifranck in Ludwigsburg, die Nestlé nun dichtmachen will?
Nach 150 Jahren steht nun bei dem Traditionsbetrieb »Unifranck Lebensmittelwerke GmbH« in Ludwigsburg, der Ersatzkaffee produziert, das Ende bevor. 100 Beschäftigte sind betroffen. Die Geschäftsleitung hat ihnen mitgeteilt, dass sie zum Jahresende schließen will. Nestlé hatte den Betrieb in den 1970er Jahren übernommen und plant nun, die Produktion teilweise nach Portugal zu verlagern. Aus unserer Sicht will der Konzern nur seine Profitgier befriedigen. Die Stadt möchte die Immobilie in Bahnhofsnähe kaufen; und Nestlé ist der Auffassung, dass mit dem Verkauf des Firmengeländes Geld zu machen ist. Auf die Schnelle gibt es so mehr Gewinn als mit der Produktion des Ersatzkaffees.
Wir befürchten, dass diese Entscheidung des Nestlé-Vorstands nicht mehr rückgängig zu machen ist. Weil ihm die Umsatzrendite von 15 Prozent nicht reicht, hatte Nestlé-Chef Mark Schneider erst kürzlich verkündet, dass er sie auf 18,5 Prozent steigern will. Es geht also um 3,5 Prozent mehr Rendite für die Shareholder. Deshalb will der Nestlé-Vorstand die Arbeiterinnen und Arbeiter von Unifranck rausschmeißen. Für die Aktionäre gibt es einmalig mehr Geld. Das macht sie glücklich.
Die NGG moniert also, es gehe einzig um eine »von Hedgefondsmanagern vorgeschriebene, radikale Gewinnoptimierung«.
Ja. Das ist knallharter Kapitalismus, da gibt es gar nichts zu beschönigen. Die Fabrik hat wirtschaftlich gearbeitet, sie war kein Zuschussbetrieb. Aber dem Vorstand von Nestlé in der Schweiz reicht es einfach nicht. Ihm geht es bloß darum, Gewinn zu maximieren. Das ist alles.
Auch die Stadt Ludwigsburg ist in diesen Skandal verwickelt?
In der Tat, die Stadt verhandelt mit dem Nestlé-Konzern über das insgesamt 21.000 Quadratmeter große Areal. Die Belegschaft von Unifranck ist über diese Grundstückspekulationen äußerst sauer. Für die Kolleginnen und Kollegen geht es darum, wovon sie künftig leben sollen.
Wie ist die Reaktion der Kolleginnen und Kollegen, denen nun die Erwerbslosigkeit droht?
Nachdem ihnen die Schließung vor etwa zwei Wochen bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt wurde, waren sie zunächst fassungslos und wie gelähmt. Jetzt erwacht langsam der Widerstandsgeist. Sie wollen sich nicht einfach abfertigen lassen und akzeptieren nicht, dass sie noch vor Weihnachten diesen Jahres auf die Straße gesetzt werden sollen. Sie fangen jetzt an, zu kämpfen. Wann tatsächlich das Ende des kompletten Betriebs droht, ist nicht bekannt – gerüchteweise schon im November.
Mir ist rätselhaft, wie das funktionieren soll. Viele Mitarbeiter haben sieben Monate Kündigungsfrist. Bevor Kündigungen ausgesprochen werden können, muss zunächst ein Sozialplan her. Die Belegschaft kann es nicht glauben, dass der Betrieb platt gemacht werden soll, der gar nicht in den Miesen war. Sie haben Angst, keinen Arbeitsplatz mehr zu finden, der ihnen ein angemessenes Einkommen zusichert. Bei einer Leiharbeitsfirma ist freilich immer ein Job zu finden. Aber solche Arbeitsverhältnisse will ja niemand, der jahrelang in einem gesicherten Job gearbeitet hat.
Welche Probleme warten jetzt auf die Mitarbeiter?
Nun, sie sind im Durchschnitt 50 Jahre alt. Es trifft vielfach ältere Kolleginnen und Kollegen, die kurz vor der Rente stehen, aber auch manch junge, die ihr Erwerbsleben gerade erst beginnen. Manche haben sich gerade erst eine Eigentumswohnung oder ein Haus gekauft, das noch abbezahlt werden muss. Sie hatten gedacht, ihr Arbeitsplatz sei sicher.
Wie werden die nächsten Schritte aussehen?
Die NGG und auch die Belegschaft wollen jetzt genau wissen, welche Rolle die Stadtverwaltung von Ludwigsburg dabei spielt. Ob sie wirklich darauf pocht, dieses Gelände zu kaufen – und falls ja, ob ihr dabei nicht klar ist, zu welchem Preis dies geschieht. Die NGG schlägt vor, Sachverständige einzuschalten, die überlegen, wie diese Arbeitsplätze in der Region noch zu retten sind. Der Nestlé-Vorstand beharrt aber, den Betrieb dichtzumachen. Wir werden auf jeden Fall überlegen, wie wir ihm das Leben zumindest noch ein wenig schwer machen können. Wir beraten uns mit dem Betriebsrat.
Hartmut Zacher ist Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) Region Stuttgart
Gitta Düperthal / Junge Welt vom 27. Juni 2018