Seit mehr als einer Woche herrscht in der Ukraine nun ein von Russland eröffneter Krieg. Ein Krieg, der all die Barbarei enthält, die wir auch von anderen Kriegen kennen. Menschen sterben, werden als Kanonenfutter an die Front gesendet, zwangsrekrutiert oder als Kriegsgefangene vorgeführt. All dies geschieht mit den üblichen rhetorischen Begleiterscheinungen. Wie von NATO Angriffen besten bekannt, beruft sich Russland beispielsweise auf das ewige Märchen von militärischen Präzisionsschlägen, die noch nie in der Menschheitsgeschichte tatsächlich je präzis waren. Und andernorts versucht man sich gar nicht mehr erst in der Legitimation, und beschiesst ohne weitere Erklärung direkt zivile Ziele. Dieses Morden und die Kriegslüsternheit von allen Seiten muss ein Ende haben!
Gegen den russischen Expansionsdrang
Nationalstaatlich geführte Krieg brauchen meist eine reaktionäre ideologische Legitimation. In ihren Reden berufen sich die russischen Staatsvertreter_innen auf einen grossrussischen Chauvinismus, der anti-kommunistisch und völkisch untermalt eine Rückkehr zu den goldenen vorsowjetischen Zeiten verspricht. Kein Wunder fühlen sich davon – wie auch auf der Gegenseite – faschistische Kräfte angezogen. Allein damit lässt sich der Krieg allerdings nicht erklären. Eine Rolle spielt ebenso die die NATO-Osterweiterung wie auch das russische Expansionsinteresse. Erstere hat die Pufferzone sukzessive verringert, die unmittelbar nach 1989 zwischen den imperialistischen Zentren Westeuropas und Russland bestand. Letztere zeigt sich nicht erst in der Ukraine, sondern seit einigen Jahren auch in Syrien, in Kasachstan, dem man im Januar bei der militärischen Niederschlagung sozialer Proteste half, oder auch in zahlreichen Ländern Afrikas, in denen – ganz nach dem Vorbild anderer imperialistischer Länder – russisches Wirtschafts- und Militärpersonal stationiert ist, zum Beispiel in Form staatlich mitfinanzierter und politisch unterstützter Söldnertruppen.
Dieser Expansionsdrang ist nicht ohne die Militarisierung des russischen Staates zu denken, der täglich neue Höhepunkt erreicht. Wenige Tage nach Kriegsbeginn wird der schon zuvor unterdrückte russische Anti-Kriegs-Protest endgültig kriminalisiert, indem mit harten Gefängnisstrafen gedroht wird. Auch dies hat eine Vorgeschichte. In verschiedenen Gebieten Russlands herrschen schon seit Jahren – dank blutiger Unterstützung lokaler Machthaber – besatzungsähnliche Zustände. Und in den letzten Jahren stieg die Kriminalisierung verschiedener Organisationen, die sich gegen die zunehmende Militarisierung des russischen Staates aussprachen oder die gegen den Abbau von sozialen und politischen Errungenschaften protestierten. Die Militarisierung der Herrschenden bedeutet damit nicht nur einen Krieg gegen aussen, sondern auch den Angriff nach unten im eigenen Land.
Russland und Europa: Im Krieg getrennt, im Chauvinismus vereint
Der aufkeimende Chauvinismus bleibt jedoch nicht auf Russland und die Ukraine beschränkt. Auch in Europa macht sich eine Stimmung breit, die sich als liberaler Chauvinismus verstehen lässt. So versuchen sich die bürgerlichen Zeitungskommentare und Parteien vom autoritären Russland abzugrenzen, indem sie Europa als liberale Kraft inszenieren. Doch das, was ihnen vorschwebt, ist genauso autoritär wie all jenes, das sie zu kritisieren versuchen. So ging es keine zwei Kriegstage, bis die bürgerlichen Medien von ‚richtigen’ und ‚falschen’ Flüchtenden zu sprechen begannen – wie verheerend diese Rhetorik ist, zeigt sich darin, dass Flüchtende aus afrikanischen Ländern an manchen Stellen nicht über die EU-Aussengrenze gelassen wurden. An diese reaktionären Vorstellungen anknüpfend wirft die SVP und die Weltwoche in ihrem reaktionären Kulturkampf dem Westen Verweichlichung vor und fordert stattdessen eine wehrhafte, das heisst eine mit möglichst vielen patriarchalen Werten ausgestatte Gesellschaft. Und indem die Gegenseite genauso dehumanisiert wird, wie sie es selbst tut, nimmt bereits nach wenigen Kriegstagen ein Rassismus gegen russische Bevölkerungsteile stark zu. In Deutschland beispielsweise wurden russische Läden angegriffen oder einer russischen Patientin die Behandlung verweigert.
Auch linke Kräfte bleiben von dieser Stimmung nicht verschont. Jenen, die sich gegen diesen Krieg und militaristische Aufrüstungsphantasien positionieren, wird allzu rasch Putin-Nähe unterstellt. Und statt nach eigenen Antworten zu suchen, fordert man aus Angst moralisch im Abseits zu stehen das, was der Staat sowieso macht, nur noch radikaler. Dies betrifft beispielsweise die kollektive Forderung nach Sanktionen in allen Lebensbereichen. Doch diese und die damit einhergehende Ausgrenzungsversuche waren noch nie ein emanzipatorischer Ansatz, sondern immer eine zynische Wette mit Menschen: In einem bisher beispielslosen wirtschaftlichen und kulturellen Krieg gegen Russland erhofft man sich von der kommenden Verarmung eines Grossteils der russischen Bevölkerung einen politischen Aufstand. Doch ein solcher lässt sich nicht einfach von aussen auslösen. So führen die Sanktionen einzig dazu, dass die russische Bourgeoisie ein Teil von ihrem Vielen verliert, während all jene mit wenig viel verlieren.
Die Aufrüstungsphantasien sind der Vorbote kommender Sparprogramme und Kriege
Die europäische und amerikanische Antwort auf den Krieg beinhaltet bisher neben den Waffenlieferungen und geheimdienstlichen Zusammenarbeit vor allem das Bekenntnis zur kommenden Aufrüstung. Deutschland beispielsweise spricht der Bundeswehr 100 Milliarden Euro zu und eine Vielzahl Schweizer Politiker_innen aus allen Lagern fordern auch für die Schweiz eine neue Aufrüstung. In den bürgerlichen Medien wird gar der Ruf laut, auch hierzulande das Verteidigungsbudget auf die von der NATO geforderten zwei Prozent des BIPs zu erhöhen. Während die Rüstungsindustrie und ihre Investor_Innen hiervon profitieren, werden andere die Zeche zahlen müssen. Schon jetzt haben beispielsweise die Grünen in Deutschland verlautbaren lassen, dass im Namen der vermeintlichen Solidarität mit der Ukraine in den kommenden Jahren auf Umweltschutzmassnahmen verzichtet werden wird. Und auch Sparprogramme, inflationsbedingte Verarmung und die Aufweichung sozialer Errungenschaften wird künftig mit Blick auf den Krieg und seine vermeintlich notwendigen Folgen legitimiert werden können.
Desertieren, Sabotieren – Krieg dem Krieg!
Es gibt weder einen Sachzwang zur Aufrüstung, noch die Notwendigkeit, dass die Unteren auf ewig unter dem Krieg der Oberen zu leiden haben. Finden wir eigene Antworten auf den Imperialismus und Profitstreben, das immer wieder in Krieg mündet. Denunzieren wir die bürgerlichen Propagandalügen und ihren Versuch, eine kriegsverherrlichende Einheitsmeinung zu generieren. Denunzieren wir auch die falschen Heldengeschichten und die Doppelmoral, die uns täglich aufgetischt werden. Wir vergessen nicht, dass Zelenskyys Name noch vor wenigen Monaten in den Panama Papers auftauchte und er ebenso wie die russischen Bourgeoisie Teil eines sich auf dem Rücken der Bevölkerung bereichernden Machtzirkels ist. Und wir vergessen auch nicht, dass im Yemen gleichzeitig hunderttausende unter einem ebenfalls ungleichen Krieg leiden, und dass das NATO-Mitglied Türkei kurdische Gebiete bombardiert, während es sich gleichzeitig gegen den Krieg in der Ukraine ausspricht. Kapitalismus führt schon lange zu Kriegen in vielen Teilen der Welt. Deshalb kann es auch nur einen internationalistischen, antikapitalistischen und revolutionären Kampf gegen den Krieg geben.
Für uns gibt’s nur eins: Klasse gegen Klasse, Krieg dem Krieg!
Für den Kommunismus