Spätestens mit dem feministischen Streik am 14. Juni 2019 wurde klar, dass auch in der Schweiz einiges in Bewegung geraten ist. Die feministische Bewegung und ihre Forderungen können nicht länger ignoriert werden: Ob in Alltagsgesprächen oder in Artikeln der bürgerlichen Zeitungen, überall wird über Feminismus diskutiert. In einer Welt, in der es zu oft scheint, dass alles bleibt, wie es war, kann uns dies zuerst einmal nur bestärken.
Dass feministische Inhalte auf die Tagesordnung der Politik drängen, heisst allerdings noch lange nicht, dass von Gleichberechtigung oder gar Frauenbefreiung gesprochen werden kann. Im Gegenteil: An vielen Orten sind wir mit patriarchalen «Backlashes» konfrontiert. So zum Beispiel in den USA, wo das Recht auf sichere Abtreibungen stark unter Druck kam und vielerorts Schwangerschaftsabbrüche kaum mehr sicher möglich sind. In der Schweiz und der EU hingegen bezeichnen sich immer mehr Politiker_innen und Unternehmen mittlerweile als «feministisch». Unternehmen kämpfen um gut ausgebildete Frauen, Politiker_innen um Wählerinnenstimmen: Tatsächliche Verbesserungen sind allerdings rar. Die Gründe dafür sind vielfältig: Oft bleibt es symbolisch, oft schreiben sich Politiker_innen Feminismus auf die Fahne und meinen es gar nicht so ernst dabei. Gleichzeitig ist der Handlungsspielraum in den Parlamenten und im kapitalistischen System allgemein stark begrenzt.
Kapital und patriarchale Strukturen gehen Hand in Hand
In der Schweiz wurden vom Bundesamt für Statistik für das Jahr 2020 folgende Zahlen erhoben: 9.8 Milliarden Stunden wurden unbezahlt geleistet, rund zwei Drittel davon von Frauen. Der bezahlte Bereich umfasst dagegen lediglich 7.6 Milliarden Stunden und wird zu zwei Dritteln von Männern geleistet. Das heisst, es wird mehr gesellschaftlich notwendige Arbeit unbezahlt im privaten Bereich geleistet als die gesamte Lohnarbeit umfasst. Der grösste Teil der unbezahlten Arbeit besteht aus Reproduktionsarbeit. Also aus Arbeit die dazu dient, Arbeitskraft überhaupt erst herzustellen. Die Betreuung von Kindern, aber auch Kochen, den Haushalt führen und die Pflege von weiteren Familienangehörigen fallen darunter. Auf diese unbezahlte Arbeit kann im kapitalistischen System nicht verzichtet werden. Im Gegenteil: Sie ist notwendig, um überhaupt Arbeitskraft hervorzubringen. Das kapitalistische System ist also auf diese Arbeit und darauf, dass diese schlecht oder unbezahlt verrichtet wird, angewiesen. Hier kommen patriarchale Strukturen ins Spiel: Im Kapitalismus dienen patriarchale Denkmuster hauptsächlich als Legitimation, die Gesellschaft in zwei Geschlechter zu teilen und das eine besonders auszubeuten. Patriarchales Denken, Heteronormativität oder geschlechtsspezifische Gewalt muss vor allem in diesem Kontext gesehen werden: Sie sorgen dafür die patriarchale Gesellschaftsordnung aufrechtzuerhalten und so dem Kapital den Zugriff auf weibliche Arbeitskraft und den weiblichen Körper sicherzustellen.
Die Einsicht, dass die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung so wichtig und grundlegend für das kapitalistische System ist, zeigt aber auch, dass innerhalb dieses Systems keine Befreiung erkämpft werden kann. Aufgrund des Druckes von den feministischen Bewegungen kommt es aber immer mehr zu Integrationsversuchen. Auch einige Frauen können jetzt Karriere machen oder verhältnismässig gut bezahlt werden. Das erlaubt diesen zum Beispiel die Reproduktionsarbeit aus der Familie auszulagern. Diese Reproduktionsarbeit wird dann schlecht bezahlt von meistens anderen Frauen verrichtet: In Kitas, von Aupairs aus dem Ausland, von anderen Familienmitgliedern oder von Haushälterinnen aus Osteuropa. Dieses Angebot macht das Kapital aber nur einem Bruchteil der Frauen, mehr hat dieses System uns aber nicht anzubieten.
Wir aber müssen das grosse Ganze in den Blick nehmen und deshalb muss unser feministischer Kampf internationalistisch sein. Denn die kämpfenden Frauen im Iran, Kurdistan, in den Philippinen, die grossen feministischen Bewegungen in Argentinien, Chile und Polen oder die Sexarbeiterinnen in Indien: Sie alle erheben sich gegen ihre spezifischen Unterdrückungsverhältnisse. Schlussendlich aber führen wir alle zusammen einen Kampf gegen den patriarchalen Kapitalismus. Wenn wir wirklich eine Veränderung wollen, dann muss diese revolutionär sein. Eine wirkliche Befreiung ist nur durch die Abschaffung der kapitalistischen Eigentumsordnung und Produktionsweise möglich. Stellen wir uns am 8. März und aller Tage an die Seite unserer internationalen Genoss_innen und verteidigen ihren Kampf hier, denn sie erkämpfen auch unsere Perspektive.
Organisieren wir uns feministisch, um für eine revolutionäre Veränderung zu kämpfen!
Für die Kollektivierung von Sorgearbeit!
Für eine Befreiung aller Geschlechter!
Für den Kommunismus!