Grünes Licht aus USA – Großoffensive der Türkei im Nordirak

Der Verteidigungsminister der Türkei, Hulusi Akar (M.), besucht die Truppen an der Grenze zum Irak (19.6.2020)

In der Nacht zum Mittwoch begann die türkische Armee eine neue Großoffensive gegen die Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Autonomieregion Kurdistan im Irak. In der Regel erfolgten solche Militäroperationen im Frühjahr, wenn die Guerilla ihre unterirdischen Winterlager in den Bergen verlassen hat. Doch Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht sich derzeit innenpolitisch unter Druck durch Studierendenproteste, die, ausgehend von der Bosporus-Universität in Istanbul, auf das ganze Land überzugreifen drohen. Da versucht Ankara wie stets bei oppositionell demokratischen Regungen die antikurdische Karte auszuspielen: Durch Kriegstrommeln sollen die Reihen der türkischen Nationalisten wieder geschlossen werden.

Die Hubschrauber, die Luftlandetruppen in der rund 70 Kilometer von der Grenze der Türkei entfernten Gare-Region absetzten, kamen vom Süden her aus dem Inneren der Autonomieregion. Schon daran wird deutlich, dass diese Operation in Kooperation mit der in Erbil regierenden Barsani-Familie erfolgt. Der feudale Clan, der durch Ölgeschäfte eng mit Ankara verbunden ist, sieht in den sozialrevolutionär orientierten Anhängern des Vordenkers der kurdischen Freiheitsbewegung Abdullah Öcalan, die im benachbarten Nordsyrien staatsähnliche Strukturen geschaffen haben, eine Bedrohung seiner auf Korruption und Vetternwirtschaft basierenden Herrschaft.

Der Kurdistan-Nationalkongress, der Persönlichkeiten aus allen Teilen Kurdistans vereint, hat betont, dass der Angriff auf Gare nicht ohne Rückendeckung von EU, USA und NATO für Ankara erfolgen konnte. So war der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar zehn Tage vor Beginn der Militäroperation zu Gesprächen mit der Bundesregierung in Berlin. Ohne Zustimmung insbesondere der USA, die die Lufthoheit über dem Irak innehaben, kann dort kein Kampfflugzeug fliegen.

Die Türkei will im Nordirak eine Besatzungszone schaffen, um der Guerilla die Bewegungsfreiheit zwischen ihrem Hauptquartier in den Kandil-Bergen, der Türkei und der nordsyrischen Autonomieregion Rojava abzuschneiden. Dieses Ziel teilen die USA. Denn die US-Regierung von Präsident Joseph Biden ist einerseits zur Legitimation ihrer Truppenpräsenz bei den nordsyrischen Ölquellen auf die weitere Zusammenarbeit mit den Truppen der Rojava-Selbstverwaltung angewiesen. Doch andererseits ist Washington erklärtermaßen bestrebt, einen Keil zwischen Rojava und Kandil zu treiben. So sollen die syrischen Kurden ihrer revolutionären Führung beraubt werden, um sie zu willfährigen Kollaborateuren machen zu können.

Kommunisten aus der Türkei stehen heute in Gare Seite an Seite mit der kurdischen Guerilla. Dies geschieht aus dem Bewusstsein heraus, dass sie dort nicht nur für die Freiheit der kurdischen Nation, sondern auch für die Niederlage des Faschismus im eigenen Land und eine antiimperialistische Perspektive der Region kämpfen.

Nick Brauns / Junge Welt/ 13.02.2021