
Zeit der Brüche und Risse
Der Blick in die Medien irritiert – nichts was gestern noch gewiss erschien, ist heute noch sicher, nichts was heute geschrieben wird, mag morgen noch Gültigkeit haben; die alte Weltordnung scheint in Auflösung begriffen. Dieses Chaos kann verunsichern. Doch wo Chaos ist, sind auch Möglichkeiten, wo Altes zu Grunde geht, wird Neues entstehen. Es liegt an uns – jenen die schon heute am Alten zweifeln – mit unseren Kämpfen dafür zu sorgen, dass das neu entstehende unsere Zukunft wird. Nutzen wir den Kampftag des 1. Mai als Sprungbrett in diese Zukunft!
Doch was ist das für eine Zeit, was ist dieser Bruch, den wir gerade erleben? Er ist erstmal keine Naturkatastrophe, kein Werk durchgeknallter Egomanen und kein ‹östlicher› Angriff auf ‹westliche› Freiheit. Er ist die dramatische Zuspitzung der kapitalistischen Krise. Diese Krise beginnt weder mit dem Krieg in der Ukraine noch mit Trumps Wiederwahl – sie beginnt mit dem inneren Widerspruch des Kapitalismus, der privaten Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums und der sich daraus objektiv ergebenden Konkurrenz unter den Kapitalist_innen.
Oben rechts im Angriff…
Nachdem sich die Krise über Jahrzehnte vielschichtig und verworren entwickelt hat, scheint sie nun an einen Kipppunkt zu gelangen: Sie hat sich in einem derartigen Masse zugespitzt, dass bedeutende Herrschafts-Teile sich entschieden haben, das fragile und über Jahrzehnte austarierte Gefüge an umkämpften Kompromissen sowohl zwischen den Klassen wie zwischen verschiedenen konkurrierenden Nationen aufzukündigen. Die Weltordnung löst sich also nicht auf, sie wird aufgelöst und zwar von oben rechts her.
Zweifelsfrei, mit der Aufkündigung der alten Ordnung stehen uns in den nächsten Jahren harte Angriffe bevor. Wenn die Reichen wieder Hitlergruss zeigen, wenn sie Billionen in die Kriegsindustrie pumpen und von Selbstschuss-Anlagen an ihren Grenzen träumen: Dann bedeutet dies erstmal, dass wir uns verteidigen müssen. Wir werden – auch in der Schweiz! – unsere Löhne und Renten verteidigen müssen, unsere Lebensentwürfe und -identitäten, unsere «Freiheit» und unsere Leben und nicht zuletzt unsere Strassen, wo all diese Dinge errungen worden sind und wo wir sie verteidigen müssen.
Kündigen wir auch von unten links das Alte auf!
Wenn es in diesem Meer an Ungewissheiten eine Gewissheit gibt, dann jene, dass die alte Ordnung nicht geräuschlos untergehen wird, und schon gar nicht von selbst. Uns steht im Gegenteil eine Phase der tausend Brüche und Risse bevor. Und jeder dieser Risse ist für uns eine Gelegenheit, selbst das Brecheisen anzusetzen.
Ob im persönlichen Leben, am Arbeitsplatz oder auf der Strasse – keinen noch so grossen Kampf dürfen wir uns scheuen anzunehmen, für keinen noch so kleinen uns zu schade sein. Dabei ist uns eine Politik des ‹kleineren Übels› keine Hilfe. Im Gegenteil versperrt sie uns den Weg.
Eine Welt zu gewinnen
Nein, wir dürfen unsere Verteidigungskämpfe nicht an der Verzweiflung darüber ausrichten, was wir zu verlieren haben, sondern an der Hoffnung darauf, was wir zu gewinnen haben. Wie ein Leuchtfeuer führt uns die internationale feministische Bewegung unter dem Banner ‹Jin Jiyan Azadî› vor Augen, was dies bedeutet.
Nämlich die kollektive Selbstverteidigung als das offensive Wenden der in der Defensive geschmiedeten Einheit; die Überwindung der Vereinzelung, das Zusammenstehen in aller Unterschiedlichkeit um uns selbst und der Welt zu demonstrieren: ab jetzt wehren wir uns gemeinsam! Wir bauen Gegenmacht auf. Wir organisieren unsere Verteidigung indem wir unsere Organisierung verteidigen und vorantreiben.
Der 1. Mai ist ein grossartiger Tag im gemeinsamen Kampf Einheiten zu finden und zu schärfen und das Neue zu suchen. Wir werden sie brauchen, die Einheiten und die Perspektiven. Wir werden in der kommenden Zeit – in den vielen Kämpfen an den vielen Fronten – die gemeinsame Strasse brauchen. Eignen wir sie uns an, eignen wir uns unsere Zukunft an!
Für den Kommunismus!