Schreiben von MakeRojavaGreenAgain und Rojava Komitee Zürich

Leben ist Widerstand – Widerstand ist Leben!

Die vergangenen Monate der Corona-Krise mit ihrer ungleichzeitigen Entwicklung über den Globus haben verschiedenartig das Scheinwerferlicht auf die verschiedenen Widersprüche innerhalb des kapitalistischen Systems gelenkt. Schlagartig fallen die Hüllen und der Blick wird freigelegt auf die grundlegenden Mechanismen, nach denen unsere Gesellschaft funktioniert. Systemrelevant sind jene Berufe, die in vergangenen Jahren gesellschaftlich als wenig attraktiv galten, nun aber in ihrer zentralen Bedeutung erkannt werden. Die Bedeutung des Care- und Pflegebereichs – und damit eine Arbeit, die insbesondere von Frauen* geleistet wird – wird sichtbar. Genauso wie aber umgekehrt die Frage zu stellen ist, was denn mit all jenen Berufen ist, in denen wir (zum Teil) viel Zeit für mal mehr, mal weniger Lohn verbringen, die aber von einem Tag auf den anderen zu irrelevant degradiert werden. Kurz: Die Corona-Krise stösst grundlegende Fragen über die Art und Weise an, wie wir heute zusammenleben und wie wir künftig zusammenleben wollen.

Dieses System ist lebensfeindlich

Eine der Facetten dieser Fragen sind die erstaunlichen und ermutigenden Bilder, auf denen wir sehen, wie innert kürzester Zeit die Natur sich (teilweise) erholen kann. Die Umweltverschmutzung nimmt rapide ab, wenn die Fabriken ihre Tore schliessen, keine Flugzeuge mehr am Himmel kreisen und der Automobilverkehr in Folge von Lockdowns stark verringert wird. Der Smog verschwindet, das Wasser wird klarer und man hofft, es möge in dieser Hinsicht noch eine Weile so bleiben.

Wir wissen zugleich, dass einzelne Bilder nicht mit einer nachhaltigen Erholung der Natur zu verwechseln sind für die es wohl deutlich mehr als einige Tage Produktionsstopp bräuchte. Dennoch bleibt erstaunlich: Plötzlich sind Sachen möglich, die zuvor als unmöglich beschrieben wurden, was offenlegt, dass es eben nie eine Frage des gesellschaftlichen Könnens war, sondern eine Frage des gesellschaftlichen Willens wenn es um den Schutz von Natur und Umwelt geht.

Es ist erschreckend, dass es die Lebensfeindlichkeit des Virus braucht, um für eine kurze Zeit die Lebensfeindlichkeit des kapitalistischen Systems zu unterbrechen, in welcher dem Profit alles untergeordnet wird – Umwelt, Gesundheit, Frieden. All das ist sekundär wenn es darum geht, Mehrwert zu erzeugen. Nur jetzt, angesichts dieses Virus, das potenziell hunderttausende Menschen töten kann, hält dieses System kurz inne, gleichsam einer Notbremse im Zug. Und in diesem Moment des scheinbaren Stillstands, in dem die Natur mehr lebt als wenn die Wirtschaft brummt, bestätigt sich eine der Parolen der kurdischen Bewegung: Berxwedan jiyan e – Widerstand ist Leben, weil angesichts der Lebensfeindlichkeit dieses Systems zu leben zu widerstehen ist und zu widerstehen zu leben heisst.

Und danach?

Es ist lediglich ein scheinbarer Stillstand, weil zugleich gewaltige Transformationsprozesse stattfinden. Sei es gedanklich, aufgrund der vielen sich aufstossenden Fragen die sich im Zuge dieser Krise stellen. Sei es praktisch, aufgrund der schnellen und tiefgreifenden Veränderungen in der Art wie wir leben und arbeiten (jedes Schlafzimmer wird zum Home Office). Es scheint klar, dass die Vertreter*innen dieses Systems die Gunst der Stunde wittern, in der so vieles offen steht, um ihre Profitlogik im nächsten

Atemzug weiter zu optimieren. Bereits erscheinen die ersten Artikel darüber, dass alle Geschäfte wieder zu öffnen sind, während wir vor nicht einmal zwei Wochen darüber sprachen, dass die Baustellen zu schliessen sind. Diejenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren Sparpaketen und dergleichen im Care-Bereich die Vorausset zungen (mit)geschaffen haben in welcher diese biologische Bedrohung so schnell zu einer allgemeinen Krise werden kann, warten nur darauf, die Produktion möglichst schnell wieder anzuwerfen – idealerweise zu Bedingungen, die für sie noch weit besser sind als vor Corona.

Wir dürfen ihnen das Feld nicht überlassen, weder in der Krise noch danach. Der Ausnahmezustand in den Händen der Herrschenden wird letztlich zugunsten der Herrschenden sein. Wer plötzlich den Wert der Solidarität erkannt haben will, nachdem jahrelang eine unsolidarische Politik des Profits gegen Mensch und Natur praktiziert wurde, dem/der ist nicht zu trauen. Wir wissen aus Rojava, dass es möglich ist, eine Gesellschaft nach anderen Prinzipien zu organisieren. Eine Gesellschaft, in welcher in der jetzigen Corona-Krise das Gesundheitswesen Rojavas das Kommando hat. Im Gegensatz etwa zur Schweizer Realität, in welcher der Bundesrat gemeinsam mit 300 Bankern und Wirtschaftsgrössen Krisenantworten plant. Wir müssen dranbleiben, weitermachen, nicht aufgeben. Die Hoffnung auf Veränderung kann keine Apokalypse sein, sondern entsteht durch unsere gemeinsame Organisierung – gegen die Lebensfeindlichkeit dieses Systems!

Berxwedan jiyan e! Widerstand ist Leben!

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@AgendaRojka

MRGA Zürich und Rojava Komitee Zürich