Flugblatt 1. Mai

Denn ihre Ordnung ist auf Sand gebaut

Vor dreissig Jahren – mit dem Mauerfall – jubelten die Herrschenden über das vermeintliche Ende der Geschichte. Damit meinten sie, dass der Kapitalismus alternativlos sei und alle Träume und Hoffnungen auf eine andere, eine klassenlose Gesellschaft aufzugeben seien. Sie selbst haben diesen Jubel seit Jahren schon abgelegt. Denn zu offensichtlich zeigt sich heute, dass Kapitalismus wirklich das Ende der Geschichte bedeuten könnte – anders aber, als es sich die Herrschenden erhofft hatten: Denn die kapitalistische Produktionsweise bedroht Mensch und Natur existentiell.

So darf es nicht mehr weitergehen

In Europa erleben wir wieder eine massive Formierung faschistischer Bewegungen, und zwar mit Rückhalt in der Mitte der Gesellschaft. Angesichts einer Legitimitätskrise eines Systems, das die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, scheint das Kapital wieder zur Option der autoritären Herrschaft zurückzugreifen. Dass die Konkurrenz zwischen kapitalistischen Ländern immer mehr in offene Kriege führt, kann heute selbst in den europäischen Ländern nicht mehr ignoriert werden. Mit dem Krieg in der Ukraine wird ein nuklearer Weltkrieg wieder realistischer. Ein globaler und ernsthafter Wille, den Planeten vor der Klimakatastrophe zu retten, ist bei den Herrschenden nicht zu sehen. Die Zeit rennt unglaublich, aber im Kapitalismus geht nichts über den Profit. Und in der Pandemie haben die kapitalistischen Staaten noch einmal deutlich gemacht, dass die Reproduktion der Gesellschaft – unsere Gesundheit, unsere Bildung, unsere Betreuung – nichts kosten darf. Wenn es nach dem Staat geht, sollen proletarische Frauen die Reproduktionsarbeit irgendwie privat und gratis bewältigen. Und humanistische Werte entlarven sich als moralischer Zynismus, bei einem Europa, das in der Pandemie den globalen Süden zum Schutze von Pharma-Patenten im Stich lässt, sich eine tödliche Festung gegen Geflüchtete errichtet und zum aktuell verstärkten Angriffskrieg der faschistoiden Türkei schweigt. Der Kapitalismus steuert auf die Zerstörung des Planeten und der Menschheit zu und vermag seine eigene politische Ordnung immer weniger zu halten.

Es ist an uns

Aber diese Krisen, in die uns die Herrschenden immer stärker manövrieren, sind nur die eine Seite der Geschichte. Die andere Seite sind die mit grosser Zuverlässigkeit immer wieder explosionsartig aufkeimenden Proteste, Aufstände und Revolten von all jenen, denen der Kapitalismus keine Perspektive mehr bieten kann. Dem setzen sie eine eigene Perspektive entgegen: in Südamerika, im Nahen Osten, in Indien, in Kasachstan oder in Frankreich. Diese Kämpfe sind Ausdruck einer anderen Geschichte, einer Geschichte mit Zukunft. Und sie bringen die scheinbare Ordnung der Herrschenden in kurzer Zeit zum bröckeln. Diese Perspektive wird mit den unzähligen Versuchen fassbar, radikalen Widerstand gegen die verschiedenen kapitalistischen Krisenerscheinungen zu leisten und kollektive Solidarität zu leben. Sie nimmt konkrete gesellschaftliche Formen an, wo es gelingt diese Revolten in langfristige aufbauende Bewegungen, wie die Revolution in Rojava, zu überführen und diese zu verteidigen.

1. Mai – Tag der antikapitalistischen, revolutionären und internationalistischen Perspektive

Weil es so zentral ist, dass diese Geschichte des Kampfes um eine andere Perspektive jenseits des Kapitalismus immer wieder gesponnen, wirkmächtig und fassbar wird, ist der 1. Mai so wichtig. Er stellt eine Verbindung her zwischen vergangenen revolutionären offensiven Zeiten und der heutigen Situation, in der emazipatorische und klassenkämpferische Kräfte in der Defensive sind. Der 1. Mai stellt auch die internationalistische Solidarität dar zwischen aktuellen offensiven Revolutionen und Aufständen wie in Rojava oder Indien und unseren widerständischen Bewegungen in der Schweiz. Und er verknüpft den Kampf der Arbeiter_innenbewegung gegen Ausbeutung und den politischen Kampf sozialer Bewegungen gegen Unterdrückung.

Am 1. Mai bietet sich die Chance und Notwendigkeit, die unterschiedlichen und diversen Kämpfe gegen die Zumutungen eines kriselnden Kapitalismus zu einer gemeinsamen Geschichte und zu einer gemeinsamen Orientierung in Richtung einer antikapitalistischen Zukunft zu verbinden.

Für eine revolutionäre Perspektive!

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