
Diesen Solidaritätsbrief hat das Solidaritätskomittee an die Arbeiter_innen des Postzentrums Oerlikon im Januar 2025 geschrieben:
42 Stunden sind genug!
Eure Organisierung und Kampfbereitschaft haben dazu geführt, dass auch eine breitere Öffentlichkeit endlich über eure unzumutbaren Arbeitsbedingungen informiert wurde: 50 Stunden pro Woche als Norm, nicht selten sogar mehr und die Überstunden sind kaum kompensierbar. Wenn dann doch mal ein Tag diese Zeit von einzelnen bezogen werden kann, müssen eure Kolleg_innen die Arbeitslast selber wieder auffangen und ihrerseits verlängerte Arbeitstage leisten. Und in der vergangenen Festverkehrszeit war die Lage wie immer noch akuter aufgrund der zusätzlichen Geschenkeinkäufe durch das inzwischen gängigen Onlineshopping. Was eure Chefs sich erlauben, ist das Letzte! Aber ihr könnt euch sicher sein, dass die meisten Lohnabhängigen mit euch solidarisch sind – nicht nur, weil die meisten eure Arbeit schätzen, sondern auch, weil ihr mit eurem Protest gegen diese Arbeitsbedingungen einen selbstbewussten Schritt wagt. Viele von uns wünschten sich mit ihren Kolleg_innen zusammen so selbstbewusst wie ihr in den Gegenangriff zu gehen.
Deshalb denken wir auch, dass euer Kampf sehr wichtig für uns alle ist. Es wird immer mehr Leuten bewusst, dass sinkende Kaufkraft und Lebensstandards nicht einfach Zufälle sind, die die arbeitende Klasse treffen. Wo wir verarmen, profitieren andere. So wurde nach einer Studie der Oxfam seit 2020 weltweit 63% des gesamten produzierten Wohlstandes von nur 1 Prozent der Gesellschaft – den reichsten Kapitalist_innen – geklaut. Deshalb ist euer Kampf für uns Teil eines Klassenkampfs, den wir unterstützen müssen, um der ganzen Gesellschaft den Wohlstand zurückzuerobern!
Euer Kampf bei der Post ist ein seltener Lichtblick in der Schweiz, wo die Arbeiter_innen selten für ihre Rechte einstehen, sich organisieren oder gar Kampfmassnahmen ergreifen. Denn die scheinbar tief im Bewusstsein verwurzelte Sozialpartnerschaft heisst auch, dass die Politik und die oberen Etagen der Gewerkschaften so tun, wie wenn Angestellte und Arbeiter_innen und deren Chefs im gleichen Boot sitzen würden. Das verhindert seit Jahren, dass sich Angestellte und Arbeiter_innen wirklich wehren, die Chefetage hingegen führt ungehindert den Klassenkampf von oben, senkt Löhne und verschlechtert die Arbeitsbedingungen.
Umso wichtiger ist es, dass die Initiative für den Kampf von euch kommt und ihr darin weiterhin die Bestimmung habt. Denn es ist sicher, dass der Druck aus Politik und von der Chefetage aus zunehmen wird, sobald ihr euch für Kampfformen wie Protestpausen oder gar den Streik entscheidet. Dieser Druck wird sich stark gegen eure Gewerkschaft Syndicom richten und es ist deshalb das Wichtigste überhaupt, dass ihr, die betroffene Belegschaft im Betrieb, die Zügel in der Hand behält und nicht nachgebt, um schlussendlich alle eure Forderung nach reduzierter Arbeitslast und auch Strafzahlungen der Post an euch bei Verletzung der vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit durchsetzen zu können.
Wir stehen hinter all euren Entscheidungen und hoffen, dass wir euch als politische Aktivist_innen mit einer klassenkämpferischen Solidarität tatkräftig unterstützen können.
Solidarische Grüsse
Soli-Komittee
Solidarische Organisationen: Revolutionärer Aufbau Schweiz (RAS), Partei der Arbeit (PdA), Eiszeit, Revolutionäre Jugend Zürich (RJZ), Kommunistische Jugend (KJ), Bewegung für den Sozialismus (BfS), Züri Solidarisch, Industrial Workers of the World (IWW) Zürich, Organisierte Autonomie (OA), Klimastreik Zürich, Interprofessionelle Gewerkschaft der Arbeiter*innen (IGA) Basel, Revolutionäres Jugendbündnis, Winterthur (RJBW), Unia Jugend Zürich-Schaffhausen