Wandzeitung 83 zu „Lotterhäuser“ & Stadtentwicklung

„Lotterhäuser“ & Stadtentwicklung

Seit letzten Dienstag (20.10.) und den Hausdurchsuchungen an der Neufrankengasse und Magnusstrasse sind die Liegenschaften von Peter Sanders in aller Munde. In den Häusern lebten hauptsächlich Sozialhilfe-EmpfängerInnen, Asylsuchende, Sexarbeiterinnen und Drogenabhängige. Wer sich an der Langstrasse bewegt, wusste davon – genau gleich wie die Stadt Zürich, die Stadtpolizei, der Hauseigentümerverband, das Sozialamt und alle anderen Stellen, die nun so überrascht tun.

Wir fragen uns, warum die Verhaftung von Sanders und die medial inszenierten Hausdurchsuchungen genau jetzt stattfanden. Und finden die Antwort auf diese Frage in der fortlaufenden „Stadtaufwertung“ des Kreis 4. Entlang der ganzen Bahnlinie wird gebaut, es beginnt mit der Europa-Allee und zieht sich hin zur Neufrankengasse. Ältere Häuser, wie der Tessinerkeller, wurden abgerissen, andere stehen leer, wieder andere sollen bald geleert werden. Auch Sanders argumentiert damit, dass er die BewohnerInnen der Häuser rausschmeissen wollte, um danach nach einer Sanierung die Wohnungen teuer zu vermieten. Darum hätte es sich eben nicht ausgezahlt, jetzt noch in die Häuser zu investieren.

Sanders ist kein Opfer der Bullen, sondern ein durchtriebenes Arschloch. Aber die Bullen von Richard Wolff (AL) sind genau so wenig die Verteidiger der Schwachen, wie es Marco Cortesi in den Medien darstellen durfte. Sie sind es, die die „Stadtaufwertung“ im Sinne von Investoren wie Sanders mit ihren Kontrollen und Rayonverboten vorantreiben. Sie sind es, die Leute aus dem Quartier treiben, weil sie nicht ins Bild der ImmobilienbesitzerInnen und der Stadt passen. Was stört, wird mittels Repression vertrieben. Ihre Selbstinszenierung ist mehr als heuchlerisch.

Auch die Rolle des Sozialamts unter Raphael Golta (SP) gilt es zu hinterfragen. Es ist die herrschende Politik, welche dazu führt, dass Leute, die Sozialhilfe beziehen, solche Wohnungen annehmen müssen. Als Folge von Sparmassnahmen und Budgetkürzungen verschärft sich der Wettbewerb der Städte und Gemeinden darüber, wer nun die schlechteste Sozialhilfe anbietet. Immer weniger Geld steht für die Unterstützung der Schwachen bereit, immer mehr steigt der Druck, zu akzeptieren, was überhaupt noch angeboten wird. So sagt Golta: „Lotterhäuser ziehen Sozialfälle nach Zürich“, und macht damit die Sozialfälle, nicht die Lotterhäuser zum Problem.

Niemand will was gewusst haben, alle mimen die Überraschten. Klar ist, dass sie sehr wohl informiert waren. Und dass ihnen diese Zustände solange in den Kram passten, wie sich damit Geld machen liess und soziale Probleme notdürftig verdeckt wurden. Jetzt, wo die Stadtentwicklung voran schreitet, stehen andere Strategien zur Maximierung des Profits an. Jetzt geht es um Sanierungen und Neubauten, Vermietungen an eine neue Kundschaft, die mehr Geld im Sack hat. Es zeigt sich klar und deutlich, was die Stadtaufwertung von oben bedeutet: Vertreibung.

Für eine Stadtaufwertung von unten!