Wer schon mal 25 Kinder betreuen musste, weiss, wie anspruchsvoll diese Arbeit ist. Sie erfordert ständige Aufmerksamkeit, Empathie, Abgrenzung, Überblick und richtiges Handeln zur richtigen Zeit. Für Lehrpersonen kommt hinzu, dass sie ihre Schüler_innen auch noch in rasantem Tempo auf die fachlichen Anforderungen einer Berufslehre oder der Uni vorbereiten müssen.
In der hiesigen Klassengesellschaft ist die Schule eine Scharnierstelle für die Reproduktion von Ungleichheit. So wissen alle – Schüler_innen, Eltern und Lehrpersonen –, dass der Schulerfolg entscheidend ist für spätere Entfaltungsmöglichkeiten. Von Lehrpersonen wird damit Unmögliches verlangt, sie sollen Schüler_innen zu leistungsfähigen Arbeitskräften erziehen, die ungleichen Startchancen ausgleichen, die individuellen Potentiale der Kinder fördern, aber gleichzeitig auch Selektion betreiben.
Lehrpersonen mitten im Sperrfeuer
Diese überbordenden Anforderungen an Lehrpersonen sind also ein direkter Ausdruck der ganzen Widersprüchlichkeit einer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Zwar wird ein humanistisches Bildungs- und Gleichheitsideal propagiert, gleichzeitig aber richtet sich die ganze gesellschaftliche Entwicklung an den Notwendigkeiten des Kapitals aus. Und selbst das Schweizer Kapital stellt widersprüchliche Ansprüche. Die economiesuisse ruft nach kreativen, selbstregulierten und innovativen Fachkräften für Google und Konsorten. Gleichzeitig soll die typische Arbeitskraft auch weiterhin einfach ihre Arbeit tun und nicht zu viel über diese oder eine bessere Welt nachdenken.
Obwohl Lehrpersonen also eine so zentrale Stellung in der Reproduktion des ökonomischen und ideologischen Funktionierens dieser Gesellschaft einnehmen, werden sie von der Politik seit Jahren mit ihren Forderungen im Regen stehen gelassen. Im Gegenteil – die Arbeitsbelastung durch geburtenstarke Jahrgänge, integrative Förderung und sprachliche Heterogenität der Schüler_innen steigt immer stärker. Bildungspolitisch Verantwortliche wie Silvia Steiner und Filippo Leutenegger lassen die Lehrpersonen ausbluten.
Systemrelevant und abgewertet
Diese Politik muss an die Erfahrungen des Pflegepersonals erinnern, dessen zentrale Rolle für die Gesellschaft in der Pandemie offenkundig wurde, und die aber trotzdem Ziel von Sparmassnahmen geblieben sind. Beide verbindet – auch mit Kinderbetreuer_innen und Sozial Arbeitenden -, dass ihre gesellschaftliche Stellung Ausdruck einer Krise der sozialen Reproduktion sind. Sie alle sind für das Stellenwert dennoch gegenüber der Produktion und Wirtschaft abgewertet – sie erzeugen nun mal keinen Profit.
Diese Bildungsdemo ist deshalb wichtig – auch, weil sie nicht nur Bildungsideale formuliert, sondern die materiellen Bedingungen für guten Unterricht ins Zentrum stellt: Die Arbeitsbedingungen der Lehrper- sonen und des Schulpersonals.