Erklärung zum BNF Prozess 17.11.20 in Basel

Am 17.11.20 stand ein Antifaschist im Rahmen der BASEL NAZIFREI Prozesse vor Gericht. Dieser Prozess steht in einer Reihe von Anschuldigungen der Basler Staatsanwaltschaft. Die Scharfmacher*innen der Stawa hatten nach der grossen antifaschistischen Demonstration vom November 2018 gegen die rechtsextreme PNOS etwa 40 Personen angeklagt. Die Vorwürfe bewegen sich meist im Rahmen von «Landfriedensbruch», «Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte», «Teilnahme an nicht bewilligter Versammlung».

Am Morgen vor dem Gerichtstermin solidarisierten sich ca. 50 Leute lautstark mit dem Angeklagten. Transparente wurden aufgehängt, eine Rede wurde gehalten und die Erklärung verlesen, die der Antifaschist auch vor Gericht hielt.
Die Stawa forderte 14 Monate Knast bedingt, auf 5 Jahre Bewährung. Zur Urteilsverkündung haben sich wiederum viele solidarische Menschen versammelt und nahmen den Angeklagten herzlich in Empfang. Das Urteil: 8 Monate bedingt, auf 4 Jahre Bewährung. Mit diesen langen Bewährungszeiten will die Basler Justiz politisches Handeln erschweren und Aktivist*innen mundtot machen. Und dies, obwohl auf neu gesichteten Video-Aufnahmen klar zu erkennen ist, dass die Basler Polizei unvermittelt in die Menge schoss, um den Faschist*innen von der PNOS mit Gummischrot den Weg freizuschiessen (ein Demonstrant wurde am Auge schwer verletzt. Prozesstermin 23.11.20).

Erklärung des Antifaschisten vor Gericht:

Prozesserklärung 17.11

Heute stehe ich vor Gericht, weil ich mich an der BNF-Demo vom 24.11.18 beteiligt habe.
Wie bei den meisten vor und nach mir lauten die Anklagepunkte, unter anderem, Gewalt und Drohung sowie Landfriedensbruch.

Meine sogenannten „Vorstrafen“ lassen erahnen, dass ich früh angefangen habe, die herrschenden Verhältnisse zu kritisieren. Tatsächlich konnte ich schon als kleines Kind Ungerechtigkeiten nicht ausstehen.
Später sah ich auch die globalen Ungerechtigkeiten und versuchte zu verstehen, woher die kommen.
Ich begann, mich für gesamt gesellschaftliche Zusammenhänge zu interessieren und wollte verstehen, warum unsere Gesellschaft nicht ohne Ausbeutung, Unterdrückung, Elend, Leid und Tod auskommt.

Der Nationalsozialismus in Deutschland, den unsere Generation zum Glück nur noch aus den Geschichtsbüchern kennt, war das grösste Verbrechen der Menschheit.
Bald erkannte ich, dass wesentliche Bestandteile des Faschismus nicht mit dem Ende des «Dritten Reichs» verschwanden, sondern weiter existierten. Sogar noch mehr, sie sind fundamental für das Funktionieren der heutigen Gesellschaft!

Weiterhin wird die Gesellschaft aufgrund von rassistischen Denkweisen gespalten: Die Menschen werden dazu angehalten, Menschen anderer Hautfarben oder anderer Kultur geringer zu schätzen. Die westlichen Länder werden militärisch vor Flüchtenden verteidigt, diese werden in Lager gesteckt. Das ist zwar noch nicht Faschismus, aber es funktioniert nach dem selben Muster: Je nachdem, wo ich geboren bin, habe ich gewisse Privilegien oder nicht.

Weltweit sehen wir in den letzten Jahren eine Entwicklung nach Rechts. In verschiedenen Ländern kamen rechtsextreme Präsidenten an die Macht, in vielen anderen sind rechtsextreme Parteien die grössten Oppositionsparteien. Entsprechend wird auch die Politik repressiver gegen Minderheiten und gegen die Freiheitsrechte der Menschen. Als fortschrittlich denkender Mensch, kann einen diese Entwicklung nicht kalt lassen. Man hat nur die Wahl zwischen Apathie und politischem Engagement. Ich habe letzteres gewählt.

Die Überzeugung, dass es nicht so sein muss wie es ist, dass es möglich ist, unsere Gesellschaft gerechter zu gestalten, brachte mich zu meinem politischen Engagement. Sie brachte mich zusammen mit Menschen auf der ganzen Welt, die gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft aller kämpfen. Und sie brachte mir sehr schnell die Antwort der staatlichen Repression ein: Im Alter von 15 Jahren wurde ich das erste mal von einem Spezialkommando in Bern verhaftet. Seither sind mir Strafbefehle und frühmorgendliche Hausdurchsuchungen ständige Begleiter meiner politischen Arbeit.

Ich weiss schon worauf diese Repression zielt: Sie will mir eben jenen Mut nehmen, der am Anfang meines Engagements stand. Der Mut, dass ich den Verbrechen nicht ohnmächtig ausgeliefert bin. Dass ich nicht nur zuschauen muss, sondern kämpfen kann.

Tatsächlich hätte mich der Mut wohl schon einige Male verlassen, wäre da nicht die Stärke der Solidarität. Jene Solidarität, die draussen vor den Türen dieses Gerichts ihren ganz praktischen Ausdruck in so vielen verschiedenen Menschen findet, und die mich selbst hier drinnen nicht alleine fühlen lässt.

Diese Menschen kommen aus den unterschiedlichsten politischen Hintergründen und Positionen. Aber sie alle kommen, weil sie wissen, dass mit diesen Prozessen nicht nur ich, nicht nur einzelne, sondern eine ganze Bewegung abgeurteilt werden soll.

Und sie kommen weil sie – genau so wie jene 2000 Menschen, welche vor zwei Jahren zur Basel Nazifrei Demo gekommen sind – genau wissen, dass wir den Kampf gegen den Faschismus besser nicht den staatlichen Organen überlassen sollten.  

Jenen staatlichen Organen also, welche den Nazis von der PNOS erlaubt hatte, öffentlich von Euthanasieprogrammen zu schwärmen und den Juden die Schuld an der Shoah zu geben. Jenen staatlichen Organen, welche in Deutschland via unzähliger rechtsextremer Polizei-Chats bestens mit dem faschistischen Terrorismus vernetzt ist. Jenen staatlichen Organen schliesslich, die mit der finanziellen und logistischen Unterstützung von Frontex und dem Racial Profiling am Rhein die tagtägliche Umsetzung genau jener rassistischen Politik betreiben, welche wir bekämpfen.

Ja, ich denke, dass Basler Polizei und Justiz die denkbar schlechtesten Verteidigerinnen gegen den Faschismus sind. Und ja, darum bin ich davon überzeugt, dass wir uns besser selber gegen den Faschismus organisieren, als auf eine Polizei zu vertrauen, in deren eigenen Reihen immer wieder ExponentInnen der extremen Rechten, wie etwa der wegen Rassendiskriminierung verurteile Adrian Spahr, oder des türkischen Geheimdienstes auftauchen. Und darum: Klar, bin ich all den anderen Menschen im November 2018 auf den Messeplatz gegangen um zu verhindern, dass die Nazis ihren menschenverachtenden Müll unter die Leute bringen konnten. Und ja, um die Hetzreden der Nazis niederzuschreien benutzte ich zeitweise sogar ein Megafon.

Diese Demo war wichtig – egal ob es der Basler Staatsanwaltschaft mit ihren staatlichen Allmachtsphantasien passt oder nicht. Basel Nazifrei ist für mich nicht nur eine Parole und ich stehe heute hier vor den Schranken der Klassenjustiz im tiefsten Vertrauen darauf, dass egal was kommt, es immer Menschen geben wird, die dafür zu kämpfen bereit sind.