„Das Dümmste wäre, den Kopf in den Sand zu stecken“

Bei Clariant in Muttenz droht der Abbau von rund 400 Arbeitsstellen. Gegen diese Restrukturierungsmassnahmen fand am 11. März ein Aktionstag statt. Vor Ort bestand insbesondere die Möglichkeit, im direkten Gespräch die Situation der ArbeiterInnen kennen zu lernen.

(rabs) Es ist der 16. Februar 2010. An der Börse in Zürich kündigt der CEO des Chemiekonzerns Clariant, Hariolf Kottmann, den Abbau von 400 Stellen am Hauptsitz Muttenz (Schweizerhalle) an. Praktisch die ganze Produktion soll nach Asien und Spanien ausgelagert werden. Die Entlassungen würden trotz der Rentabilität des Werkes auf dem kapitalistischen Markt erfolgen und haben damit einzig und allein das Ziel, die Profite der AktionärInnen weiter nach oben zu treiben. Die Aufträge seien da, oft müssten sie auch am Wochenende arbeiten, sagt ein Arbeiter. Er und seine Kollegen seien von einem Stellvertreter über den Stellenabbau informiert worden. „Ins Werk selbst wagte sich Kottmann nicht.“ Auch wenn sie mit Entlassungen gerechnet hätten, übertrifft die Androhung dieses massiven Abbaus doch die Erwartungen. „Im ersten Moment war ich unheimlich erschrocken“, erinnert sich ein Arbeiter.

 
Zusammen Widerstand entwickeln…
In der aktuellen Situation finden vermehrt Diskussionen unter den Leuten im Betrieb statt. Unter den Anwesenden ist klar, dass gehandelt werden muss, auch über Streik wird geredet. Einige aus der Belegschaft haben sich auch im Kampfkomitee zusammengeschlossen, das sich wöchentlich trifft, um eine Strategie zu erarbeiten. Gehofft wird, dass dieser Tag erst der Anfang von einer Welle des Protests ist. Dieser hat schon im letzten Frühjahr als Antwort auf den damaligen Stellenabbau begonnen. Damals hat das Engagement einen kleinen Erfolg gezeigt, als ein entlassener Vertrauensmann der Gewerkschaft wieder eingestellt wurde. Momentan herrscht unter den ArbeiterInnen Unklarheit, wofür gekämpft wird. „Ich habe schon noch die Hoffnung, dass wir bleiben“, meint ein Arbeiter. Andere glauben nicht mehr an die Erhaltung, setzen sich aber für bessere Bedingungen wie eine gute Abfindung für alle ein. Klar ist aber, dass jedeR sich wehren sollte und gemeinsam etwas erreicht werden kann.

 
…und auf die Strasse tragen
Ab fünf Uhr früh befinden sich (Leute aus der Belegschaft und deren Angehörige,) ArbeiterInnen und deren Angehörige, Leute von der Gewerkschaft, dem Solidaritätskomitee und andere solidarische Menschen vor dem Werk in Muttenz. In einem grossen Zelt und davor wird Kaffee getrunken und diskutiert. Einige Stunden später führt eine Demonstration von etwa 300 Personen zuerst nach Muttenz, danach durch die Liestaler Innenstadt bis vor den Sitz des Baselbieter Landrats. Parolen wie „Clariant sind wir, wir bleiben hier“, werden gerufen. Anwesend sind auch KollegInnen aus Huningue (Frankreich) bei Basel, die sich ebenfalls in einem Arbeitskampf befinden. Vor dem Landrat folgen verschiedene Reden, in denen zum Teil explizit zum Kampf und zur Solidarität aufgerufen wird. „Ich bin hier aus Solidarität, aber auch wegen mir selbst. Wir zeigen, dass man sich wehren kann“, begründet ein junger Arbeiter seine Teilnahme. „Wir sind zwar nur Arbeiter, aber ohne dass wir produzieren, bekommen die Chefs gar nichts.“ Schade sei, dass viele aus der Belegschaft aus Angst oder Resignation trotzdem am Arbeiten seien. „Wenn ich durch den Betrieb gehe, rede ich mit den Leuten und lege ihnen trotz allem Verständnis für die Angst ans Herz, dass man kämpfen muss“, meint ein Arbeiter dazu. 

 
(Dieser Artikel wurde auch in der vorwärts-Zeitung abgedruckt)