«Der ambitionierteste Betreiber und Investor»

Die Flughafen Zürich AG betreibt nicht nur den Flughafen in Zürich, sondern beteiligt sich auch an anderen Flughäfen. Aufgrund der rücksichtslosen Investitionsstrategie gehört die Aktiengesellschaft zu den wichtigsten Flughafen-Betreibern der Welt – all dies mit freundlicher Unterstützung des Kantons Zürich.

(az) In Lateinamerika ist die Flughafen Zürich AG an sechs Flughäfen beteiligt, die sie wahlweise selbst betreibt oder nur Anteilsscheine daran besitzt. Zwei davon liegen in Brasilien. Auf die naheliegende Frage, wie sich die Wahl Bolsonaros darauf auswirken werde, meinte Lukas Brosi, der Finanzchef des Zürcher Flughafens, im letzten Jahr vielsagend: «Die Wahl Bolsonaros ist mit Blick auf die Privatisierungen für uns eher positiv.» Dies hat Gründe. Nicht nur senken lästige Regulationen die Profitmarge im Flughafenbetrieb, auch hofft man bei der Flughafen AG, dass sich mit Bolsonaro die Situation am Standort in Belo Horizonte verbessern werde. Zudem will man im Januar an ersten Privatisierungsrunden zur Versteigerung weiterer, bisher öffentlicher Flughäfen mitbieten. Da kommen ein neuer Präsident und seine neoliberale Marktöffnung gerade recht.

Internationale Investitionen
Der Betrieb und Ausbau von Flughäfen sind ein wachsendes Milliardengeschäft. Im letzten Jahr rechnete man weltweit mit fast 900 geplanten oder angedachten Projekten, die Investitionen im grossen Umfang benötigen. Davon will auch der Flughafen Zürich profitieren. Zehn bis fünfzehn Prozent vom Gewinn sollen künftig aus Investitionen im Ausland stammen. Schon heute ist die Flughafen AG der führende europäische Investor in Lateinamerika. Das «Centre for Aviation» bezeichnete den Flughafen Zürich deswegen einst als den «den ambitioniertesten Betreiber/Investor im Geschäft».

Dass Firmen in ihrem Profitstreben keine Grenzen kennen, ist nicht besonders erstaunlich. Unzählige Schweizer Firmen investieren im Ausland und nehmen dabei keine besondere Rücksicht auf Mensch und Natur. Der grosse Unterschied zwischen der Flughafen Zürich AG und anderen Firmen liegt allerdings darin, dass 33.3% deren Aktienanteile dem Kanton und 5.05% der Stadt Zürich gehören. Insbesondere der Kanton segnete in den vergangenen Jahren die Investitionsstrategie im Ausland ab. So lobte man im letzten kantonalen Geschäftsbericht beispielsweise die «Gewinnmöglichkeiten», die sich im Ausland auftun, da die Wachstumsgrenze in Zürich alsbald erreicht sei. Zwar gibt es beim kantonalen und städtischen Parlament auch kritische Stimmen, diese drehen sich aber vollumfänglich um das Investitionsrisiko im Ausland und nicht um die dortigen Arbeits- und Lebensbedingungen.

Politischer Druck
Investiert die Flughafen Zürich AG, wird sie schnell einmal zur politischen Akteurin. 2013 erwarb die Flughafen AG beispielsweise für den Zeitraum von 30 Jahren einen Viertel des internationalen Flughafens von Belo Horizonte. Beim Kauf ging man davon aus, dass der Staat zeitgleich in die Infrastruktur investieren würde. Aufgrund der im selben Jahr auftretenden Wirtschaftskrise Brasiliens fehlte jedoch das Geld für den weiteren Ausbau. Die Flughafen AG musste nun Bauten vorfinanzieren, die eigentlich vom staatliche Flughafenbetreiber Infraero hätten bezahlt werden sollen. Trotz dieser Leistung zeigte sich der Staat in den Augen der Flughafen AG aber undankbar. Plötzlich wollte Infraero nämlich Belo Horizontes zweiten Flughafen aufwerten und dort ebenfalls internationale Flüge anbieten. Weil dies bei Vergabe der Konzession an die Flughafen AG nicht bekannt war und dies an ihrem Standort für einen erheblichen Passagierrückgang sorgen würde, war man bei der Flughafen AG erbost. Lukas Brosi nannte die Entscheidung zum geplanten Ausbau des zweiten Flughafens ein «schlechtes Signal für internationale Investoren». Offen drohte man mit einem Rückzug und einem Ende der Investitionen. Mit der Wahl Bolsonaros ändert sich jedoch die Ausgangslage. Dieser würde, so hofft man in Zürich, mehr auf internationale Investoren hören. Entsprechend ehrlich geht man bei der Flughafen AG mit seinen Ansprüchen um: Entweder eine «juristische» oder aber eine «politische» Lösung erhoffe man sich bald, so der Finanzchef weiter. Will heissen, damit die Profite bei der Flughafen AG stimmen, soll es der brasilianische Präsident von ganz oben richten.

Investitionen in Indien
Zwar besitzt die Flughafen AG aktuell nur Beteiligungen an Flughäfen in Lateinamerika, allerdings hat man mit Investitionen im Ausland auch andernorts gute Erfahrungen gemacht. 2001 investierte die Flughafen AG, unter anderem zusammen mit Siemens, in den Bangalore Kempegowda International Airport. Bis 2015 stellte der Flughafen Zürich dort auch Kaderleute für den Betrieb. Als der Betriebsvertrag jedoch auslief, verkaufte die Flughafen AG im selben Jahr ihre letzten Beteiligungen. Aus dem Verkauf aller Aktien resultierte am Ende ein Gewinn von gut 100 Millionen Franken.

Solche Gewinne ergeben sich, wenn der Wert des Flughafens aufgrund steigender Passagierzahlen und günstiger Betriebsangebote steigt. Dies erreicht man dort, wo möglichst rücksichtslos mit Menschen und Natur umgegangen wird. In Bangalore beispielsweise kaufte der Staat für den Bau des Flughafens gut 10 km2 Land unter Marktpreis. Bisher ansässige Menschen wurden vertrieben. Die Flughafenbetreiber und der Staat versprachen den Vertriebenen zwar bessere Wohnungen und Jobs, allerdings wurde dieses Versprechen nie erfüllt.

Aufgrund der für die Flughafen AG positiven Erfahrungen, hat diese Ende des letzten Jahres eine Offerte für den Bau des Bhogapuram Airport eingereicht. Auch hier will der Staat etliche Quadratkilometer Land enteignen beziehungsweise günstig kaufen, um es dann den privaten Investoren zur Verfügung zu stellen. Zudem sollen im Umland zahlreiche Geschäfte und Büros entstehen, eine Art «Aerotropolis», eine innovative Flughafenstadt ganz nach dem Geschmack der Flughafen AG und ihrem Zürcher «The Circle». Gegen den drohenden Ausverkauf und die Zerstörung von Farmland demonstrierten vor einigen Jahren über 7000 LandwirtInnen – immer wieder betonten die DemonstrantInnen dabei die negativen Erfahrungen von vergleichbaren Projekten. Auch in diesem Jahr fanden Proteste statt. Allerdings sieht es aktuell nicht so aus, als ob das Flughafenprojekt noch gestoppt werden könnte.

Geplante Expansion nach Südostasien
Um seine Fühler auch in weitere Regionen auszustrecken, betreibt die Flughafen Zürich AG seit 2018 ein Beratungsbüro in Malaysia. Dieses soll den südostasiatischen Markt sichten und künftige Investitionen vorbereiten. Aktuell geplant sind Anfragen in Vietnam und Indonesien. Unter anderem interessiert man sich aktiv für den Bau von Vietnams grösstem Flughafen, den Long Thanh International Airport. Für das geplante Projekt werden 17›000 Menschen umgesiedelt werden müssen. Schon eingereicht hat man 2018 eine Offerte für den Clark International Airport in den Philippinen, ein ehemaliger Militärflughafen in Angeles City, der in den kommenden Jahren zum internationalen Flughafen umgebaut werden soll. Die Flughafen AG zog zwar den Kürzeren, doch alleine, dass man überhaupt für den Betrieb des Projektes mitbot, zeigt, wie rücksichtslos man bereit ist, im internationalen Markt mitzuspielen.

Der Clark Airport gehört zu den Vorzeigeprojekten des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte. In Rekordzeit wurden Konzessionen und Aufträge international vergeben, um nicht nur einen internationalen Flughafen aus dem Boden zu stampfen, sondern das Umland ebenfalls in eine Art Aetropolis zu verwandeln. Dieses weltweite, irrationale Vertrauen in Flughafenstädte resultiert vermutlich aus dem ersehnten Prestigewert, dem erhofften Zuzug von modernsten IT-Firmen und dem Ideologem einer unendlichen Mobilität. Der Clark Airport ist zudem nahe einer Sonderwirtschaftszone gelegen, entsprechend gross ist die Hoffnung auf Investitionen internationaler Firmen. Für diesen Traum hat die philippinische Regierung bereits grosszügig in ein neues Terminal investiert – und Platz geschaffen. Für den weiteren Ausbau wurden über hundert LandwirtInnen vertrieben. Diese erklärten sich zwar bereit, ihr Land zu verlassen, wenn sie Kompensationszahlungen dafür bekommen würden, allerdings hatte man bei der Regierung und beim Flughafen einen günstigeren Plan. Kurzerhand deklarierte man die bisherigen Siedlungen als illegal. Zudem liess der Flughafen verlauten, dass der Anbau von Landwirtschaftsprodukten in der Nähe des Flughafens Vögel anlocke und so die Anzahl an Kollisionen rasant zugenommen habe. Mit der Legitimation dieses angeblichen Sicherheitsbedenkens im Rücken wurden die BewohnerInnen im letzten Oktober mit einem Polizeieinsatz vertrieben.

All diese Auseinandersetzungen um den Ausbau des Clark Airports waren bekannt, als der Flughafen Zürich seine Offerte einreichte. Die Vertreibung der BewohnerInnen fand statt, als die Flughafen AG noch Teil des Bewerberfeldes war – freilich ohne, dass irgendein Investor sein Angebot zurückzog. Das System dahinter ist einfach. Wollen FlughafenbetreiberInnen mit möglichst hoher Profitmargen investieren, sind sie auf staatliche Durchsetzung der Kapitalinteressen und lasche Regulationen angewiesen. Da kommen Präsidenten wie Duterte oder Bolsonaro gerade recht. Darüber, dass der Kanton Zürich indirekt Teil dieses Spieles ist, darf man sich durchaus empören.

Enteignet die Enteigner
Ein Lichtblick bleibt, dass es auch im Milliardengeschäft der Flughäfen stets eine kämpfende Seite gibt. Kurz nach Bekanntgabe des neuen Betreibers stimmten die bisherigen ArbeiterInnen des Flughafens in Clark für einen Streik. Alle Angestellten sollten neue Verträge zu schlechteren Konditionen erhalten. Die Verhandlungen stehen noch aus. Auch langfristige Lösungen zur Eindämmung der Flughafen Zürich AG wurden schon erprobt. Unter der Regierung Chávez wurden  ihre Besitztümer in Venezuela kurzerhand verstaatlicht. Wenig verwunderlich war man vor Gericht, dem «International Centre for Settlement of Investment Disputes» in Washington D.C., der Meinung, dass dies nicht angebracht sei. Das Gericht verurteilte Venezuela zur Zahlung von 20 Millionen Franken an die Flughafen AG. Der Betrag wurde bis heute nicht ausbezahlt – und das ist auch gut so.

aus: aufbau 97