Saatgut, Syngenta und die revolutionäre Bewegung auf den Philippinen
Das Kapital eignet sich immer weitere Bereiche unseres Lebens uns unseres Planeten an. Unsere Arbeit, die Natur aber auch unser Wissen – Vieles, was allen gehören und gemeinsam produziert, konsumiert und erhalten werden sollte, wird uns zum Zweck des Profites gestohlen und verwandelt sich zur käuflichen Ware. Ein besonders fatales Beispiel ist ein natürliches Gut, auf das wir alle, um uns ernähren zu können, angewiesen sind: Saatgut. Reis, Weizen und Mais ernähren einen Grossteil der Weltbevölkerung. Das Saatgut, dass die Bäuerinnen und Bauern für das Anbauen dieser Getreide benötigen, gehört aber immer weniger Grosskonzernen. Vier Konzerne beherrschen mittlerweile 60 Prozent des Marktes. Bayer (Monsanto), Corteva, BASF und Syngenta, welche den Sitz in Basel hat. Durch diese Dominanz haben Konzerne wie Syngenta kein Problem, die Preise zu erhöhen. 26 Milliarden Dollar Umsatz machte die Syngenta Group dieses Jahr. Die Bäuerinnen und Bauern sind durch Abhängigkeit gezwungen, für die Profite von Syngenta und Co. Zu bezahlen. Denn das hybride Saatgut, wie es von Syngenta verkauft wird, kann nicht selbst vermehrt werden. So kann die Ernte nicht mehr als Saat wiederverwendet werden und die Bäuerinnen und Bauern müssen jedes Jahr erneut das Saatgut der Biotechnologie-Konzerne kaufen. Dieser Aneignungs- und Kontrollmechanismus des Kapitals wird durch die Gesetze des bürgerlichen Staates gestützt: Die Pflanzen stehen unter Patentschutz und dürfen nicht für die Weiterzucht verwendet werden. Zudem beschränkt die WTO die freie Produktion und den Austausch von Saatgut in den Ländern des Trikont. Die patentierten Hochertragsorten sollen in Verbindung mit chemischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln für besonders gute Erträge sorgen. Doch oft geschieht das Gegenteil, denn die Sorten sind nicht an die lokalen Bedingungen angepasst. Das führt immer wieder zu Ernteausfällen und Notsituationen, während die traditionellen Pflanzensorten verloren gehen und so die Abhängigkeit von den Biotech-Konzernen noch grösser wird.
Eine kollektive und ökologische Alternative..
Doch gegen die Biotech-Konzerne gibt es auch Widerstand – So zum Beispiel in den Philippinen. In dem südostasiatischen Inselstaat arbeitet fast die Hälfte der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Doch in Folge der Kolonialherrschaft durch Spanien und später den USA konzentrierte sich der Landbesitz in den Händen weniger Grossgrund- und Plantagenbesitzer, während die überwiegende Zahl der armen Bauern kein Land besitzt oder durch Verschuldung in völlige Abhängigkeit zu den Grossgrundbesitzern geriet. Damit einher gingen rücksichtslose Rodung der Wälder zum Anbau von landwirtschaftlichen Monokulturen oder dem Abbau seltener Metalle, die auf den Philippinen zahlreich zu finden sind. Zwar wurde den landlosen Bäuerinnen in verschiedenen Reformen Land versprochen, doch konnten die Grossgrundbesitzer und Konzerne ihre Interessen stets durchsetzen, während die Bauern leer ausgingen. Die Bäuerinnen gingen daher dazu über, das Land zu Besetzen oder sich unkultivierte Landflächen anzueignen – «Bungkalan» nennen sie diese Praxis. Kollektiv bebauen die Bäuerinnen dort das gemeinsame Land, um gesundes, nährreiches und erschwingliches Essen zu produzieren. Dabei sind die Bungkalan-Farmen auch ein Ort des Lernens, in dem die Grundlagen einer ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft gemeinsam entwickelt werden. Dazu gehört es auch, die Abhängigkeit von den Biotech-Konzernen zu brechen und die Kontrolle über das Saatgut zurückzuerhalten. Dazu wurde ein Saatgut-Netzwerk gegründet, das auf Vielfalt der Sorten und Selbstbestimmung durch die Bäuerinnen beruht. In den einzelnen Dörfern werden verschiedene Sorten ohne chemische Pflanzenschutzmittel oder Gentechnik ausprobiert, um zu erkennen, welche am besten den lokalen Bedingungen angepasst sind. Das Saatgut und die gesammelten Kenntnisse bei der Züchtung und Weiterentwicklung ist danach Gemeineigentum, das allen zur Verfügung steht. Der Kampf der philippinischen Bauernbewegung richtet sich dabei auch gegen den sogenannten «Goldenen Reis», eine genmanipulierte Reissorte, die an der ETH-Zürich entwickelt und von Syngenta patentiert wurde. Unter dem Vorwand durch einen erhöhten Vitamin-A-Wert die Mangelernährung zu bekämpfen, soll der «Goldene Reis» nun in diesem Jahr an der philippinischen Bevölkerung «getestet» werden. Die Bäuerinnenbewegung in den Philippinen erklärte, dass die teuren importierten Chemikalien und Dünger, welche für den Anbau nötig sind, bloss den Biotech-Konzernen Milliarden einbringen werden, während die einheimischen Reissorten Gefahr laufen, verdrängt zu werden. Auf den Philippinen werden zudem seit Jahrhunderten Süsskartoffeln angebaut, welche um ein Vielfaches mehr Vitamin A enthalten, als der «Goldene Reis» – Eine gerechte Verteilung des Landes und die gemeinsame Entwicklung einer nachhaltigen und produktiven Landwirtschaft wäre die Voraussetzung, um die Mangelernährung zu beenden.
.. als Teil einer breiten revolutionären Bewegung
Die Bäuerinnen auf den Philippinen stellen sich mit ihren Landbesetzung und ihrem ökologischen Gegenentwurf gegen die Interessen der grossen Konzerne. Und wie hier schützt auch auf den Philippinen der Staat diese Interessen. Die Polizei und die Armee geht gegen die Bäuerinnen vor, versucht sie zu vertreiben und ermordet gezielt Militante der Bewegung. Doch die Bauernbewegung der Philippinen (Kilusang Magbubukid ng Pilipinas – KMP) steht nicht allein. Sie ist Teil einer breiten Front von Organisationen unter der Führung der Kommunistischen Partei der Philippinen. Zu dieser gehören auch tausende bewaffnete Guerillas der New Peoples Army. Sie können sich bereits in 80 Prozent des Landes bewegen, da sie von den philippinischen Massen und ihren Volksmilizen Schutz und Unterstützung erhalten. Die Guerillas schützen durch ihre Präsenz nicht nur die Bäuerinnen, sie helfen auch auf dem Feld mit, leisten Unterstützung nach Naturkatastrophen und stellen Bildungsmöglichkeiten bereit, damit die Bauern sich selbst verwalten können. Und sie bestrafen die Umweltzerstörer: Grossplantagen oder Minen, welche die Bevölkerung und die Natur bedrohen, werden von ihnen angegriffen und ihr Equipment zerstört. Das zeigt uns, dass ein wirksamer Kampf für die Umwelt und für eine Rückeroberung als dessen, was sich das Kapital unter den Nagel gerissen hat, im Zusammenhang eines grösseren revolutionären Prozesses gesehen werden muss.