Flugblatt: KiTas am Limit

Gegen privaten Profit – Gute Bedinungen erkämpfen!

Die aktuelle Pandemie hat zwei Sachen gezeiagt: Care-Arbeit ist ein zentrales Fundament für das gesellschaftliche Funktionieren und Care-Arbeit ist den EntscheidungsträgerInnen in Politik und Wirtschaft trotzdem nichts wert. Das haben neben den KollegInnen in den Spitälern und den Kinder- und Jugendheimen auch die KinderbetreuerInnen in den KiTas hautnah erleben müssen. Der Staat wusste, dass die KiTas wichtig sind, damit ArbeiterInnen anderer Wirtschaftsbereiche ihre Kinder in Betreuung geben können. Deshalb hat er ja auch entschieden, dass die KiTas – im Gegensatz zu den Schulen – offen bleiben müssen. Aber alle weiteren Fragen – wie die KinderbetreuerInnen und die Kinder dann geschützt werden sollen, unter welchen Arbeitsbedingungen sie das gewährleisten sollen, oder schlicht, wie KiTas finanziell so überhaupt über die Runden kommen sollen – waren den EntscheidungsträgerInnen schlicht egal. Der Widerspruch zwischen der Wichtigkeit der Care-Arbeit und der Unfähigkeit einer kapitalistischen Gesellschaft, dieser Arbeit angemessenen Bedingungen und Ressourcen zu bieten, zeigte sich in der Pandemie noch stärker als sonst.

 

Kinderbetreuung: Wichtig, aber dem Kapital nichts wert

Niemand würde behaupten, die Förderung von Kindern sei unwichtig. Und wären wir in einer Gesellschaft, in der sich nicht alles um Profite dreht, wäre auch unbestritten, dass Wichtiges halt auch etwas kosten darf. Wir leben aber im Kapitalismus und hier ist alles verdreht: Kinderbetreuung bleibt zwar wichtig, aber sie soll möglichst wenig kosten, irgendwer soll sie irgendwie machen – aber möglichst billig oder gar gratis. Das ist der materielle Grund, weshalb gesellschaftlich so wichtige Arbeit wie die Kinderbetreuung – aber auch alle Care-Arbeit – ideologisch zur Privatsache abgetan wird. Was nämlich privat ist, wird irgendwie einfach gemacht. Und damit Menschen im Kapitalismus etwas einfach machen, ohne dafür Lohn einzufordern, braucht es patriarchale Ideologien und Zwänge, die Frauen unterstellen, dass sie Care-Arbeit sowieso selbstverständlich leisten. Das ist der materielle Grund, weshalb der Kapitalismus patriarchale Strukturen und Ideologien so nötig hat. Er will für etwas so zentrales wie Kinderbetreuung nichts zahlen, deshalb wertet er diese Arbeit als Privatsache ab.

Und wenn eine solche Gesellschaft für Kinderbetreuung nichts zahlen will, und gleichzeitig auch noch zulässt, dass private profitorientierte InvestorInnen in KiTas mitmischen, dann sind so skandalöse Bedingungen wie bei pop e poppa oder Globegarden nur eine logische Konsequenz. Das Sparen bei der Kinderbetreuung und die Suche nach privaten Profiten sind nur auf Kosten von Arbeitsbedingungen und Betreuungsqualität möglich – und die Kosten gehen voll auf die KinderbetreuerInnen, welche am Limit laufen, zwischen Verantwortungsgefühl und Selbstschutz aufgerieben werden und ins Burnout geraten.

KiTas sollen kosten!

Aber gerade weil Kinderbetreuung in einer kapitalistischen Logik eben nichts wert ist, kann sie zur Frage mit politischer Sprengkraft werden. Der Fall ist so einfach wie klar und wir müssen ihn selbstbewusst vertreten: Kinder sind nicht gratis zu haben und Kinderbetreuung ist Arbeit. In der Aussage liegt nicht nur eine Stärke, sondern auch eine Kritik am Kapitalismus. Von diesem Standpunkt aus entlarvt sich nämlich eine kapitalistische Logik als menschenfeindlich, wenn sie ökonomische Kosten-Nutzen-Abwägungen für Kinder berechnet oder eben die wichtige Arbeit mit Menschen als wertlos umdeutet. Und diesen Standpunkt müssen gerade auch da verteidigen, wo „linke“ und rechte PolitikerInnen beginnen sich für KiTas einsetzen, indem sie in Kindern ein Humankapital entdecken, sie als Standortfaktor missbrauchen oder ihren volkswirtschaftlichen Nutzen berechnen. Wer in Menschen primär aktuelle oder zukünftige Arbeitskräfte und damit Profitmaschinen sieht, ist Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Denn es sind genau solche kapitalistischen Logiken und politischen Positionen, die erst dazu führen, dass wir für bessere Bedingungen für Care-Arbeit kämpfen müssen. Statt sich also hinter Kostenfragen zu verstecken, müssen wir im Kampf um Care-Arbeit vielmehr das Potential zur grundsätzlichen Systemfrage nutzen: Wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, welche menschliche Bedürfnisse unter den Profit stellt!

Die KiTa-Frage zum Hebel für die Gewerkschaftsbewegung machen

Diese Sprengkraft ist besonders wichtig, weil die Gewerkschaftsbewegung unbedingt wieder für mehr als blosse Krisenabwicklung und Händeschütteln mit den ArbeitgeberInnenverbänden bekannt werden muss. Wir erleben in diesen Monaten die grösste Krise seit dem zweiten Weltkrieg und die Gewerkschaftsführung hält die Füsse still. Dabei müssen wir jetzt in die Offensive mit politischen Visionen, die radikal brechen mit neoliberaler Abbau-, Spar- und Privatisierungspolitik. Jahrzehntelange neoliberale Ideologie hat zur absurden Situation geführt, dass viele KollegInnen sich rechtfertigen müssen, dass unsere Löhne die Profite der KapitalistInnen schmälern. Deshalb müssen wir den Spiess umdrehen und umgekehrt denunzieren, dass die Profitjagd der KapitalistInnen der Gesellschaft nichts zu bieten hat und sie vielmehr bedroht. Die Bedürfnisse der Menschen zählen – nicht der Profit. Und der Kampf um bessere Bedingungen in der Kinderbetreuung kann genau das zum Ausdruck bringen. Er ist aktuell einer der wenigen Bewegungen selbstorganisierte Lohnabhängiger, die nach vorne weist und das Gerede von ökonomischen Sachzwängen rechts liegen lässt. Reichtum hat diese Gesellschaft genug und wir wollen, dass er jetzt für menschliche statt für Kapitalbedürfnisse eingesetzt wird!