Debatte um die Planwirtschaft

PLANWIRTSCHAFT – Der Revolutionäre Aufbau Schweiz führte als Beitrag zur Perspektivendiskussion  in Bern, Zürich und Basel Veranstaltungen mit Helmut Dunkhase durch. Er hatte auf deutsch das Buch Alternativen aus dem Rechner der schottischen Autoren Cockshott und Cottrell herausgegeben. Ein ausführlicher Veranstaltungsbericht folgt im Aufbau Nr. 53.

In einer Artikelserie in den Nummern 47 – 49 unserer Zeitung hatten wir versucht, eine Diskussion um die Perspektiven einer kommunistischen Gesellschaft zu beginnen. Dabei gingen wir von den Grundwidersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise und der allgemeinen historischen Entwicklung aus. Wir stellten auf einer theoretischen Ebene dar, dass und warum es darum gehen muss diese Grundwidersprüche aufzuheben.

In der Absicht, die Diskussion darüber zu vertiefen und mit möglichst konkreten Ansätzen zu konkretisieren, haben wir Helmut Dunkhase eingeladen.

Der Referent ist seit 40 Jahren in der kommunistischen Bewegung in Deutschland aktiv. Er stellt sich positiv zu den Versuchen, in der Sowjetunion, der DDR und anderswo den Sozialismus aufzubauen. Auch die schottischen Autoren des referierten Buches, Paul Cockshott und Allin Cottrell (C+C), bezogen sich mit ihrem 1993 erschienen Buch ursprünglich auf die sowjetische Planwirtschaft, zu deren Verbesserung sie beitragen wollten. Cockshott greift in die Beratung der venezolanischen Regierung Chàvez ein. Genügend Gründe also für Kontroversen. Wir dokumentieren hier eine erste:

Im Vorwärts vom 22. Februar 2008 erschien unter dem Pseudonym Klaus Klamm ein Verriss mit der Zuspitzung, dass die entworfene Gesellschaft nichts anderes als eine kapitalistische Gesellschaft ohne Markt und Privateigentum sei. Weder würden Wert und Ware abgeschafft, noch Lohn und Konkurrenz zwischen ArbeiterInnen aufgehoben, noch die Möglichkeit zum Absterben des Staates gelegt.

Darauf hat Dunkhase selbst eine Replik verfasst, der wir im Wesentlichen zustimmen. Hier ist sie:

Zur epochalen Einordnung des Modells

Die Überlegungen von Cockshott und Cottrell beziehen sich auf die Phase gesellschaftlicher Entwicklung, die Marx „erste Phase der kommunistischen Gesellschaft“ genannt hat – nicht „Übergangsgesellschaft“, wie Klamm suggeriert. Über ihr zeitliches Ausmaß hat sich Marx weder in der „Kritik des Gothaer Programms“ noch anderswo ausgelassen.  Diese Phase ist nach Marx noch mit den Makeln der alten Gesellschaft behaftet, deren wesentlicher das gleiche, bürgerliche Recht für alle ungeachtet der unterschiedlichen individuellen Begabung und Leistungsfähigkeit ist. „Jedem nach seiner Leistung“ ist noch das Prinzip. „Diese Beurteilung von Marx“ soll ich unterschlagen haben. Dass ich das Leistungsprinzip nicht dargestellt hätte, kann Klamm nicht ernsthaft behaupten; dass die Geschichte hiermit noch nicht an ihr Ende gekommen ist, ging zumindest aus der anschließenden Diskussion hervor. Was also könnte ich sonst noch unterschlagen haben? Dass Marx das Leistungsprinzip als – wie Klamm meint – „grundlegende Kritik“ an der Arbeitszeitrechnung verstand? Hier verwechselt Klamm logische mit dialektischer Kritik. „Grundlegend“ bezieht sich auf einen (formal-)logischen Grund, Marx kritisiert hier das Leistungsprinzip als einen Makel, der historisch auf dem Weg zur höheren Phase des Kommunismus notwendig durchschritten werden muss. Dies bestätigt Klamm ja auch ein paar Sätze später, wenn er einräumt, dass „sich Marx für diese Art der Übergangsgesellschaft (gemeint ist die erste Phase des Kommunismus, HD) aus“(spricht).

Abstrakte Arbeit

Das von C&C vorgeschlagene ökonomische Modell unterliegt weiterhin einem Regime abstrakter Arbeit. Jede wertproduzierende Arbeit beruht auf abstrakter Arbeit. Die Umkehrung, dass jede abstrakte Arbeit notwendig wertproduzierend sein muss, gilt nicht. Um dies einzusehen, muss zunächst zwischen Wertform und Wertgröße unterschieden werden – was Klamm nicht macht. Die Wertform bildete sich heraus, als der Produktionszusammenhang nur noch indirekt, über den Tausch, zu vermitteln war. Sie drückt das Produktionsverhältnis voneinander unabhängiger Produzenten aus und zieht notwendig Markt und Besitzerwechsel nach sich. Der Tausch der nun in Waren verwandelten Produkte vollzieht sich nach Maßgabe der in ihnen enthaltenen gesellschaftlich notwendigen Arbeit, die die Wertgröße bildet. Diese gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeitquanten regeln auch die kommunistische Produktionsweise, nur, dass sie sich nicht mehr indirekt und im Nachhinein, beim Tausch und somit in der Form des Wertes herstellen, sondern direkt und von vornherein im Plan bestimmt werden. Etwas lax formuliert: die Wertgröße bleibt, während die Wertform verschwindet.

Jeder kann sich selbst davon überzeugen, dass die Geschäftsgrundlage des von C&C vorgeschlagenen Modells das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln ist, der Tausch (der ohne Besitzerwechsel sinnlos ist) durch Kooperation ersetzt wird und somit das die Wertform erzeugende grundlegende Produktionsverhältnis aufgehoben ist. Wo es nichts zu tauschen gibt, ist auch kein Markt mehr und die Produkte verlieren ihren Warencharakter.

Klamms Satz „Dieser Inhalt (gemeint ist der Arbeitsinhalt der Produkte,HD) ist nichts anderes als eine Form des Werts.“ bringt sein Missverständnis auf den Punkt. Für ihn ist Wertgröße gleich Wertform. Kein Wunder, dass er dann den grundlegenden Umbruch der Produktionsverhältnisse nicht ausmachen kann und sich heillos in Antinomien verstrickt: Eine kapitalistische Gesellschaft ohne Markt und Privateigentum (wie Klamm diagnostiziert) ist ebenso unmöglich wie Wert, Ware und Lohn ohne Markt und Privateigentum (was er ebenfalls behauptet). Auch wird eine „bürgerliche Vorstellung der (nicht: über die!, HD) Planwirtschaft“ genauso schwierig zu realisieren sein wie eine proletarische Vorstellung der (kapitalistischen) Marktwirtschaft.

Es ist auch nur die halbe Wahrheit, wenn Klamm die Botschaft vernimmt, dass „in jeder Arbeitsstunde dieselbe Wertgröße“ produziert wird. Zwar findet sich diese Formulierung im Buch, aber als Ausgangspunkt für ihre Differenzierung insbesondere hinsichtlich unterschiedlicher Qualifikationen der Arbeitskräfte. So wird ein paar Seiten weiter ausgeführt, dass die Arbeitsstunde einer Ingenieurin auf Grund einer Übertragungsrate (der in ihrer Qualifikation geronnenen gesellschaftlichen Arbeit) von 0,33 mit 1,33 bewertet wird.

Selbstkritisch sei allerdings vermerkt, dass diese Stelle ein Beispiel dafür ist, dass Wertbezeichnungen in bezug auf die kommunistische Produktionsweise nicht konsequent vermieden wurden und somit  vielleicht auch zu einer möglichen Verwirrung beigetragen haben.

Leistungsprinzip

Leistung, Kontrolle, Effizienz und Funktionalität scheinen Klamm ein Gräuel zu sein. Ich kann dem nicht abhelfen, weil wir leider nicht schnurstraks in einen Zustand übergehen können, in denen „alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums“ (Marx) so voll fließen, dass jeder nach seinen Befüfnissen leben kann und auf Träumereien lässt sich kein Kommunismus aufbauen.

Am Schluss geht der Sinnzusammenhang weitgehend verloren. Den Vorschlag, verschiedene Kategorien der Leistungsfähigkeit einzuführen bringt Klamm in ursächliche Verbindung mit einem Problem, mit dem er überhaupt nichts zu tun hat, nämlich dem Problem, den Konflikt zwischen der eigenen Lebenswelt und den Ansprüchen des auf der Totalität der Gesellschaft operierenden Plans zu lösen – um dann zur frei erfundenen Behauptung überzugehen, die Funktionäre „müssten letztlich entscheiden, was der Gesellschaft langfristig am meisten nützt“.