In einer Welt multipler Krisen kehrt der Faschismus nicht als Uniformträger zurück, sondern als ungleichzeitige Konterrevolution. Das ist die ideologische und praktische Selbstverteidigung eines Kapitals, das seine eigene Zerstörung fürchtet und darin zugleich nostalgisch und irrational wird. Einige Überlegungen dazu, wie sich die aktuelle Rechtsentwicklung denken lässt.
(az) Der marxistische Philosoph Alberto Toscano versteht den Faschismus in seinem jüngst erschienenen Buch Spätfaschismus im Sinne von W. E. B. Du Bois’ Konzept einer „Konterrevolution des Eigentums“. Du Bois beschreibt in seinem 1935 veröffentlichten Werk Black Reconstruction die reaktionäre Antwort der Besitzenden auf die 1865 erkämpfte Abschaffung der Sklaverei. Auf eine kurze Phase emanzipatorischer Veränderungen folgte die Konterrevolution des Jim-Crow-Systems. Getragen wurde diese sowohl von rassistischer Gewalt als auch von der Justiz, die Gewalt gegenüber Schwarzen rechtlich legitimierte. Der heutige Faschismus sieht anders aus, doch lässt er sich, so Toscanos These, weiterhin als Konterrevolution des (Privat-)Eigentums begreifen. So wiederholt sich etwa die historisch bekannte Ungleichzeitigkeit, in der liberale Rechtsstaatlichkeit und faschistische Institutionen nebeneinander bestehen können. Der Blick in die USA zeigt beispielhaft, dass es kein Widerspruch ist, demokratische Verfahren aufrechtzuerhalten und zugleich eine faschistische Hetzjagd auf Migrant_innen zu entfesseln. Und mit Blick auf Europa ist es ebenso wenig ein Widerspruch, dass Parteien, die bisher kein Interesse an der Abschaffung demokratischer Strukturen zeigen, offensiv mit faschistischer Agitation werben, um bestehendes Unbehagen einzufangen. Nicht nur deswegen bleibt der Begriff der Konterrevolution als Reaktion der Besitzenden und ihrer Verbündeten zentral, um den gegenwärtigen Zustand der Welt zu begreifen.
Eine Konterrevolution ohne Revolution
Konterrevolution impliziert, dass es eine Revolution gibt. Allerdings lässt sich die heutige Konterrevolution nicht als Reaktion darauf begreifen, dass in jüngster Zeit tatsächlich jemand das Eigentum infrage stellte oder die Macht hätte, das in naher Zukunft zu tun. Entsprechend greifen klassische Faschismustheorien zu kurz, die – wie etwa bei Dimitroff – den Faschismus primär als Antwort auf das „Anwachsen der Kräfte der Revolution“ deuten oder aber – wie etwa Herbert Marcuse und die 68er – das Problem theoretisch lösen, indem sie Konterrevolution stets als Prävention interpretieren. Abgesehen davon, dass es entgegen Dimitroffs Annahme auch keine „monopolistische Bourgeoisie“ gibt, die als geschlossene politische Fraktion den Staat lenkt, bleiben einige Überlegungen solcher Faschismustheorien dennoch von Aktualität, um das neue Erwachen der Konterrevolution zu verstehen.
Zu bedenken ist erstens, dass Vertreter_innen des Kapitals nicht immer zwischen objektiver Lage und subjektiver Wahrnehmung zu unterscheiden wissen – ja, dass sie dies angesichts der Anarchie der Produktion vielleicht gar nicht können. So deutet einiges darauf hin, dass man in der Tech- und Ölindustrie die Klimabewegung in den letzten Jahren als weit grössere Bedrohung für das eigene Überleben wahrnahm, als sie es tatsächlich war: In einer jüngst bekannt gewordenen Aufnahme eines Vortrags des libertär-faschistischen amerikanischen Tech-Milliardärs Peter Thiel erscheint Greta Thunberg als Inkarnation des Antichristen. Offensichtlich ist das irrationaler Wahn. Doch zugleich lässt sich darin eine ernstzunehmende Handlungslogik erkennen: Ein Teil des Kapitals reagiert auf eine Bewegung, die aus eigener Sicht das Fundament des Profits infrage stellt. Hierfür unterstützt man jene politischen Gegenkräfte auf rechter Seite, die versprechen mit all dem zu brechen, was die Klimabewegung fordert. Das stellt sich zugleich als Katalysator des eigenen Machtanspruchs heraus, denn mit den Angriffen auf das Feindbild einer emanzipatorischen Klimapolitik kann man tatsächlich bestimmte Schichten der Klasse mobilisieren, beispielsweise einen Teil der Bauernschaft und Landbevölkerung.
Zweitens ist zu bedenken, dass der Klassenkampf von oben keineswegs abgeschlossen ist, auch wenn er von unten nicht mit jener Intensität geführt wird, die dem historischen Faschismus vorausging. Auch das zeigt sich in der Regierung Trump. Zu den erlassenen Massnahmen gehörten unter anderem Steuererleichterungen für die Reichen, Sonderbehandlungen für loyale Unternehmen, die Lockerung von Arbeitsschutzbestimmungen und Angriffe auf Gewerkschaften. So verlieren gemäss aktuellen Plänen gut zwei Drittel der Staatsangestellten ihr Recht auf gewerkschaftliche Tarifverhandlungen. Dieser Klassenkampf von oben – oder eben die Konterrevolution – manifestiert sich nicht nur in konkreter Politik, sondern auch ideologisch. Das seit mehr als hundert Jahren bewährte Muster rechter Politik besteht bis heute darin, nach unten zu treten und nach oben zu buckeln. Kaum etwas beschäftigt rechte Kommentare in sozialen Medien und Zeitungen so sehr wie das imaginierte Feindbild des Sozialhilfebetrugs. Dabei ist es müssig darauf hinzuweisen, dass der allseits beliebte Steuerbetrug durch die Bourgeoisie den Staat das Hundertfache kostet. Denn es geht hier nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern um Spaltung und um rassistisch aufgeladenen Hass nach unten.
Drittens ist zu bedenken, dass sich die Konterrevolution erst durchsetzen kann, nachdem die Arbeiter_innenmacht aufgelöst und die Arbeiter_innenklasse zerschlagen wurde; nicht an sich, sondern für sich, als politische Formation mit stabilen Solidaritätsbeziehungen, eigener Kultur und kämpferischen gewerkschaftlichen Vertretungen im Betrieb. Hinter diesem Niedergang steht eine lange Geschichte mit unterschiedlichen Phasen und Gegentendenzen, die hier nicht im Einzelnen beschrieben werden können. Nur so viel: Die heutige Hetze nach unten, betrieben von Multimilliardären wie Musk und seinesgleichen, findet dort Resonanz, wo Klassensolidarität erodiert ist und eine eigenständige politische Perspektive fehlt, sowohl hinsichtlich revolutionärer als auch reformistischer Projekte.
Im Sinne dieser drei Aspekte behalten die klassischen Faschismustheorien, die den Faschismus als chauvinistische Klassenpolitik des Kapitals verstehen, durchaus ihre erklärende Relevanz, auch wenn ihre allzu einfache Dialektik von Ökonomie und Politik einer gründlichen Revision bedarf.
Marx lesen
Doch woraus besteht die Verbindung von Eigentum und Konterrevolution dann? Auch hierfür lassen sich Ansätze aus dem Marxismus gewinnen. Von Aktualität ist bis heute Marx’ 1852 erschienene Schrift Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Zu lesen ist der Text stellenweise als historische Analogie. So ist eine Figur wie Bonaparte, der „die ganze bürgerliche Wirtschaft in Wirrwarr“ stürzt und „Anarchie […] im Namen der Ordnung“ erzeugt, auch heute vorstellbar. Zu lesen ist der Text aber vor allem methodisch, weil Marx versucht, so sein Vorwort, nachzuweisen, wie „der Klassenkampf in Frankreich Umstände und Verhältnisse schuf, welche einer mittelmässigen und grotesken Personage das Spiel der Heldenrolle ermöglichen.“ Dabei trifft man auf ein differenziertes Klassenmodell als etwa im Manifest und anderen propagandistischen Schriften. So nimmt Marx die Schichtungen der Klassengesellschaft als Erklärungsmodell politischer Konflikte ernst und nähert sich zugleich undogmatisch der Frage, wie sich politische Macht im Kapitalismus als Klassenpolitik im doppelten Sinne entfaltet: einerseits als ideologischer Kampf um Hegemonie, andererseits als Politik, in der sich einzelne Fraktionen der Bourgeoisie mit unterschiedlichen Klassen(fraktionen) verbünden, um ihre jeweils partikularen Interessen durchzusetzen – ohne Garantie, dass dies auch klappt und dass diese Bündnisse langlebig bleiben.
Zu den Rezipient_innen von Marx’ Methode aus dem Achtzehnten Brumaire gehörten in den 1970er-Jahren die in Grossbritannien lebenden Marxist_innen um Stuart Hall. Diese beschäftigten sich unter anderem mit dem Aufstieg Margaret Thatchers und der Frage, welche ökonomischen und kulturellen Bedingungen diesem zugrunde lagen. Zu ihren zentralen Erkenntnissen zählt die Analyse einer rassistisch aufgeladenen medialen Panikmache über die angebliche Zunahme von Strassenüberfällen. Auf diesen imaginären, aber durch mediale Verbreitung wirkmächtigen Verlust eines Sicherheitsgefühls – der im Wesentlichen eine verdrängte Antwort auf die erste grosse ökonomische Krise des Nachkriegsbooms darstellte – folgte der Aufstieg Thatchers als kapitalistische Krisenmanagerin. Das Interesse an der Verbindung von politischen, ökonomischen und kulturellen Dynamiken wurde später unter dem Begriff der Konjunkturanalyse weitergeführt. Diese versteht kurzlebigere historische Epochen im Sinne ihrer prägenden politischen Bündnisse und kulturellen Eigenheiten als Konjunkturen innerhalb gleichbleibender kapitalistischer Produktionsbedingungen.
Für eine neue Analyse der Konterrevolution
Offen bleibt, wie eine solche Konjunkturanalyse für die Gegenwart aussehen könnte, die gleichzeitig all die clownesken Erscheinungen als auch die Klassenpolitik des Kapitals unter dem Stichwort einer Formierung der Konterrevolution einzuordnen vermag. Über einzelne Themenfelder lässt sich jedoch skizzieren, wie eine solche Analyse aussehen könnte, etwa am Beispiel der Klimapolitik.
Die Konterrevolution reagiert auf die Klimakrise mit einer praktischen und ideologischen Verlängerung des Ölzeitalters. Damit löst sie eine Eigendynamik aus: Je deutlicher sich dessen Ende abzeichnet, desto irrationaler wird diese Reaktion. So steigert sich die ursprünglich sicherheitspolitisch und imperialistisch begründete und durch die Ölindustrie forcierte Energiepolitik in ein Sammelsurium aus Verschwörung, Trotz und Wahn. Auch hierfür ist die Regierung Trumps ein gutes Beispiel. Die USA sind seit einigen Jahren der grösste Produzent und Exporteur von Öl und Gas. Trumps Politik zielte im Kern darauf, diese Machtposition zu sichern und – im Konkurrenzverhältnis zu Chinas Solarindustrie – auch für die Zukunft auszubauen. Entsprechend erleichterte seine Regierung sowohl die Förderung als auch den Konsum fossiler Energien. Doch die rechte Klimapolitik geht längst über diesen bewahrenden imperialistischen Machtanspruch hinaus. Wenn Trump in seinen Reden behauptet, Windturbinen töteten Walfische oder machen Vögel wahnsinnig und die AfD dazu aufruft, bestehende Windanlagen abzureissen, dann ist das nicht bloss groteske Rhetorik: In den USA wurden unter Trump bereits finanzierte Solar- und Windprojekte tatsächlich gestoppt. Je offensichtlicher die Folgen der Klimakrise werden, desto stärker dürfte sich dieser auch für das Kapital schädliche Irrationalismus steigern, auch weil die rechte Politik als Teil der Konterrevolution systematisch die Glaubwürdigkeit etablierter wissenschaftlicher Erkenntnis untergräbt.
Weitere Thesen zur Konterrevolution
- Die Konterrevolution ist zutiefst nostalgisch. Ihre prägenden kulturellen Imaginationen entstammen jedoch nicht der NS-Zeit, sondern einem ländlichen Konservatismus, der gegen das imaginierte Bild liberaler Städte angebracht wird. Wer sich aus Recherchezwecken auf rechten Accounts oder in entsprechenden Medien bewegt, kennt die immer gleichen (KI-generierten) Bilder: weisse Familien, die einem einfachen, vermeintlich glücklichen Leben im Dorfidyll nachgehen. Diese Idealisierung des konservativen Landlebens ist die falsche Utopie des Kleinbürgertums. Doch sie reicht weiter, zum Beispiel so weit, dass sich Figuren wie der amerikanische Medienstratege Steve Bannon als ‚Agrarian Populist’ bezeichnen, in Anlehnung an eine konservative Landbewegung um 1900. Auch anderweitig bieten solche Bewegungen Anknüpfpunkte für die Konterrevolution, etwa über die rechtsextreme niederländische oder weisse südafrikanische Bauernbewegung, die beide weniger mit Fragen der Agrarpolitik, sondern mit faschistischen Weltbildern Politik betreiben, und dies nicht nur für das Kleinbürgertum, sondern auch für einen Teil der Arbeiter_innenklasse. Freilich sind rechte Naturverbundenheit und antiurbanen Vorstellungen nicht neu, weder ideologisch noch als ästhetisiertes Propagandabild. Relevant ist das heute jedoch, weil diese Nostalgie mehr ist als blosse Ästhetik der Konterrevolution: Sie mobilisiert Teile der Bauernschaft als falsche Verbündete, sie zählt auf die Unterstützung kriselnder Industriezweige und sie prägt rechte Politik bis hin zur Wirtschaftspolitik, die auf die Revitalisierung des Landlebens und seiner Industrie setzt, und dies auch dort, wo sich diese ökonomisch als unproduktiv erweist.
- Die Konterrevolution nährt sich vom Ruf nach Sicherheit. In den eigenen Medienkanälen wird ein permanenter Ausnahmezustand inszeniert. Rechte Akteure überfluten ihre Anhänger_innen mit immer neuen Bildern und Videos beklemmender Situationen, die die bisherige Sicherheit westlicher Lebenswelten und ihrer persönlichen Eigentumsrechte bedrohen. Wer den Kanälen des Weissen Hauses folgt, weiss: Selbst an der Macht hält rechte Politik an diesem Gefühl der ständigen Gefährdung fest. Diese heraufbeschworene Gefahr, die zusätzlich fruchtbar wird, wo sie auf religiöse Endzeitvorstellungen trifft, schafft Raum für eine rechte Handlungsfähigkeit, die stets in Gewalt mündet. Dabei erschöpft sich die rechte Sicherheitspolitik nicht in der Bewahrung des Bestehenden, sondern zielt einmal an der Macht auch auf eine Ausweitung von Herrschaft, etwa auf neue Formen der Kontrolle von Handelswegen. Sicherheitspolitik fungiert somit zugleich als ideologische Mobilisierung der eigenen Kräfte als auch als Vehikel der ökonomischen Expansion unter staatlicher Hand. Sie beginnt allerdings meist eine Stufe tiefer; ideologisch in der Betonung der ständigen Gefahr durch das Fremde und (im eigenen Weltbild) Revolutionäre, praktisch bei der Militarisierung nach innen, die in einzelnen Testfeldern erprobt wird. In weiterer Konsequenz führt diese sicherheitspolitische Logik der Konterrevolution zur Normalisierung des Krieges: weniger als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern als staatlich legitimierte Praxis des Tötens. Das zeigt sich heute genozidal in der israelischen Kriegsführung, aber auch in niedriger Intensität der Barbarei, etwa an den europäischen Aussengrenzen oder in den amerikanischen Angriffen auf Fischerboote vor der venezolanischen Küste.
- Das tagespolitische Ziel der Konterrevolution ist Austerität in Form von Steuererleichterungen für die Bourgeoisie. Steuerfragen bilden eine seltene Schnittmenge einer ansonsten untereinander konkurrierenden herrschenden Klasse. Alleine finanzpolitisch betrachtet sind Staatsabbau und Steuerprivilegien für Reiche und Unternehmen allerdings unpopulär. Deshalb lässt sich eine regressivere Finanzpolitik nur durch ideologische Querverbindungen rechtfertigen. Die beiden zentralen Mittel dieser Rechtfertigung sind einerseits Hetze nach unten, wie sie sich in Hetzfiguren wie dem vermeintlichen ausländischen ‚Sozialschmarotzer’ zeigt und wie sie beim Kleinbürgertum gut ankommt, andererseits libertäre Propaganda gegenüber unproduktiven Staatsausgaben. Für Steuererleichterungen ist man bei der Bourgeoisie auch bereit, die Konterrevolution gewähren zu lassen, selbst dort, wo sie ausser Kontrolle gerät und für das Kapital und einen Teil der liberaleren Bourgeoisie irrational wird. In der Politik hingegen entstehen Widersprüche und man muss sich entscheiden. So begrüsst etwa ein Teil der marktfreundlicheren Fraktion der französischen Faschist*innen den Aufstieg Jordan Bardellas, weil er im Vergleich zu Le Pen eine aggressivere Rhetorik gegen den Sozialstaat fährt. Ähnliche Spannungen zeigen sich in den USA, wo faschistische Strömungen aus ländlichen Gebieten Trumps radikalen Abbau der Gesundheitsversorgung ablehnen. Diese inneren Brüche führen allerdings nicht zur Auflösung der Konterrevolution, sondern treiben sie weiter an: Als Konkurrenzkampf unterschiedlicher Fraktionen, die um die ideologische und politische Vorherrschaft in der Rechten ringen und sich dabei gegenseitig mobilisieren.
- Die Konterrevolution ist ein Social-Media-Phänomen. Deshalb entfaltet sie globale Wirkung, bleibt aber im Diskurs des rechten amerikanischen Kulturkampfs und seines Antifeminismus verhaftet. Wenn Wladimir Putin erklärt, J. K. Rowling werde im Westen angegriffen, der slowakische Ministerpräsident Robert Fico beteuert, er wolle sich nicht als Kampfhelikopter identifizieren, Benjamin Netanjahu die Ermordung von Charlie Kirk betrauert, und die NZZ eine Woche lang über den US-Podcaster sinniert, den sie vor seinem Tod nicht kannte, dann zeigt sich, dass Politik überproportional oft mit Themen aus dem amerikanischen Kulturraum betrieben wird. Das liegt vor allem daran, dass die Rechtsentwicklung kulturell ein Social-Media-Phänomen ist, und dass die technologische wie ökonomische Basis rechter Kultur somit durch die Aufmerksamkeitsökonomie, AI-Technologien und -Bildwelten sowie die zentralen Figuren der amerikanischen Plattformen geprägt ist. Zentrales Thema hierbei ist der Antifeminismus, der rechte Ideologien über Grenzen hinweg verbindet. Es wäre allerdings falsch zu meinen, dass sich die rechte Politik damit von der Realität löst: Gerade die weltweite Verbreitung des amerikanischen Kulturkampfs über diese Plattformen – und in einem zweiten Schritt erst über die alternative rechte Medienwelt – reproduziert dessen Themen soweit, dass sie gesellschaftspolitisch wirksam werden und die Themen der rechten Konterrevolution selbst dort mitprägen, wo Leute sich nicht jeden Tag auf diesen Plattformen bewegen.
Was tun?
Zu wissen, dass wir es mit einer konterrevolutionären Politik zu tun haben und was deren Inhalte sind, bringt Erkenntnis über den Zustand der Welt. Doch ob sich daraus strategische oder taktische Massnahmen ableiten lässt, ist eine andere Frage. Zunächst das Offensichtliche: Konjunkturen sind zwar nicht notwendig langlebig, aber sie bilden dennoch stabile politische Formationen. Dass sich die gegenwärtige Phase nicht selbst überholt, zeigt sich auch darin, dass einzelne Skandale die rechte Politik heute nicht mehr ins Wanken bringen. Die Grenze des Sagbaren ist längst verschoben. Selbst die Tatsache, dass Trump sein Land in eine wirtschaftliche Schieflage versetzt, scheint der globalen Popularität rechter bis faschistischer Bewegungen nichts anzuhaben. Machen wir uns also nichts vor: Wir müssen uns auf härtere Zeiten einstellen. Gleichzeitig bleibt antifaschistische Politik anschlussfähig und damit auch ein strategisches Vehikel revolutionärer (Krisen-)Politik. Als solche kann sie bestehen, wenn sie eigenständige Perspektiven präsentiert und nicht in ein von Rechten gelenktes Fahrtwasser gerät, etwa indem sie sich an sicherheitspolitischen und anderen nationalistischen Diskursen beteiligt.
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