Winterthur: Stadtspaziergang gegen Aufwertung und Kapital

Um die systematische Aufwertung der Stadt zu kritisieren, haben sich am 17. April 200 Personen in Winterthur zu einem Stadtspaziergang getroffen. Selbstbestimmt und laut haben wir uns durch die Altstadt über den Vorplatz des Bahnhofs nach Töss bewegt.

Es gab Redebeiträge
- zur Repression gegen Jugendliche im öffentlichen Raum und der Kommerzialisierung des Stadtparks;
- zu den widerwärtige Bedingungen in den abgeschotteten Asyllagern;
- zur Sanierungspolitik der SKKG/Terresta, die eine soziale Vertreibung bedeutet;
- zur Deindustrialisierung und Standortpolitik im Interessen der Reichen;
- in Erinnerung an die Polizeigewalt gegen die verhinderte StandortFUCKtor-Demo 2013;
- zu faschistischen Umtrieben in der Umgebung;
- und zur Repression und Stigmatisierung gegen Sexarbeiter*innen.

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Die profitorientierte Stadtentwicklung wird auch durch die Corona-Pandemie nicht gebremst – im Gegenteil: Die vom Kapitalismus geschaffenen Widersprüche werden durch die Pandemie weiter verschärft.

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Während Viele ihre Arbeit verlieren, von Kurzarbeit leben müssen und bereits marginalisierte Menschen weiter an den Rand gedrängt werden, wird fröhlich weiter abgerissen, saniert und aufgewertet. Dieser ökonomisch bestimmte Prozess folgt der Verwertungslogik und dient den Interessen der herrschenden Klasse. Dabei handelt es sich keineswegs um eine neue Strategie: Nach dem Einbruch des Industriesektors in den 1970er-Jahren gründete Winterthur als erste Stadt der Schweiz ein Standort-Marketing, das offensiv Firmen und gute Steuerzahler*innen anwerben sollte. Nach und nach wurden die Industriebrachen in Konsumflächen und Wohnraum im «mittleren bis gehobenen» Segment umgenutzt. Nachdem im letzten Jahrzehnt vor allem die bisher «ungenutzten» Flächen schick gemacht wurden, geht es in einem nächsten Schritt der Stadtentwicklungspolitik auch darum, die bisher eher günstigen Quartiere und Wohnungen aufzuwerten und für gute Steuerzahler*innen attraktiv zu machen.

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Die «Renovationsoffensive» der SKKG (Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte), Besitzerin des Immobilien-Imperiums des verstorbenen Bruno Stefanini, steht exemplarisch für diese Entwicklung: Sämtliche der über 1’720 derzeit noch günstigen Mietwohnungen in Winterthur sollen für 500 Millionen Franken totalsaniert oder abgerissen und überbaut werden. Viele Mieter*innen werden sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können. Die Aufwertungsstrategie der SKKG bedeutet letztlich eine soziale Vertreibung, welche Folgen für die ganze Stadt haben wird.

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Die Stadtaufwertung hat aber längst nicht nur steigende Mieten zur Folge. Die Gestaltung des öffentlichen Raums wird ebenfalls zunehmend von Profitinteressen bestimmt. So werden weniger kaufkräftige Menschen wie Jugendliche und Marginalisierte, welche auf den öffentlichen Raum als oftmals einzigen Treffpunkt abseits des Konsumzwangs angwiesen sind, aus dem Stadtbild verdrängt. Denn die Stadt muss sauber sein, wenn sich neue, kaufkräftige Einwohner*innen und Investierende hier niederlassen sollen.

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Auch Asylsuchende, Geflüchtete und Menschen mit einem negativen Asylentscheid haben keinen Platz in diesem herausgepützelten Stadtbild. Sie werden in Lagern weit ausserhalb der Stadt einquartiert, wo sie teilweise völlig abgeschottet ausharren und kaum Möglichkeiten auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Der fehlende Wille der Politiker*innen, die Bewohner*innen angemessen zu schützen, hat zur Folge, dass sich die prekären Zustände während Corona weiter verschlimmern. In den geteilten Zimmern gibt es kaum Möglichkeiten zur Einhaltung der Abstandsregeln und die Hygienemassnahmen sind unzureichend.

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Auch Sexarbeiter*innen werden sowohl durch die Stadtaufwertung als auch von den Coronamassnahmen stark stigmatisiert. So wurde Sexarbeit nie wie andere körperbezogene Dienstleistungen behandelt, sondern mit diskriminierenden Sondergesetzen – und mehrheitlich sogar ganz verboten. Diese Stigmatisierung und Tabuisierung der Sexarbeit zielt darauf ab, Sexarbeiter*innen und deren Gewerbe möglichst unsichtbar zu machen.

Wir setzen der Stadtaufwertung von oben unseren Widerstand von unten entgegen.

Für einen kämpferischen 1. Mai!
11 Uhr Steinberggasse Winterthur
14 Uhr Ni una menos/Helvetiaplatz Zürich

Quelle: https://barrikade.info/article/4414